Bei zwei italienischen Regionalwahlen siegte das rechte Bündnis Giorgia Melonis

Resignation breitet sich aus

Bei den italienischen Regionalwahlen im Latium und der Lombardei siegte Giorgia Melonis rechtes Parteienbündnis – bei sehr geringer Wahlbeteiligung. Es mangelt an Opposition und Widerstand.

Italiens größte Oppositionspartei ist zufrieden mit der rechtsextremen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Sie führe die Regierung besser als erwartet, sagte Enrico Letta vergangene Woche in einem Interview mit der New York Times. Nach der Wahlniederlage im September war er vom Vorsitz des Partito Democratico (PD) zurückgetreten. Stefano Bonaccini, der Regionalpräsident der Emilia-Romagna, der in dem seit Monaten laufenden parteiinternen Auswahlverfahren als aussichtsreichster Kandidat auf die Nachfolge Lettas gilt, pflichtete ihm bei: »Meloni ist keine Faschistin.«

Knapp vier Monate nach dem Amtsantritt der ultrarechten Regierung hat sich die Ministerpräsidentin die Wertschätzung der PD-Führung allein dadurch verdient, dass sie bei internationalen Auftritten auf eine aggressive rechtspopulistische Rhetorik verzichtet und die haushaltspolitischen Vorgaben der Europäischen Kommission einhält, um die von den Vorgängerregierungen ausgehandelten Zuschüsse aus dem EU-Wiederaufbaufonds zur Linderungen der Pandemiefolgen weiterhin regelmäßig überwiesen zu bekommen. Eine Opposition, die keine anderen politischen Ansprüche stellt, hat dieser Rechten nichts entgegenzusetzen.

Das Ergebnis der Regionalwahlen am 12. und 13. Februar in den beiden bevölkerungsreichsten Regionen des Landes, der Lombardei und dem Latium, bot keine Überraschung: Das rechte Regierungsbündnis aus den Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI), der Lega und der Forza Italia (FI) gewann jeweils im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die Wahlbeteiligung lag in der Lombardei, in der die Wirtschaftsmetropole Mailand liegt, bei 41,6 Prozent, im Latium mit der Hauptstadt Rom ­sogar nur bei 37,2 Prozent.

Im Latium hatte zuletzt ein breites Bündnis aus PD, Movimento 5 Stelle (M5S) und linken Kleinstparteien regiert, das lange als »Versuchslabor« für ein erfolgversprechendes Bündnis auf nationaler Ebene galt. Stattdessen haben sich die Parteiführungen von PD und M5S so zerstritten, dass sie sich mit getrennten Listen zur Wahl stellten, obwohl sie damit gegen das vereint antretende Rechtsbündnis von vornherein chancenlos waren. Denen, die tendenziell links wählen, fehlte es daher an Motivation, überhaupt zur Wahl zu gehen. Die mehrheitliche Stimmenthaltung – die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zu 2018 um etwa 30 Prozentpunkte – droht dauerhafte in politische Resignation umzuschlagen. Neben einer wirkmächtigen parlamentarischen Opposition fehlt bisher auch der Widerstand von sozialen Bewegungen oder Gewerkschaften.

Andererseits hat sich gezeigt, dass die ultrarechte Regierung ihre Wählerbasis nicht vergrößern kann, sich aus dem Ergebnis also kein breiter gesellschaftlicher Konsens ableiten lässt. Innerhalb des rechten Bündnisses konnte Melonis Partei jedoch ihren Führungsanspruch festigen. Die Fratelli bleiben die mit Abstand stärkste Kraft, obwohl oder weil die angeblichen Postfaschisten in der Lombardei und im Latium in den vergangenen Jahren wiederholt ihre Nähe zu neofaschistischen Gruppierungen demonstriert haben.

Melonis außenpolitische Bemühungen, Italien als zuverlässigen, »konservativen« Bündnispartner in der EU und der Nato zu präsentieren, sind innerhalb des Bündnisses umstritten, wie jüngst die kritischen Äußerungen des mittlerweile 86jährigen FI-Vorsitzenden Silvio Berlusconi über den ukrainischen Präsidenten (»Ich bewerte diesen Herrn sehr negativ«) belegen. Daher muss Meloni die Erwartungen ihrer Koalitionspartner und wohl auch die ihrer eigenen Partei wenigstens innenpolitisch bedienen.

Die Regierungsdekrete der ersten 100 Tage ihrer Amtszeit richten sich gegen all jene, die die Rechte zu Feindbildern stilisiert hat: Linke, Flüchtlinge und »Nichtstuer«. Das sogenannte Anti-Rave-Gesetz kriminalisiert nicht nur unangemeldete Musikveranstaltungen, sondern kann auch gegen jede Form nicht genehmigter Zusammenkünfte von politisch Andersdenkenden angewendet werden. Die neuen Regelungen für die zivile Seenotrettung zwingen Hilfsorganisationen, nach einer Rettungsaktion umgehend einen von den italienischen Behörden bestimmten, eventuell weit entfernten Zielhafen anzufahren, ohne unterwegs weitere Rettungen vorzunehmen. Diese Vorschriften gefährden das Leben von Geflüchteten und stehen im Widerspruch zu den internationalem Seerecht und zu den Menschenrechten. Allerdings sieht die Regierung ihre Regelung durch den EU-Gipfel Anfang Februar gerechtfertigt, auf dem zum Schutz der EU-Außengrenzen beschlossen wurde, neue »Infrastrukturen« aufzubauen und »operativer Maßnahmen« zu verschärfen.

Die im Wahlkampf versprochene Streichung der als Bürgerlohn bekannten Grundsicherung, die erst 2019 eingeführt worden war, trifft alle Arbeitsfähigen unter 60 Jahren, sobald sie ein Arbeitsangebot ablehnen. Da die Neuregelung erst nach einer Übergangsfrist im Herbst in Kraft treten soll, sind die Auswirkungen für die Betroffenen zwar noch nicht spürbar, die sozialen Spannungen aber vorhersehbar. Die Zeit drängt: Wenn es nicht gelingt, die derzeitige Passivität zu überwinden und eine politische Opposition zu organisieren, könnten die gesellschaft­lichen Konflikte in gewalttätige Auseinandersetzungen umschlagen.