Über Aufstieg und Fall von Medienmonopolen in der Moderne

Der Gang der Dinge

Wie sieht die Zukunft des Internets und seiner derzeit dominierenden Konzerne aus?
Kommentar Von

Historisch scheint bei neuen Kommunikationstechnologien häufig ein ähnliches Muster abzulaufen. Wenn sie nicht von vornherein staatlich reguliert werden, wie etwa der Rundfunk in Europa, entsteht zunächst eine Vielzahl kleiner Anbieter, die innerhalb weniger Jahre einem Oligopol, wenn nicht gar Monopol weicht. Das lief beim Telefon so, beim Radio, beim Fernsehen und in der Filmindustrie.

Mit dem Internet sollte alles anders werden. Es erschien als anarchistischer Traum, in dem Meinungsfreiheit ohne Kontrolle für alle galt, die sich ans Netz der Netze anschließen. Das einzige, woran man sich halten musste, schienen technische Standards, die jedoch Allgemeingut sind. So würden sich, so hoffte man, keine Monopole bilden und das Internet nicht von Konzernen oder Staaten kontrolliert werden. Es war ein Mythos, dass das Netz jegliche Form von Kontrolle und Zensur als Fehler betrachtet und eben darum herum »routet«. Wie haben sich die Enthusiasten der frühen Stunde getäuscht!

Man vergleiche nur die Geschichte des Mediums Film: Im Studiosystem der zwanziger Jahre kontrollierte ein Oligopol großer Filmstudios, was in den Kinos lief, die ihnen mehrheitlich selbst gehörten. Dieses Oligopol ermöglichte es, dass 20 Jahre lang der Hays Code galt, der bestimmte Darstellungen von Kriminalität, sexueller und politischer Inhalte von der Leinwand verbannte; die Einführung von gesetzlichen Regelungen oder gar einer Zensur- oder Aufsichtsbehörde wurde damals durch eine Selbstverpflichtung der Studios verhindert. Heutzutage kontrolliert Google mit dem Browser Chrome den Markt für Online-Werbung, ist aber selbst zugleich der größte Werbeanbieter. Und Facebook hat gerade erst beschlossen, Impfgegnertum, Holocaustleugnung und Qanon von der eigenen Plattform zu verbannen, ein überfälliger Schritt.

Längst kontrollieren Facebook, Google, Apple und Amazon weite Teile des Internets. Abseits von ihnen gibt es Leben, wie das Darknet zeigt, aber gesellschaftlich und kommerziell spielt sich fast alles auf den großen Plattformen ab. Zugleich regulieren Staaten von der chinesischen »Firewall« bis zur europäischen Urheberrechtsreform immer mehr, was im Netz möglich ist.

Aber Geschichte wiederholt sich nicht. Was an Internetanwendungen noch schwerer ins Gewicht fällt als etwa bei Zeitungen in früheren Tagen, ist der Netzwerkeffekt. Viele benutzen Whatsapp, weil viele Whatsapp benutzen. Konkurrenten haben kaum eine Chance. Dieser Netzwerkeffekt bedeutet, dass sich die Marktmacht bei Internetkonzernen noch viel stärker konzentrieren als bei den Medienimperien früherer Zeiten.

In den neunziger Jahren benutzten fast alle Windows, weil fast alle für Windows Software entwickelten, weil fast alle Windows benutzten. Microsoft hatte damals ein Kartellverfahren überlebt und ist 20 Jahre später immer noch Quasimonopolist auf dem PC-Markt. Auf dem Smartphone spielt Microsoft hingegen keine Rolle. Verschiebungen scheint es immer dann zu geben, wenn neue Technologien ins Spiel kommen, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Noch weiß niemand, was »das nächste große Ding« sein könnte, weshalb Google an seiner Datenbrille »Glass«, Facebook an seiner Virtual-Reality-Brille »Oculus Rift« und Elon Musk mit »Neuralink« an einer direkten Schnittstelle zum Gehirn basteln. Die großen Internetkonzerne könnten dank des Netzwerkeffekts auch in 20 Jahren noch große Konzerne sein, die ihre Märkte dominieren. Zugleich müsste man annehmen, dass sie angesichts neuer Technologien von neuen Start-ups, aus denen neue Konzerne werden, an Dominanz verlieren.