»Afrikaner gelten sowieso als Kriminelle«

Wie die rassistische Konstruktion vom »afrikanischen Drogendealer« funktioniert. Ein Interview mit dem Schriftsteller Charles Ofoedu

Sie haben das Buch »Morgengrauen« im Gefängnis geschrieben. Dafür ist es erstaunlich gelassen.

Mein Ziel war nicht, jemanden zu beleidigen, sondern die Geschichte zu erzählen, wie man mich zum Drogenboss gemacht hat. Sie haben mich observiert, mein Telefon abgehört, meine Briefe geöffnet, meine Freunde über mich befragt. Sie haben meine Brille, meine Zeugnisse, meinen Reisepass genommen. Seitdem kann ich nicht ausreisen. Als Journalist und Schriftsteller versuche ich objektiv zu sein, aber trotzdem z.B. die Zeitungen offen zu kritisieren, die mich, während ich im Gefängnis saß, als Drogenboss vorverurteilt haben.

Die grüne Minderheiten- und Justizsprecherin Therezija Stoisits hat damals gesagt, die Polizei hätte sie vor Ihnen warnen müssen.

Ja, sie hat diesen Fehler gemacht. Aber sie hat mich eingeladen, und sie hat sich entschuldigt. Das ist erledigt.

Im Frühjahr letzten Jahres gab es einen Aufbruch in der afrikanischen Community. Nach der »Operation Spring« hat man aber fast niemanden mehr auf einer Demo gesehen.

Die erste Demonstration der African Community war im März 1999, die zweite nach dem Tod von Marcus Omofuma. Ich habe beide Male die Demos angeführt. Darum hat der Staat zugeschlagen - obwohl alle Demonstrationen angemeldet waren. Am Ende meines Buches sage ich: Meine Ankläger haben gewonnen. Es ist ihnen gelungen, die Afrikaner und Afrikanerinnen zurück in ihre Zimmer zu schicken.

Nimmt deshalb fast kein Afrikaner mehr an den Demos gegen die FPÖVP-Regierung teil?

Unser Problem in Österreich ist, dass wir nichts machen können. Es ist sehr schwer, politisch zu arbeiten, wenn man von uns behauptet, wir seien Drogenhändler. Ich habe meinen Leuten gesagt, dass es gefährlich ist, auf die Straße zu gehen. Erst kommt die Staatspolizei und fotografiert, dann fangen sie an, die Leute zu kriminalisieren. Viele von uns denken, egal wer in diesem Land regiert, wir sind immer in Gefahr. Ich bin z.B. während der SPÖ-ÖVP-Koalition ins Gefängnis gesperrt worden. Damals hat die Regierung an den Afrikanerinnen und Afrikanern den Lauschangriff ausprobiert. Aber jetzt, in der Opposition, will dieselbe SPÖ gegen den Lauschangriff vor den Obersten Gerichtshof ziehen. Das ist absurd.

Können Sie denn überhaupt noch politisch arbeiten?

Ich arbeite mit verschiedenen NGOs zusammen. Ich bin Obmann der Bunten, einer Migrantinnenorganisation. Wir geben die Bunte Zeitung heraus. Und wir sind bei der Arbeiterkammerwahl angetreten und haben es das erste Mal in der Geschichte Österreichs geschafft, dass eine Afrikanerin in der Arbeiterkammer sitzt, in der alle Tariffragen ausgehandelt werden. Das ist durch die Kooperation verschiedener Migrantinnen und Migranten aus Jugoslawien, Frankreich, Indien, Lateinamerika, Polen und Afrika unter dem Namen Bunte Demokratie für Alle (BDFA) gelungen.

Aber die African Community ist nicht so politisch wie die Türkinnen oder die Jugoslawen. Wir glauben immer, dass wir zuerst einmal unser Leben organisieren müssen. Schließlich ist es nicht leicht, hier zu leben, Arbeit und Wohnung zu finden, mit Leuten in Kontakt zu kommen. Österreich ist eine geschlossene Gesellschaft, und es ist schwierig, in eine Position zu kommen, von der aus man handeln kann.

