Fall Skripal - Die britische Staatsanwaltschaft hat zwei Russen als Tatverdächtige identifiziert

Gift im Parfümflakon

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Am 4. März fuhren die Skripals mit Sergejs BMW in die Altstadt von Salisbury. Gegen Mittag besuchten sie den Pub »The Mill« und aßen danach in einem Restaurant der Kette »Zizzi«. Als sie gegen 15.35 Uhr das Restaurant verließen, schafften sie es noch bis zu ­einer Parkbank in der Nähe, bevor sie dort zusammenbrachen. Zunächst mutmaßte die Polizei, dass sie sich im Restaurant mit kontaminiertem Essen vergiftet hatten. Erst nach der Untersuchung des Hauses von Sergej Skripal und der Rekonstruktion seines Tagesablaufs stellte sich heraus, dass sich Spuren von Nowitschok auch im Pub, im Parkhaus, wo Skripal das Auto abstellte, auf der Parkbank und in der Am­bulanz des Krankenhauses fanden – an allen Orten, an denen die Skripals sich am 4. März aufhielten. Sowohl das Restaurant als auch Geschäfte nahe der Parkbank blieben teilweise monatelang geschlossen, bis die Reinigungsarbeiten abgeschlossen waren.

Durch den Einsatz von Nowitschok gefährdeten die Attentäter auch die ­Bevölkerung Salisburys. Die Skripals überlebten den Anschlag, doch im Juli 2018 starb die 44jährige Dawn Sturgess im nahegelegenen Amesbury an einer Nowitschok-Vergiftung. Erst durch diesen Vorfall fand die Polizei heraus, dass das Gift in einem gefälschten Parfümflakon transportiert und verbreitet worden war. Zwar waren alle von den Skripals besuchten Orte dekontaminiert worden, doch den giftigen Flakon scheinen die Attentäter achtlos weggeworfen zu haben. Sturgess und ihr Partner Charlie Rowley kamen mit dem Gift in Berührung, weil Rowley den Flakon in einer Schachtel in einem Altkleider-Container gefunden hatte. Rowley gab an, den zweiteiligen Parfümflakon am 30. Juni zusammengesteckt zu haben. Dabei bekam er etwas von dem Gift ab. Sturgess sprühte sich kurz darauf das Gift auf ihr Handgelenk und brach zusammen. Im Juli starb sie an den Folgen der Vergiftung. Rowley befindet sich immer noch in einem kritischen Zustand.

Der Angriff sei eine »direkte Kampfansage« an das System internationaler Regeln, das »uns alle seit 1945 geschützt hat«, sagte die britische UN-Botschafterin Karen Pierce. Für Premierministerin Theresa May handelt es sich um einen feindlichen Akt. Sie kündigte nicht nur an, für weitere Sanktionen gegen Russland zu werben. Sie will auch alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel des nationalen Sicherheitsapparats einsetzen, um weitere feindliche Akti­vitäten Russlands aufzudecken. Russland bestreitet, dass Petrow und Boschirow dem Geheimdienst angehören. Der russische UN-Botschafter Wassilij Nebensja bezeichnete Mays Reaktion und die derzeitige britische Medienberichterstattung über die Nowitschok-Affäre als russophobe Propaganda.

Viel hat die russische Regierung wohl nicht zu befürchten. Aufgrund des bevorstehenden EU-Austritts ist Großbritannien mehr denn je darauf angewiesen, Anlegern, nicht zuletzt russischen Oligarchen, einen safe haven für ihr Geld und ihre nicht immer sauberen Geschäfte zu bieten.