Digitale Aufrüstung
»Die Soko Schwarzer Block macht mit ihrem Namen klar, wo die Polizei den Feind verortet, und verschleiert dabei, dass die Gemengelage eher unübersichtlich ist«, sagte Tina Fritsche am Mittwoch vergangener Woche. »Sie vermittelt Aktivität, indem sie Ermittlungen gegen einzelne Linke verkündet«, so die Gewerkschafterin, die im alternativen G20-Mediencenter FCMC tätig war, »und trötet am Tag danach in und eins zu eins übernommen von den Medien, dass Razzien stattfinden – assoziativ in Zusammenhang gestellt mit den Ermittlungen.«
Am 10. Juli hatte der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer die Einrichtung der Sonderkommission Schwarzer Block verkündet. Sie ist die größte bisher vom Landeskriminalamt, Abteilung Staatsschutz, gebildete Ermittlungsgruppe. Nachdem wochenlang wenig von der Tätigkeit der 180 Beamte umfassenden Sonderkommission die Rede gewesen war, fand am 27. September eine Razzia in 14 Wohnungen und zwei Telefonläden statt, bei der sieben bei Plünderungen während der G20-Proteste gestohlene Mobiltelefone von Apple bei angeblichen »Gelegenheitstätern« beschlagnahmt wurden. Neue Smartphones lassen sich nach einem Diebstahl aus einem Laden mit Hilfe der Seriennummer mühelos sperren und lokalisieren. Die Durchsuchungen erscheinen so als reine Symbolik.
»Ich glaube, dass diese Videobeweise so erdrückend sind, dass wir eine erstaunliche Geständnisbereitschaft haben.« Jan Hieber, Leiter der Soko Schwarzer Block
Zudem berichteten Hamburger Medien, dass die Staatsanwaltschaft gegen vier aus den G20-Protesten bekannte Linke – Andreas Blechschmidt, Andreas Beuth, Emily Laquer und einen vierten, nicht namentlich Genannten – wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Dem Hamburger Abendblatt sagte Nana Frombach, die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, es seien mehrere Anzeigen wegen schweren Landfriedensbruchs gegen die vier eingegangen.
Die Soko Schwarzer Block hat noch viel vor
»Offensichtlich ist doch, dass es nicht nur darum geht, sogenannte Flaschenwerfer zu verurteilen, sondern vor allem auch darum, den legitimen Protest gegen das G20-Treffen in Hamburg zu kriminalisieren und zu delegitimieren«, sagte Kim König der Jungle World. Sie ist Pressesprecherin der Roten Hilfe Hamburg für die Kampagne »United we stand« gegen die staatliche Repression nach dem G20-Gipfel. »Wir haben es also eher mit einer doppelten Signalwirkung zu tun: Einerseits sollen die hohen Urteile in den ersten Verfahren auch für alle künftigen Gelegenheiten abschrecken bis hin zu der Frage, ob man es überhaupt noch wagen kann, an einer Demonstration teilzunehmen.« Andererseits, so König, »sollen die Aktivisten durch Repression davon abgehalten werden, sich zu organisieren und zu artikulieren«. Mit Blechschmidt, Beuth und Laquer »sollen Personen dafür abgestraft werden, dass sie ihre Stimme und ihr Gesicht einer breiten Mobilisierung gegen den G20-Gipfel zur Verfügung gestellt haben«.
Dass besorgte Bürger nicht zwischen einer politischen Aussage und einem konkreten Aufruf zur Gewalt aus einer Menschenmenge heraus »in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise« – dies sind die juristischen Kriterien für Landfriedensbruch – unterscheiden können oder wollen, ist nicht verwunderlich. Aber auch Politiker, Staatsanwaltschaften, Journalisten und andere, die es besser wissen sollten, differenzierten nach den Protesten gegen den G20-Gipfel nur selten zwischen konkreten Tatvorwürfen und radikaler linker Gesinnung. Neben den Prozessen gegen verhaftete Protestierende gibt es auch Ermittlungen wegen Meinungsäußerungen. Die Soko Schwarzer Block hat noch viel vor. Ihr Leiter, Kriminaldirektor Jan Hieber, kündigte den Protestierenden an: »Wir werden viele von euch kriegen. Ganz sicher.«
Dass dies keine leere Drohung ist, liegt vor allem an der Digitalisierung der Aufnahmetechnik. »Wir haben Bildmaterial in einem Umfang, wie es ihn noch nie in der deutschen Kriminalgeschichte gab«, sagte Hieber dem Hamburger Abendblatt. Mehrere Hundert der etwa 5 000 bei den Gipfelprotesten straffällig Gewordenen seien schon erkannt, behauptete Hieber, der von den neuen technischen Möglichkeiten begeistert zu sein scheint, ohne allzu große datenschutzrechtliche Bedenken zu haben: »Wir wollen ein Programm zur Gesichtserkennung einsetzen.« Allein aus der Überwachung öffentlicher Verkehrsmittel seinen 100 Festplatten gesichert worden.
»Insgesamt hat die Sonderkommission schon über 2 000 Ermittlungsverfahren in Bearbeitung«, so Polizeipräsident Meyer. »Wir gehen perspektivisch davon aus, dass wir bei über 3 000 Ermittlungsverfahren landen werden, wenn wir das ganze Material ausgewertet haben.« Hieber ergänzte: »Ich glaube, dass diese Videobeweise so erdrückend sind, dass wir eine erstaunliche Geständnisbereitschaft haben, wie ich sie noch nicht erlebt habe.« Das ist reine Spekulation – sicher ist hingegen, dass die digitale Aufrüstung der Polizei vorankommt und der Verfolgungswille gegen radikale Linke zunimmt.