Streit zwischen Tschechien und der Slowakei wegen Waffenlieferungen an die Ukraine

Zoff über die Ukraine-Politik

Zwischen der neuen slowakischen Regierung unter Robert Fico und der tschechischen unter Petr Fiala entbrennt ein offener Konflikt.

Es war ein deutlicher Riss in den gutnachbarschaftlichen Beziehungen. Am 6. März gab der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala bekannt, dass Tschechien die regelmäßigen Regierungskonsultationen mit der Slowakei vorerst aussetzen werde. Diese sind Teil der privilegierten Beziehungen, die beide Länder pflegen, seit sich Ende 1992 die seit 1918 bestehende Tschechoslowakische Republik friedlich aufgelöst hatte.

Anlass für den Schritt war ein Treffen des slowakischen Außenministers Juraj Blanár Anfang März mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow am Rande des Antalya Diplomacy Forum. Mit der vom damaligen türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu 2020 gegründeten Konferenz versucht die Türkei, westlichen Staaten als Ausrichter internationaler Treffen wie der Münchner Sicherheitskonferenz oder dem Davoser Weltwirtschaftsforum Konkurrenz zu machen.

Bei dem Treffen, das auf Einladung Lawrows stattfand, habe Blanár, wie er der Nachrichtenagentur Reuters sagte, die slowakische Position wiederholt, dass es für den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine keine militärische Lösung gebe, und sich für Friedensgespräche eingesetzt. Zudem habe er gegenüber Lawrow betont, dass die slowakische Position auf Respekt für das internationale Recht und die territoriale Integrität und Souveränität beruhe, die Slowakei aber dagegen eintrete, einen »eisernen Vorhangs« zwischen Russland und der EU zu schaffen. Das russische Außenministerium gab bekannt, bei dem Treffen sei unter anderem über die Ukraine gesprochen worden, und bestätigte seine »Bereitschaft, die Beziehungen zur Slowakei wiederherzustellen«.

Mit der wachsenden Entfremdung zwischen den Regierungen in Prag und Bratislava steht auch die Zukunft des 1991 entstandenen Bündnisses der Visegrád-Staaten in Frage.

Tatsächlich erregte dieses Treffen bei der tschechischen Regierung Missfallen, weil sich damit eine Veränderung der slowakischen Haltung zum Krieg in der Ukraine abzeichnet, die die Regierung in Bratislava in deutlichen Widerspruch zu der in Prag bringt. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 gehörte die damalige rechtsliberale slowakische Regierung unter Ministerpräsident Eduard Heger zu den engagiertesten Unterstützern der Ukraine in der EU. Unter anderem wurden die 13 im Bestand der slowakischen Armee vorhandenen MiG-29-Kampfflugzeuge an die Ukraine übergeben.

Die Regierungskoalition, der Heger vorstand, scheiterte jedoch an Auseinandersetzungen darüber, wie mit den einander verstärkenden Krisen seit der Covid-19-Pandemie umzugehen sei. Ende 2022 wurde sie durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Nach der vorgezogenen Parlamentswahl im September 2023 übernahm eine Koalition der sozialdemokratisch-nationalpopulistischen Parteien Smer-SSD (Richtung – Slowakische Sozialdemokratie) und der sozialdemokratischen Hlas (Stimme) sowie der rechtskonservativen Slowakischen Nationalpartei (SNS) die Regierung.

Ministerpräsident wurde Robert Fico, der schon von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 regiert hatte. Seine vorige Amtszeit hatten Massenproteste nach der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová beendet, die ihn zum Rücktritt zwangen.

Fico trat schon in der Opposition als Gegner einer militärischen Unterstützung der Ukraine durch die Slowakei auf, eine Position, die Umfragen zufolge die Mehrheit der slowakischen Bevölkerung unterstützt. Ficos Partei Smer-SSD erstattete Strafanzeige gegen die Regierung Heger wegen der Übergabe der Flugzeuge der slowakischen Luftwaffe an die Ukraine. Nachdem Fico im Oktober 2023 zum Ministerpräsidenten ernannt worden war, sprach er sich gegen eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine aus. Gleichzeitig versicherte er Anfang des Jahres, die Slowakei werde die Finanzhilfen der EU für die Ukraine und deren Beitrittsverhandlungen mit der EU nicht behindern.

Fico führt hier einen Balanceakt fort, der schon seine früheren Amtszeiten kennzeichnete. Während er einerseits gute Kontakte nach Moskau pflegte und diplomatische Kontakte mit Venezuela, Serbien, Belarus und China intensivierte, bemühten sich seine Regierungen um die Einhaltung der Maastricht-Kriterien und führten die Slowakei in das Schengener Abkommen und die Euro-Zone. Der Grund für diese Pendelpolitik liegt auch darin, dass die Energieversorgung der Slowakei zu fast 100 Prozent von der Lieferung russischer Energieträger, Gas, Öl, Kohle und Kernbrennstäben, abhängig war. Zwar ist es mittlerweile gelungen, diese Abhängigkeit zu reduzieren, dies stellt das Land aber vor große Herausforderungen.

Die Regierung in Prag steht innenpolitisch unter Druck. Auch in Tschechien gibt es eine nationalistisch-sozialpopulistische Bewegung, die sich gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine ausspricht.

Fico, der wirtschaftspolitisch für einen intervenierenden Staat steht, bemüht sich, die Lieferung russischen Erdgases über die Ukraine, die Ende 2024 auslaufen soll, zu verlängern, womit er bisher in der Ukraine auf Widerstand stößt. Während die slowakische Regierung unter Fico so versucht, wieder eine Position zwischen Russland und dem Westen einzunehmen, versucht der tschechische Präsident, der ehemalige General Petr Pavel, sich weiter als Unterstützer der Ukraine zu profilieren, zuletzt mit einer Initiative, über die EU 800.000 Artilleriegranaten für die Ukraine zu kaufen.

Die Regierung in Prag steht jedoch innenpolitisch unter Druck. Auch in Tschechien gibt es eine nationalistisch-sozialpopulistische Bewegung, die sich gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine ausspricht. Dass die Aussetzung der Regierungskonsultationen mit der Slowakei seitens Tschechiens auch mit Verweis auf die anstehenden Europawahlen begründet wurde, deutet darauf hin, dass diese Entscheidung durchaus auch innenpolitisch motiviert war.

Mit der wachsenden Entfremdung zwischen den Regierungen in Prag und Bratislava steht nun auch die Zukunft des Bündnisses der Visegrád-Staaten in Frage. Dieses 1991 entstandene Bündnis aus Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei, später Tschechien und der Slowakei, fungierte über Jahre erfolgreich als Interessenvertretung der beteiligten Länder in der EU. In den vergangenen Jahren wurde es hauptsächlich von der Partnerschaft der rechten Regierungen in Polen und Ungarn getragen. Das Ende der PiS-Herrschaft in Polen erschütterte diesen Zusammenhalt merklich. Der Streit zwischen Tschechien und der Slowakei vertieft nun die entstandenen Konflikte.