Sonntag, 11.06.2023 / 17:53 Uhr

So genannter Asylkompromiss: Der erste Despot winkt ab

Flüchtlingsboot vor der italienischen Küste, Bildquelle: Italienische Küstenwache

Noch während sich die Architekten des neuen EU-Asylkompromisses gegenseitig darin überbieten, zu erklären, warum das Ding nötig gewesen sei, winken die ersten Despoten dankend ab.

 

Es geht nicht einmal darum, ob es moralisch ist, Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen in Internierungslager zu pferchen, was es nicht ist, sondern um die Frage, ob die, deren Mithilfe bei dem Ganzen gefragt ist auch mitspielen. Da wäre zuallererst Tunesien, das, so sieht der Plan vor, doch bitte abgelehnte Asylbewerber aus Drittstaaten zurücknehmen sollte, die da irgendwie vorher waren.

 

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Härte zeigen, wenn es gegen andere geht: Eine deutsche Tugend; Screenshot aus dem Spiegel

 

Seit Jahren allerdings weigern sich die Staaten Nordafrikas zu Auffangbecken von Menschen aus dem Gebiet südlich der Sahara zu werden und offenbar hat sie in Brüssel nun niemand gefragt, ob sie ihre Meinung geändert hätten. Denn Hauptproblem der EU ist ja, was mit denen tun, die es doch über Mittelmeer schaffen. Sie ablehnen und internieren ist eines, vor allem will man sie wieder loswerden. Nur "haben" will sie eben niemand - auch die Türkei weigert sich seit Jahren abgelehnte Asylbewerber aus Griechenland "zurück zu nehmen". Und ohne Einverständnis dieser so genannten Drittländer wird Europa diejenigen, die es erst interniert - diese knastähnlichen Lager sollen angeblich ja auch der Abschreckung dienen, was sie de facto allerdings nicht tun -und dann ablehnt eben nicht wieder los.

Kurz nach Verkündigung des angeblich so historischen Deals machten EU-Politiker sich denn auch gleich auf den Weg zum tunesischen Präsidenten, besser Autokraten, und boten ihm viel Geld an, damit er zustimme, was zuvor im Luxemburg beschlossen wurde.

Dumm nur, dass er einfach abwinkte, auch trotz der Prämien, die ihm in Aussicht gestellt wurden:

Ursula von der Leyen, Giorgia Meloni und Mark Rutte werben in Tunis für ein Migrationsabkommen – und bieten Präsident Saied viel Geld. Doch der Autokrat sagt, er wolle nicht Europas Grenzpolizei spielen. (...)

Tunesiens Präsident Saied besuchte am Freitag, kurz vor dem Treffen mit der EU-Delegation, ein Flüchtlingslager in Sfax, einer Hafenstadt, in der viele Boote ablegen. Saied sprach dort mit Familien und bat um finanzielle Unterstützung für afrikanische Migranten im Land. Andererseits stellte er klar, dass Tunesien nicht Europas Grenzpolizei spielen werde.

Fragen beim Umgang mit Migranten müssten auf humanitäre Weise, im Kollektiv sowie im Einklang mit geltendem Recht gelöst werden, sagte er. Migranten seien »leider Opfer eines globalen Systems, das sie nicht als Menschen, sondern als reine Zahlen behandelt«.

Zuvor noch hatte er eine  rassistische Kampagne gegen Menschen aus dem subsaharischen Afrika vom Zaun gebrochen, die derart übel war, dass sich etwa die USA genötigt sahen, den tunesischen Präsidenten öffentlich abzumahnen und mit Kürzungen von Hilfsgeldern zu drohen.

So stellt sich nun die Frage: Will Saied wirklich nicht oder nur für mehr Geld? Beides ist möglich und schon jetzt klar, dass im zweiten Fall die EU künftig nicht nur von Erdogans Gnaden abhängig sein wird sondern auch denen seines tunesischen Amtskollegen, der sich im Erpressen dann ähnlich gut verstehen dürfte.

Und das alles nur, weil in den letzten Monaten die gesamte Anti-Flüchtlingsarchitektur ins Wanken geriet, die so maßgeblich auf Kollaboration derjenigen im Sudan fußte, sich sich nun einen heftigen Krieg liefern, vor dem Millionen Menschen fliehen.