Der linke chilenische Präsidentschaftskandidat Gabriel Boric ist ein Hoffnungsträger

Links gegen rechts

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Vollbart, Tattoos, Umtriebigkeit – mit diesen Attributen könnte Gabriel Boric auch prima eine craft beer-Bar für Hipster betreiben, doch er hat größere Ziele. Der 35jährige ist als Kandidat der Partei Convergencia ­Social in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Chile vom Sonntag mit rund 26 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz gekommen. Trotz seines relativ jungen Alters – mit 35 hat er gerade einmal das Mindestalter für Präsidentschaftskandidaten in Chile erreicht – blickt er bereits auf eine lange politische Karriere zurück. Angefangen hat der radikale Linke als Schülervertreter in Punta Arenas ganz im Süden Chiles. Später ging er für ein Jurastudium in die Hauptstadt Santiago de Chile und schaffte es bis zum Vorsitzenden der Studierendenvereinigung der Universidad de Chile (Fech). Bekannt wurde er vor allem während der Studierendenproteste ab 2011 als einer der Sprecher der Fech. 2013 trat er bei den chilenischen Parlamentswahlen als unabhängiger Kandidat für den Distrikt 60 an, die Region an der Magellanstraße und der chilenischen Antarktis, deren Hauptstadt Punta Arenas ist. Seit März 2014 sitzt er für die Region im Abgeordnetenhaus. Seine Verbundenheit zu seiner Herkunftsregion drückt er unter anderem mit einem Tattoo auf seinem Unterarm aus, das einen Leuchtturm in der stürmischen Landschaft Patagoniens zeigt.

Im Juli 2021 setzte sich Boric schließlich bei den Vorwahlen des linken Bündnisses Apruebo Dignidad (Ich befürworte Würde) als Präsidentschaftskandidat durch. Sein Erfolg vom Sonntag überraschte viele, zumal eher der »Mitte« zuzurechnende Kandidaten höchstens knapp 13 Prozent der Stimmen erhielten. Boric’ Gegner in der für den 19. Dezember anberaumten Stichwahl um die Präsidentschaft ist der Ultrarechte José Antonio Kast, der mit knapp 28 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz kam. Kast steht in der wirtschaftsliberalen und autoritären Tradition der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973–1990) und ist ein vehementer Linkenhasser. Boric hingegen vertritt eine progressive linke Linie und will die Forderungen der Protestbewegungen der vergangenen Jahre wie soziale Gerechtigkeit und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung erfüllen. Auch wenn er manchen Linken vermutlich nicht radikal genug, der politischen »Mitte« wiederum zu extrem ist – Boric ist ein Hoffnungsträger.