Mittwoch, 14.06.2023 / 07:53 Uhr

Alle Jahre wieder: Neuer Rekord an Flüchtlingszahlen

Khabatoo Camp bei Dohuk, Bild: Thomas von der Osten-Sacken

Der neue UN-Flüchtlingsbericht erscheint und in ihm ein Satz, der seit über zehn Jahren diesen Bericht einleitet: Weltweit sei die Zahl der Flüchtlinge so hoch wie noch nie seit 1945:

 

The number of people displaced around the world has reached a record 110 million, with the wars in Ukraine and Sudan forcing millions from their homes, the United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) has said.

About 19 million people were forced to flee last year – the biggest annual jump on record – lifting the total to 108.4 million by the end of last year, the UNHCR said in its annual Forced Displacement report on Wednesday.

Dazu schrieb ich vor drei Jahren:

Auch das ist eine Nachricht, die am Ende eines Jahres noch kommen muss, und die seit Jahren gleich lautet: „Zahl der Flüchtlinge weltweit so hoch wie noch nie„. Inzwischen, meldet die UNO seien es weltweit 80 Millionen, also in etwa genauso viele Menschen wie in der Bundesrepublik Deutschland leben.

Bis 2013, als weltweit 33,3 Millionen gezählt wurden, sprach die UN von den meisten Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit 2014 hat man den Zweiten Weltkrieg gestrichen. Das war vor sechs Jahren. Was allerdings soll die Meldung, wenn die Zahl der Flüchtlinge seitdem immer so hoch war wie nie zuvor, es nur jedes Jahr immer mehr werden? Wie oft in den kommenden Jahren will man diese Schlagzeile noch verwenden? Ja, auch mit 150 Millionen werden es so viel sein wie noch nie zuvor.

Aus der Meldung spricht schlicht die Hilflosigkeit, die einen angesichts solcher Zahlen überkommt. Sie soll aufrütteln und tut es nicht, denn der Superlativ, der längst erreicht ist lässt sich eben nicht mehr überbieten. Die Katastrophe ist also nicht mehr nur, dass es so weitergeht, um einen Aphorismus von Walter Benjamin zu bemühen, sie ist, dass das Immer-Weitergehen zugleich ein Immer-Schlimmer-Werden ist, ohne dass einem noch die Worte einfallen, um es wenigstens angemessen zu beschreiben.

Wenn jedes Jahr neue Rekorde erreicht werden, macht es irgendwann eben keinen Sinn mehr, den immer gleichen Satz zu wiederholen, an den sich alle längst gewöhnt haben.

"Im juristischen Sinn ist ein Flüchtling einer, der Rechte hat" (Pro Asyl)

Neu und begrüßenswert dagegen, dass das UNHCR sich explizit gegen eine Sprachpolitik ausspricht, die aus Flüchtlingen neuerdings wahlweise "Geflüchtete", Migranten oder gar people on the move macht:

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hält nichts davon, das Wort „Flüchtlinge“ durch den Begriff „Geflüchtete“ zu ersetzen. „Wir betrachten das Wort ,Geflüchtete‘ als abwertend und benutzen es nicht“, sagte der UNHCR-Sprecher in Deutschland, Chris Melzer, der Deutschen Presse-Agentur. Am deutschen Namen des UN-Flüchtlingshilfswerks werde auch nicht gerüttelt. Der Chef der UN-Organisation, Filippo Grandi, bleibe der Hochkommissar für Flüchtlinge, nicht für Geflüchtete, betonte Melzer.

Auch die Organisation Pro Asyl bleibt bei „Flüchtlinge“. „Im juristischen Sinn ist ein Flüchtling einer, der Rechte hat“, schrieb sie schon 2016. Die Bundesregierung benutzt auf ihren Internetauftritten sowohl „Geflüchtete“ als auch etwa „Kriegsflüchtlinge“.