Freitag, 07.04.2023 / 15:03 Uhr

Syrien nach dem Erdbeben: Roter Teppich für den Diktator

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Gastbeitrag von Adopt a Revolution

Bashar al Aassad und der Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Rashid al Maktoum, Bildquelle: Sana

Die Bilanz zwei Monate nach den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet spricht aber eine deutliche Sprache: Hilfe kommt in Nordsyrien immer noch nur unzureichend an und das Assad-Regime kehrt unverblümt auf den internationalen roten Teppich zurück.

 

„Wir haben die Menschen im Nordwesten Syriens bisher im Stich gelassen. Sie fühlen sich zu Recht allein gelassen. Sie warten auf internationale Hilfe, die nicht gekommen ist. Meine Aufgabe und unsere Verpflichtung ist es, dieses Versagen so schnell wie möglich zu korrigieren.“ – Martin Griffiths bei einem Besuch des türkisch-syrischen Grenzgebiets am 12. Februar 2023.

Rund eine Woche nach den zerstörerischen Erdbeben gestand der UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator, Martin Griffith, das Versagen der UN in Syrien öffentlich ein. Gemeint war die ausbleibende Unterstützung der betroffenen Menschen durch die Vereinten Nationen und ihrer Mitgliedsstaaten. Denn in den ersten Tagen, in denen es buchstäblich um Leben und Tod für viele Menschen ging, passierte: Nichts. Anstatt sofort ein Großaufgebot an humanitärer, medizinischer und technischer Hilfe zu schicken, kamen nicht einmal mehr die regulären Hilfslieferungen in Nordwestsyrien an. Dabei hing bereits vor den Erdbeben das Überleben von 90 Prozent der hier lebenden Menschen unmittelbar von humanitärer UN-Hilfe ab.

Griffiths versprach, diese Fehler in der Zukunft zu korrigieren. Für die Verschütteten, die unter den Trümmern auf Rettung hofften, war die Ankündigung zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät. Aber zumindest für die Überlebenden ließ es hoffen. Zwei Monate später die ernüchternde Bilanz: Viel geschehen ist seitdem nicht.

Humanitäre UN-Hilfe im Vergleich zum Vorjahr halbiert, statt verdoppelt

Zwar erreicht Idlib, die am schwersten betroffene Provinz im Nordwesten Syriens, mittlerweile internationale Hilfe, diese ist aber nicht ansatzweise ausreichend. Seit den Erdbeben am 6. Februar haben nach Angaben der UN insgesamt 1.202 mit internationalen Hilfsgütern beladene LKW die Region erreicht – davon 456 im Februar und 746 im März. Zum Vergleich: im März 2022 waren es insgesamt 1.469 LKW. Trotz der explodierenden Not und der Zusage der Vereinten Nationen und ihrer Mitgliedstaaten Erdbebenhilfe zu schicken, wurden also die Lieferungen im Vergleich zum Vorjahr sogar halbiert. Zudem sind lediglich 20 Prozent der aktuellen Hilfslieferungen tatsächliche Erdbeben-Nothilfe, die Mehrheit sind Lieferungen im Rahmen der regulären Hilfen und nicht auf die derzeitigen Bedürfnisse ausgerichtet.

Während die Erdbeben und ihre Folgen weitestgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden sind, kämpfen die Betroffenen vor Ort weiter um ihr Überleben und werden dabei von der internationalen Gemeinschaft weiterhin nicht ausreichend unterstützt.

Die Rehabilitierung eines Massenmörders schreitet voran

Während in Nordwestsyrien noch immer Hunderttausende Menschen auf Hilfe warten, zeigt sich der syrische Diktator Assad hingegen bestens gelaunt. Denn er steht dank der tödlichen Erdbeben vor seinem Comeback. Eigentlich ist das Assad-Regime aufgrund seines brutalen Vorgehens gegen die syrische Bevölkerung international weitgehend isoliert: Die absolute Mehrheit der westlichen Staaten verhängte 2011 weitreichende Wirtschaftssanktionen und beendete die diplomatischen Beziehungen. Zudem wurde Syrien aus der Arabischen Liga ausgeschlossen, ihre Mitglieder riefen ihre Botschafter aus dem Land zurück.

Aber bereits in den vergangenen Jahren bröckelte die Mauer der Ablehnung bei einigen arabischen Staaten. So eröffneten beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain im Dezember 2018 wieder ihre Botschaften in Damaskus, der Oman setzte seinen Botschafter im Oktober 2020 wieder ein, weitere folgten. Bereits der Ausbruch der Corona-Pandemie diente als Feigenblatt für einige Staaten ihre Beziehungen zum Regime zu normalisieren. Unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe sollten „etwaige politische Differenzen in den Hintergrund rücken“, argumentierte beispielsweise Muhammad Bin Zayid, der Kronprinzen der VAE. Jetzt, nach den verheerenden Erdbeben, nimmt der Normalisierungsprozess rund um das Assad-Regime noch einmal Fahrt auf: Selbst bislang skeptische Mitglieder der Arabischen Liga, wie beispielsweise Ägypten, sind bereit, den Diktator wieder in ihre Reihen einzugliedern.

 

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