Das vollautomatisierte Schlaraffenland

Rolex für alle

Seite 2 – Freizeit und Wohlstand für alle

Wie es sich für ein zünftiges Manifest gehört, vermengt Bastani existentielle Dringlichkeit mit einem Gefühl für den richtigen Zeitpunkt. Mit groben Pinselstrichen wird eine Menschheitsgeschichte nacherzählt, deren heutige Phase durch tiefe Krisen und umfassende soziotechnischen Umwälzungen geprägt sei. Gegenwärtig könne der Kapita­lismus seine Versprechen von Wohlstand und Fortschritt nicht mal mehr rhetorisch aufrechterhalten. Daneben bringen noch Klimawandel, Arbeitsplatzzerstörung und demographischer Wandel mal die Produktionsweise, mal die Menschheit in die Bredouille.

Freie Liebe statt müßiger Arbeit. Illustration einer Phalanstère, einer Wohn- und Produktionsgenossenschaft, wie der Frühsozialist Charles Fourier sie sich im frühen 19. Jahrhundert erdachte. So radikal, wie Bastanis Vision war dieser Plan allemal, wenn nicht radikaler.

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ddp / imagebroker / Christian Reiste

Für jede dieser Krisen gibt es Bastani zufolge bereits technologische ­Lösungen. Durch Roboter, Sensoren und künstliche Intelligenz wird etwa die von Menschen zu verrichtende gesellschaftlich notwendige Arbeit immer weniger. Das Buch zählt die emanzipatorischen Potentiale dieser Entwicklungen auf und zielt auf Wohlstand und Freizeit für alle.

Die Lösungen für Klimakrise und Rohstoffknappheit liegen demnach buchstäblich in den Sternen. Weil Fortschritte in regenerativer Energiegewinnung und -speicherung zu unerschöpflicher Solarenergie zum Nulltarif führen würden, stehe einer vollelektrifizierten Gesellschaft bei minimalen Klimabelastungen nichts mehr im Weg. Das Ende der Rohstoffknappheit würde durch Weiterentwicklung von wiederverwertbaren Raketen, Wasserstoffantrieben, 3D-Druck und automatisierter Förderproduktion erreicht. Warum sollten nicht einfach Roboter die schier unendlichen Rohstoffvorkommen auf Asteroiden abbauen? Bastani zufolge bleibt lediglich die Frage zu beantworten, wem das All und die notwendigen Technologien am Ende gehören werden.

Die meisten Krankheiten werden, glaubt Bastani, durch Fortschritte in Gentechnologie und Molekularbiologie besiegt werden. Methoden wie die Genmanipulation würden immer simpler und günstiger einsetzbar und die Chirurgie werde in ultrasmarten Medizinstationen (wie in Filmen wie »Elysium« oder »Alien: Covenant« zu sehen) riesige Fortschritte machen. Umweltschäden der Lebensmittelproduktion wird nicht mit Verzicht beigekommen, sondern mit genverändertem Saatgut und pflanzlichem Fleischersatz. Während kommerzielle Hersteller von saftigen Pflanzenburgern in diesen Tagen Erfolge an der Börse feiern, sieht Bastani in Fortschritten von synthetischer Biologie und Gewebekonstruktion schon einen Champagner-Sozialismus mit reich gedeckten Tafeln heraufziehen.