Félix Tshisekedi hat die Präsidentschaftswahl in der Demokratischen Republik Kongo gewonnen

Tshisekedi, die Zweite

In der Demokratischen Republik Kongo hat Félix Tshisekedi nach offiziellen Angaben mit überwältigender Mehrheit die Präsident­schaftswahl gewonnen. In einigen Stimmbezirken allerdings annullierte die Wahlkommission die Parlaments-, Provinz- und Kommunal­wahlen, unter anderem aufgrund von »Akten der Gewalt«.
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Offiziell war es ein überwältigender Sieg. Félix Tshisekedi, Präsident der Demokratischen Republik Kongo, gelang es durch manipulierte Wahlen Ende Dezember, seine ursprünglich fast zufällige Ankunft im höchsten Staatsamt abzusichern. Nach den vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission gewann Tshisekedi 73 Prozent der Stimmen. Anders als in seiner ersten Amtszeit, die von einer schrittweisen und risikoreichen Machtkonsolidierung geprägt war, kann Tshisekedi sich nun auf eine breite Allianz regionaler Netzwerke der Macht und strategisch postierter Gefolgsleute in Polizei, Armee, Präsidialgarde und Geheimdiensten stützen.

Tshisekedi wurde lange politisch unterschätzt, ein Image, das er mit seinem Amtsvorgänger Joseph Kabila teilte. Beide sind Söhne rhetorisch begabter Oppositionsführer, die hohe offizielle Ämter erreichten, politisch jedoch scheiterten. Joseph Kabila wurde zum Präsidenten bestimmt, nachdem sein Vater Laurent-Désiré Kabila 2001 einem Anschlag zum Opfer gefallen war, und galt zunächst als Marionette von dessen Machtnetzwerk. Als er 2019 schließlich aus dem Amt schied, da die Verfassung eine weitere Amtszeit nicht erlaubte, wurde er hingegen als starker Mann gehandelt, der – egal wer unter ihm Präsident sei – im Hintergrund die Fäden ziehen würde.

Die vermeintliche neue Marionette war eben Félix Tshisekedi, Vorsitzender der Partei UDPS (Union für Demokratie und sozialen Fortschritt), der bei den Wahlen 2019 sehr wahrscheinlich nur die drittmeisten Stimmen erhalten hatte, von der Wahlkommission dann aber überraschend zum Sieger erklärt worden war. Damit verhinderte die von Kabila handverlesene Kommission vermutlich einen Sieg von Martin Fayulu, hinter dem sich der Großteil der übrigen Opposition versammelt hatte.

Zu Tshisekedis relativ stabiler Position trägt die nationalistische Stimmung im Land bei. Der Hauptgrund dafür ist der Streit mit dem Nachbarland Ruanda.

Tatsächlich war Tshisekedi dann zwei Jahre lang politisch abhängig von den Granden des alten Kabila-Regimes, bevor er mittels waghalsiger Bündnispolitik eine eigene parlamentarische Mehrheit gegen Kabila zustande bringen und Gefolgsleute an strategischen Positionen im Staat unterbringen konnte. Wieder hatte sich ein vermeintliches politisches Leichtgewicht gegen unumstößlich scheinende Machtstrukturen durchgesetzt.

Die Wahlen zur Präsidentschaft, dem nationalen Parlament und den Provinzparlamenten sowie in einigen Kommunen Ende vergangenen Jahres verliefen so chaotisch, wie es die rudimentäre Infrastruktur des riesigen Landes, die allgegenwärtige Korruption und ein repressiver Staatsapparat erwarten ließen. Die 25.000 Wahlbeobachter starke Kommission der katholischen Kirche kritisierte entsprechend »zahlreiche Fälle von Irregularitäten, welche die Integrität der Ergebnisse in unterschied­lichen Wahlen an verschiedenen Orten wahrscheinlich beeinflussen«.

Die gewundene Erklärung blieb jedoch weit hinter den Forderungen der politischen Oppositionsführer zurück, die eine Annullierung und Neuwahlen verlangten. Tatsächlich geht die Kirche wohl davon aus, dass Tshisekedi am meisten Stimmen erhalten hat – jedoch weniger als die von der Wahlbehörde Ceni angegebenen 73 Prozent. Der Zweitplatzierte, der Industrielle und Fußballclub-Besitzer Moïse Katumbi, erhielt der Ceni zufolge 18 Prozent. Der vermutliche Sieger der Wahlen 2019, Martin Fayulu, landete diesmal demnach bei nur fünf Prozent – immerhin noch mehr als der Friedensnobelpreisträger und Gynäkologe Denis Mukwege mit 0,22 Prozent. Die Wahlbeteiligung soll bei etwas mehr als 40 Prozent gelegen haben.

Für Verwirrung sorgte dann eine Verlautbarung von Samstag, mit der die Ceni die Parlaments-, Provinz- und Kommunalwahlen in einigen Stimmbezirken aufgrund von »Akten der Gewalt, des Vandalismus und der Sabotage durch einige Kandidaten mit schlechten Absichten« annullierte. Beschuldigt und ausgeschlossen wurden dabei auch einige einflussreiche Politiker, dar­unter der Provinzgouverneur der Hauptstadt Kinshasa mit ihren schätzungsweise 16 Millionen Einwohnern. Eigentlich stehen damit auch die vorläufigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl wieder in Frage, doch dazu äußerte sich die Wahlkommission nicht.

