Der Antisemitismus der russischen Kommunisten

Links von Jelzin

Selbst der CDU-Nachkriegskanzler Konrad Adenauer hat offenbar hin und wieder mal einen lichten Moment gehabt. Angesichts einer antisemitischen Schmierwelle in Deutschland gab er im Januar 1960 dem Wahlvolk die folgende Empfehlung: "Wenn Ihr irgendwo einen Lümmel erwischt, vollzieht die Strafe auf der Stelle und gebt ihm eine Tracht Prügel. Das ist die Strafe, die er verdient."

Folgte man seinem Ratschlag, man müßte die russischen "Kommunisten" windelweich schlagen. Auf ihren Kundgebungen zirkulieren unter roten Fahnen braune Schriften, in denen der Nachweis geführt werden soll, daß Jelzin, der auf Plakaten schon mal als "Judas" tituliert wird, jüdischer Abstammung sei. Im russischen Parlament darf ihr Abgeordneter Albert Makaschow ungestraft ankündigen, daß "mit meinem Tod oder dem meiner Mitstreiter noch zehn dieser Jidden ins Jenseits befördert werden".

Von Parteichef Gennadi Sjuganow wird diese Politik gedeckt. Den Protest von Liberalen in der Presse und Fernsehen gegen Makaschows Ungeheuerlichkeiten beantworten seine Genossen hingegen mit der Forderung, die Pressefreiheit einzuschränken. Viktor Krivulin, Dichter und Regionalpolitiker aus Petersburg in Personalunion, beschrieb, wie es in der Partei Sjuganows so zugeht: "Jude ist für die Kommunisten ein Synonym für Demokraten." Schuld ist immer der Westen, und der Westen, das sind die Demokraten, und die Demokraten, das sind sowieso alles Juden. So einfach erklärt man die Welt.

Nach dem Mord an der liberalen Parlamentsabgeordneten Galina Starovoitova, die sich gegen die antisemitischen Ausfälle Makaschows engagiert hatte und im Jahr 2000 für das Präsidentenamt kandidieren wollte, fragte sich der neoliberale frühere Premierminister Anatoli Tschubais, wem die Politikerin überhaupt ein Dorn im Auge war. Sein Ergebnis: "Die Antwort ist einfach: Gangstern und Kommunisten." Eine unnötige Unterscheidung. Ohne eine Distanzierung von Makaschow und seinen Spießgesellen hat sich die Kommunistische Partei in Rußland endgültig als eine Bande von Polit-Kriminellen erwiesen.

Makaschow freilich kann das nicht treffen. Der General, der 1993 am bewaffneten Sturm der Jelzin-Gegner auf den Moskauer Fernsehsender Ostankino beteiligt war, sagt über sich selbst: "Das Volk hat immer recht, und Makaschow ist immer mit dem Volk." Das stimmt zumindest zum Teil. Der Äußerung Makaschows, die Juden gehörten ins Grab, sie seien schuld am Untergang des einst so mächtigen Rußlands und würden das Blut der russischen Bevölkerung trinken, stimmten 15 Prozent zu. Auch sein Vorschlag, den Zugang zu Regierungsämtern für Juden zu begrenzen, fällt auf fruchtbaren Boden. Die absolute Mehrheit will auf keinen Fall, daß ein Jude Präsident wird.

Rußland befindet sich in einer Situation, in der ein paar bösartige Antisemiten-Lümmel die stärkste Parlamentsfraktion stellen. 44,4 Millionen Russen leben unterhalb der Armutsgrenze, der Ertrag an Getreide ist heute fast so gering wie während des Zweiten Weltkrieges. Die Anbiederung der "Kommunisten" an den angesichts der katastrophalen russischen Verhältnisse offen ausbrechenden Antisemitismus fügt sich bestens in ihre Generallinie ein, vage von einer Restaurierung der Sowjetunion zu sprechen, gleichzeitig aber einer effizienteren Marktwirtschaft das Wort zu reden. Wer auf solch merkwürdige Weise den Kapitalismus angreifen will, dem bleibt eben nur der Rückgriff auf Perversitäten, wie sie die Funktionäre der KP offen wie selten zuvor ausblähen: "Das Unrecht hat Namen und Adresse." So, wie die "Kommunisten" in Rußland diesen Spruch derzeit interpretieren, hatte ihn Brecht sicher nicht gemeint.

Wer die massenhafte Internierung von Juden zur Lösung der wirtschaftlichen Katastrophe in die Diskussion bringt, hat mit Kommunismus nichts zu tun. In Rußland geht bereits die Rede vom "National-Sozialismus" der Kommunistischen Partei um. "Die KP steht links von Jelzin, aber sie ist keine linke Partei", schrieb Le Monde diplomatique dazu. Das aber stimmt nicht ganz: Links von Jelzin steht Wodka Gorbatschow.