Piwo und Polonaise

Homestory #33/23

Große Aufregung im »Jungle World« -Kollektiv: Die jährliche Redaktionsreise ins Ausland zwecks Recherche und Erholung steht an. Mit dem Zug geht es von Berlin – nach Warschau. In acht Stunden ist man da. Die »métropole polonaise« ist multikultureller, als deutsche Michels das gern wahrhaben wollen.

Die Jungle World geht auf Klassenfahrt. Mit dem Zug reist die Redaktion am 6. September von Berlin nach Polen – nicht an die polnische Ostsee zum Plantschen, sondern in die Hauptstadt Warschau. Aber bekanntlich liegt der Strand ja sowieso unterm Pflaster. In einem knappen Rennen hatte sich Polen als Reiseziel gegen ­seine Kontrahenten England und Serbien durchsetzen können. Nachdem intern beratschlagt wurde, ab wie viel Uhr es legitim sei, sich das erste piwo im Bordbistro zu gönnen, und die Zimmerverteilung zumindest grob geregelt wurde (»Die Schnarcher haben einander verdient«), sind Tickets und Unterkünfte gebucht und die Reise kann losgehen.

Bereits 1999, zwei Jahre nach Gründung ihrer Lieblingszeitung, ging’s schon mal nach Polen – allerdings an die Ostsee. Eine Redakteurin erinnert sich jedoch daran, mit einem Kollegen den Nachtzug nach Warschau genommen zu haben. Bei ihrer Ankunft am Bahnhof Warszawa Centralna war der geliehene Stadtführer bereits auf mysteriöse Weise verschwunden und die Stadt musste intuitiv ­erkundet werden. Daraus entstanden ist ein Hauptstadt-Crashkurs über die »höchsten Gebäude, billigsten Suppen, schnellsten Fahrstühle«, der einigen Kollektivmitglieder sicher als Führer für die anstehende Reise nützlich sein dürfte – ist auch billiger, im Archiv zu stöbern, als in den Buchladen zu gehen.

Am 15. Oktober findet die zehnte Parlamentswahl in der Geschichte Polens nach dem Systemwechsel von 1989 statt – und wir werden dabei sein, um die deutschsprachigen Leser:innen mit den wichtigsten Informationen zu den anstehenden Wahlen zu versorgen.

Aber auch jüngere Kollektivmitglieder waren schon in Warschau – einer allerdings nur kurz, und er kann sich an wenig erinnern, außer viel Spaß am LSD gehabt zu haben. Ein anderer erinnert sich an eine Straße, in der es ein paar schwule Kneipen gebe. Es habe fast etwas Konspiratives gehabt, dort reinzugehen, berichtete er. Wieder ein anderer ist sich sicher, dass McDonald’s in Polen besser sei als in Deutschland. Auf dem Weg nach Kiew freue er sich beim Zwischenstopp in Warschau jedes Mal auf den »Big Mac« am Busbahnhof. Ansonsten erinnere er sich nur noch an ein Restaurant, in dem man sich in den Kalten Krieg zurückversetzt fühle. Es sei bestückt gewesen mit Devotionalien aus der Zeit – offenbar habe der Besitzer für das polnische Programm von Radio Free Europe in München gearbeitet.

Wie immer ist die Jungle World natürlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Am 15. Oktober findet die zehnte Parlamentswahl in der Geschichte Polens nach dem Systemwechsel von 1989 statt – und wir werden dabei sein, um die deutschsprachigen Leser:innen mit den wichtigsten Informationen zu den anstehenden Wahlen zu versorgen.

1999 war das Fazit des Tagesausflugs: »Warschau war schau.« Dem Zeitgeist auf der Spur, der Tradition verpflichtet, wird die Redaktion für sie herausfinden, ob das auch heute noch zutrifft.