So wird Tshisekedi wohl trotz dieser Unstimmigkeiten seine zweite Amtsperiode aus einer relativ starken Position heraus antreten können und versuchen, seine gemischte politische Bilanz zu verbessern. Immerhin kann er auf ein sich beschleunigendes Wirtschaftswachstum verweisen, das der Internationale Währungsfonds für 2023 auf 6,7 Prozent schätzte, wobei die Inflation zugleich bei über 19 Prozent und damit über dem Mittel des vorangegangenen Jahrzehnts lag.

Zu Tshisekedis relativ stabiler Position trägt zudem die nationalistische Stimmung im Land bei, von der er profitieren kann. Der Hauptgrund dafür ist der Streit mit dem Nachbarland Ruanda, dem Tshisekedi – ebenso wie mehrere Untersuchungsberichte der Vereinten Nationen – vorwirft, die Rebellengruppe M23 mit Soldaten, Waffen und Rückzugsgebieten zu unterstützen. Im Wahlkampf drohte Tshisekedi nun mit einer offiziellen Kriegserklärung, verlangte den Rücktritt seines ruandischen Amtskollegen Paul Kagame und drohte, auf Kigali, die Hauptstadt Ruandas, zu marschieren.

Allerdings hat die kongolesische Armee gegen Ruanda exakt null militärische Erfolge vorzuweisen. Die Truppen sind trotz langjähriger internationaler Unterstützung so schlecht ausgerüstet und organisiert und intern derart von Korruption zersetzt, dass sie auch gegen wenige Tausend gut organisierte Rebellen chancenlos erscheinen.

Daher versammelte Tshisekedi viele im Ostkongo seit langem existierende kleinere Milizen in einer losen Allianz, die nun unter dem Sammelbegriff Wazalendo (Patrioten) das Vaterland verteidigen sollen. Ohne größeren Erfolg: Vor den Wahlen konnte die M23 wieder einige Grenzgebiete unter Kontrolle bringen, aus denen sie sich unter dem Druck der regionalen Diplomatie zurückgezogen hatte.

Stabilisiert wurde die militärische Lage hingegen bislang von Truppen der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), einer Regionalorganisation, der Kongo erst 2022 beigetreten ist. Tshisekedi hoffte offenbar, dass die Soldaten aus Kenia und anderen Ländern ihm aktiv im Krieg gegen die M23 helfen würden. Diese begnügten sich aber damit, die militärische Situation einzufrieren, woraufhin Tshisekedi das Mandat der EAC nicht verlängerte. Seit Dezember zieht sie sich deshalb wieder zurück.

Nun sollen es Soldaten der Regionalorganisation SADC (Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika) richten, deren Mitglied Kongo ebenfalls ist. Soldaten aus Südafrika, Tansania und Malawi – die bereits seit längerem als Teil der UN-Stabilisierungsmission Monusco im Ostkongo stationiert sind – sollen die M23 einer Ankündigung aus dem Dezember zufolge nun zusammen mit Kongos Armee militärisch neutralisieren. Dieses Ziel haben genau diese Truppen unter dem Dach der ­Monusco bereits 2013 einmal erreicht – damals zog sich die M23 aus dem Kongo zurück. Allerdings half dabei auch starker westlicher Druck auf Ruanda, der in der gegenwärtigen Situation eher nicht zu erwarten ist, da Ruanda sich zu einem Wunschpartner westlicher Staaten entwickelt hat.

Dies betrifft nicht nur die Absichten aus Großbritannien, Deutschland und anderen europäischen Ländern, Asylverfahren in das dichtbesiedelte zentralafrikanische Bergland auszulagern. ­Zugleich werden ruandische Interventionstruppen mit westlicher Unterstützung in bewaffneten Konflikten in Mosambik und der Zentralafrikanischen Republik eingesetzt. Auch kleinere industrielle Ansiedlungen wie eine Covid-19-Impfstoffproduktion finden in jüngerer Zeit ihren Standort im autoritär regierten Ruanda.

Davon kann Tshisekedi im Kongo nur träumen – was er auch immer wieder laut tut. Bisher beschränken sich westliche Aktivitäten in dieser Hinsicht auf bloße Absichtserklärungen. Die USA beispielsweise wollen die rohstoffreiche Provinz Haut-Katanga und das Nachbarland Sambia durch die Wiederbelebung und den Ausbau einer Bahnstrecke zu einem Hafen in Angola besser erschließen und versprechen zugleich, dort abgebaute Mineralien an Ort und Stelle zu veredeln und zur Produktion von Fahrzeugbatterien einzusetzen. Pläne zum Ausbau der Infrastruktur gibt es auch von europäischer Seite. Konkrete Projekte fehlen bislang jedoch.

Weniger zurückhaltend agiert hingegen China. Trotz zuletzt stark fallender Preise für den Batterierohstoff Kobalt expandieren chinesische Firmen im Land. Jüngst meldete Bloomberg, dass die staatseigene chinesische CMOC-Gruppe ihre Kobaltförderung im Kongo und in Indonesien im vergangenen Jahr um 170 Prozent gesteigert habe. Damit ist CMOC nun vor dem einflussreichen nichtchinesischen Konzern im kongolesischen Bergbaugeschäft, Glencore aus der Schweiz, zum größten Kobaltproduzenten der Welt aufgestiegen.