Verschwörung gegen Österreich

Jörg Haiders Wahlsieg beweist: Es bedarf keiner Rezession, um Rassisten und Antisemiten an die Macht zu bringen. Und Österreichs Bürgerliche wiegeln nur ab.

Kurt Waldheim ist wieder da. In einem Interview mit der österreichischen Nachrichtenagentur Apa verbittet sich der NS-Kriegsverbrecher, ehemalige UN-Generalsekretär und frühere österreichische Bundespräsident die Einmischung "des Auslandes" in die österreichische Regierungsbildung nach dem Wahlerfolg der rechtspopulistischen FPÖ. Es sei, so Waldheim, "nicht Aufgabe des Auslandes, Österreich vorzuschlagen, wer in die Regierung soll und wer nicht".

Dieser Meinung ist auch Waldheims Nachfolger, Bundespräsident Thomas Klestil: Durch "ungebührliche Äußerungen und übertriebene Reaktionen" werde "unserem Land (...) internationaler Schaden zugefügt". Die Kritik an FPÖ-Chef Jörg Haider und seinen Wählern entspreche "aus Unkenntnis oder Absicht" nicht den Tatsachen, erklärte Klestil. Österreich sei "ein Land mit stabilen politischen Verhältnissen, in dessen Parlament ausschließlich demokratisch gewählte Parteien vertreten sind".

Alexander van der Bellen, der Vorsitzende der österreichischen Grünen, assistierte: Österreich sei vor der Wahl kein Nazi-Land gewesen und sei seitdem auch keines geworden. Es gebe auch "ein anderes Österreich": Mehr als 70 Prozent der österreichischen Wähler hätten sich gegen Haider ausgesprochen. "Ich betone das, weil die Hysterie in den internationalen Medien dem Ruf Österreichs schaden kann, was negative Auswirkungen für Österreich als Handelsplatz hätte", erklärte Van der Bellen bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz.

"Das Ausland", "ungebührliche Äußerungen", "die internationalen Medien": Wenn es ums Schönreden des Wahlergebnisses vom 3. Oktober geht, sind die Repräsentanten des "anderen Österreich" schnell wieder bei antisemitischen Stereotypen - sei es "aus Unkenntnis oder Absicht".

Jene, die - vor allem in Israel - einschneidende Konsequenzen im Umgang mit Österreich für den Fall gefordert hatten, dass Haider in die Regierung eingebunden werden sollte, avancierten damit zum Hauptfeind der österreichischen Politik inner- und außerhalb von Haiders postfaschistischer Sammlungsbewegung. Israels Staatspräsident Eser Weizman hatte am Tag nach der Wahl den Juden in Österreich geraten, das Land zu verlassen. Israels früherer Premierminister Schimon Peres sprach von "großen Ängsten", die das Wahlergebnis bei ihm wecke. Außenminister David Levy bezeichnete Haider als Neo-Nazi und die FPÖ als "eine Partei mit Nazi-Doktrin", die verboten werden müsse. Für den ehemaligen Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek - einen geborenen Wiener - ist das Wahlergebnis der Beweis, dass Österreich "ein antisemitisches Land" ist, zu dessen Charakter immer der Fremdenhass gehört hat.

Österreich gibt sich die Haider-Kugel (Jungle World, Nr. 16/98): Die Wiener Große Koalition hat in den letzten Jahren wenig getan, was diesen Vorwurf aus dem Feld räumen könnte - obgleich die österreichische Wirtschaft floriert und die Suche nach einem Sündenbock an sich obsolet wäre: "Du, glückliches Österreich, hasse!" scheint die Devise zu lauten. Haiders Parteigänger sind auch immer öfter geneigt, SPÖ-Innenminister Karl (Bundeskanzler Viktor Klima sagt "unser Karli") Schlögl des Plagiats zu bezichtigen und nicht der Förderung der ungehinderten Zuwanderung. Das hinderte freilich etwa Haiders Strohmann-Spitzenkandidaten Thomas Prinzhorn nicht an der Enthüllung, die österreichische Regierung lasse Zuwanderer gezielt mit Hormonen behandeln, um so die Geburtenrate der potenziellen SPÖ-Wähler zu erhöhen.

Solche Verschwörungstheorien verfangen durchaus bei den österreichischen Wählern: 60 Prozent der Haider-Wähler gaben in einer Umfrage des Wiener Zentrums für angewandte Politikforschung als Grund für ihre Wahl an, der Volkstribun decke "Skandale schonungslos auf". Dagegen nimmt sich der Anteil von 47 Prozent der ÖVP-Wähler, die Haiders Forderung nach einem Zuwanderungsstopp als entscheidend ansahen, überraschend gering aus. Dennoch hat die Nachrichtenagentur Reuters, die Haiders FPÖ als monothematische "anti-foreigner party" bezeichnete, nicht Unrecht. Als "echte Österreicher" bewarb Haider sich selbst und Prinzhorn - die antisemitische Anspielung auf Bruno Kreisky, den jüdischen Bundeskanzler der siebziger Jahre, war unüberhörbar. In seinem Bundesland Kärnten, das Haider seit dem Frühsommer wieder als Landeshauptmann regiert, betreibt er eine populistisch-rassistische Politik gegen die Slowenisch-sprachige Minderheit; umgekehrt forderte er, Slowenien von den Vorverhandlungen zur EU-Erweiterung auszuschließen, weil die einstige jugoslawische Teilrepublik ihrerseits ihre Deutschsprachige Minderheit diskriminiere.

In Klagenfurt und Graz, den Hauptstädten der an Slowenien angrenzenden Bundesländer Kärnten und Steiermark, wurde die FPÖ mit dieser Forderung stärkste Partei. Vor- und Facharbeiter, unter denen auch in Österreich ein besonders hohes Maß an Rassismus herrscht, wählten zu 48 Prozent die "Freiheitlichen". Doch auch 30 Prozent der Abiturienten und Akademiker gaben ihre Stimme den Rechtspopulisten.

Nachdem Haider die FPÖ als verlässliche Kraft gegen die "Tschuschen" (so nennen österreichische Rassisten die Bewohner der einstigen östlichen Partikularstaaten des k.u.k.-Reiches) etabliert hatte, legte er letzte Woche nach. Obgleich sichtlich bemüht, sich keine allzu offensichtlich rassistischen Äußerungen zu leisten, konnte er doch nicht umhin, die Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen für mindestens zehn Jahre zu fordern. Damit auch der letzte Trottel noch verstand, dass er sein Kreuzchen an der richtigen Stelle gemacht hatte, bekräftigte Haider, seine Initiative richte sich insbesondere gegen die Österreich-Anrainer Tschechien, Slowakei und Ungarn: Deren niedriges Lohnniveau drohe die Arbeitslosigkeit in Österreich zu erhöhen. Bis Redaktionsschluss hatten weder Klima noch der ÖVP-Obmann und Außenminister Wolfgang Schüssel widersprochen.