Von der Wohnungspolitik der CDU/SPD-Koalition in Berlin haben Mieter nichts Gutes zu erwarten

Die Privatwirtschaft soll’s richten

Die Träume von einer linken Wohnungspolitik in der Hauptstadt sind erst einmal geplatzt.
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Der ganz große wohnungspolitische Rollback bleibt in Berlin wohl aus. CDU und SPD haben einen Koalitionsvertrag vorgestellt, der bis Freitag noch von den Mitgliedern der SPD Berlin in einem Mitgliedervotum sowie am darauffolgenden Tag vom CDU-Parteitag angenommen werden muss. Darin kündigen die Koalitionäre in spe an, viele etablierte Instrumente weiter zu nutzen – wie etwa das Zweckentfremdungsverbot, den Ankauf von Wohnungen durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen oder den Milieuschutz. Mittlerweile scheint sich auch die CDU daran zu erinnern, dass gewisse staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt in Zeiten einer großen Wohnungskrise unumgänglich sind, um die sozialen Konsequenzen zumindest ein wenig abzumildern.

Doch muss man beiden Parteien politische Ambitionslosigkeit angesichts der Mietenkrise in der Stadt vorwerfen. Um 27 Prozent seien die Angebotsmieten seit dem vergangenen November gestiegen, berichtet das Immobilienportal Immowelt.

Der neue Koalitionsvertrag verspricht nur noch »bis zu 5.000 Sozialwohnungen«.

Um die Diskrepanz zwischen einer immer größeren Nachfrage und einem immer knapperen Angebot zu beseitigen, hoffen CDU und SPD vor allem auf die private Wohnungswirtschaft. Bauen, egal was, egal wo, egal wie, wird zum neuen Leitmotiv der Berliner Wohnungspolitik.

Im vorigen Jahr war die Anzahl der Baugenehmigungen für Wohnungen so gering wie seit sechs Jahren nicht. Wegen stark gestiegener Baukosten und hoher Bauzinsen haben sich viele Investoren aus ihren geplanten Projekten zurückgezogen. Dennoch hält die neue Koalition an der Zielmarke von 20.000 Wohnungen fest, die jährlich neu entstehen sollen.

Diese Zahl tauchte bereits im vorherigen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linkspartei auf, war aber zumindest mit der Vorgabe versehen, »möglichst« die Hälfte der Neubauten seien im »gemeinwohlorientierten und bezahlbaren Segment« zu errichten. Der neue Koalitionsvertrag verspricht nur noch »bis zu 5.000 Sozialwohnungen«. Auch die angepeilte Zahl von 20.000 Wohnungen ist mit einem »bis zu« versehen – allzu viel Vertrauen in die privat finanzierte Bautätigkeit hat man bei CDU und SPD offenbar nicht.

Um der Bauwirtschaft unter die Arme zu greifen, plant die neue Koalition umfassende Deregulierungen und Förderprogramme für die Wohnungsindustrie. Mit Hilfe eines »Schneller-Bauen-Gesetzes« sollen Prüfvorgänge in der Verwaltung zu Denkmal- oder Artenschutz abgekürzt werden. Bei der Neubauförderung sollen künftig nicht nur bezahlbare Sozialwohnungen, sondern auch Wohnungen für die Mittelschicht staatlich bezuschusst werden.

Berlin steht vor Jahren des wohnungspolitischen Weiterwurstelns.

Dieser Vorschlag ist angesichts der galoppierenden Baukosten durchaus sinnvoll, schließlich können sich auch Durchschnittsverdiener:innen längst keine Neubauwohnung mehr leisten. Das Konzept von CDU und SPD geht jedoch zu Lasten der Armen, solange der soziale Wohnungsbau vernachlässigt wird, um stattdessen die wirtschaftlich attraktiveren und mehr oder weniger Wohlhabenden in die Stadt zu locken beziehungsweise in ihr zu halten.

Diese Maßnahmen sollen in die Zuständigkeit der bisherigen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) fallen, die Medienberichten zufolge Senatorin für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen werden soll. Als Meisterin der Selbstdarstellung dürfte Giffey fortan jede Gelegenheit nutzen, sich mit neu gebaute Wohnungen in Szene zu setzen, egal wie sehr sie wirklich helfen, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu beheben. Berlin steht damit vor Jahren des wohnungspolitischen Weiterwurstelns, während die linken Träume von einer Vergesellschaftung der großen Wohnungsunternehmen, einem umfassenden öffentlichen Bauprogramm oder von neuerlichen Vorstößen à la Mietendeckel wohl erst einmal geplatzt sind.