Wie ist der Kontakt zur Widerstandsbewegung gegen FPÖVP? Sind Sie auch da auf Rassismus gestoßen?

Manche Leute glauben, sie seien nicht rassistisch, aber unbewusst sind sie es sehr wohl. Ich frage mich, wie wir kämpfen sollen, wenn selbst die Antirassistinnen so etwas nicht sehen wollen. Bei der großen Demo am 19. Februar, auf der 300 000 Leute waren, lud mich jemand ein, auf der Bühne zu lesen. Aber eine der Frauen vom Republikanischen Klub sagte zu mir: »Das kommt nicht in Frage. Wenn du deine Gedichte liest, schreibt die Kronen Zeitung, wir hätten mit Drogendealern zu tun.«

Dieses Jahr sind wieder Afrikaner unter ungeklärten Umständen im Polizeigewahrsam gestorben, aber fast niemand hat dagegen protestiert.

Warum soll man protestieren, wenn man die Leute nicht für Menschen, sondern eher für Affen hält? Stört doch nicht, wenn Affen sterben. Das bewegt niemanden. Außerdem verbindet man das sofort mit Drogen. So steht es dann in jeder Zeitung, und die Geschichte ist erledigt.

Sie haben ja noch das Glück, relativ viele einflussreiche Freunde und Bekannte zu haben.

Ich habe schon vor langer Zeit angefangen zu schreiben. Mit meinem ersten Buch, einem Gedichtband, bin ich bekannt geworden. Ich habe viele Lesungen gegeben. Gleichzeitig bin ich politisch aktiv gewesen. Viele Leute wollten nicht glauben, dass ich Drogenboss bin.

Aber die Leute, die heute noch im Gefängnis sitzen, von denen weiß man nicht, ob sie schuldig oder unschuldig sind. Die Dinge kommen nicht an die Öffentlichkeit. Das wäre die Aufgabe der Medien, aber es interessiert sie nicht. Viele Angeklagte sind inzwischen schon verurteilt. Da hat einer fünf Jahre gekriegt - nur wegen der Aussage eines anonymisierten Zeugen mit Maske. Die Übersetzungen der Lauschangriffe - die meisten abgehörten Gespräche wurden in Ibo, einer nigerianischen Sprache, geführt - sind seltsam. Es wurde so übersetzt, wie es der Anklage dienlich war.

Es ist schlimm, wenn angefangen wird, mit Verschwörungstheorien zu arbeiten: Die Leute auf der Demo, die Tücher um den Arm gebunden hatten, gelten dann als Untergeordnete, die, die Tücher um den Hals trugen, als die Chefs des Drogenkartells. Mich hat man zum Drogenboss erklärt, weil ich Kontakt zur Universität, zur Uno, zum afro-asiatischen Institut habe. Dann war ich einmal in diesem chinesischen Restaurant, das als Schaltzentrale des Drogenrings gilt. Außerdem habe ich den Leuten gesagt: »Leave your business and join the demonstration.« Damit habe ich ihnen freigegeben. Also bin ich der Chef. Alles was man sagt, wird verdreht.

Würden Sie sagen, es handelt sich bei den Prozessen um Rassenjustiz, weil es so aussieht, als ob afrikanische Leute vor Gericht anders behandelt würden als österreichische oder europäische?

Afrikaner gelten sowieso als Kriminelle. Bevor der Prozess begonnen hat, sind wir schon verurteilt. Die Gerichte, sagt man, seien demokratisch, aber die Richter und Richterinnen sind Menschen, und wenn sie rassistisch sind, wirkt sich das auf alles aus, was sie tun. So wie es Rassismus auf der Straße gibt, gibt es Rassismus vor Gericht.

Was jetzt im Zuge der Verfahren passiert, tut uns weh. Man hat Afrikaner dazu gebracht, anonym gegen uns auszusagen. Wir wissen nicht mehr, wer wer ist. Diese Politik hat großes Misstrauen gesät. Wenn ein Afrikaner einen anderen trifft, ist man unsicher, ob der Mann sauber oder ein Verräter ist.

Ihr Buch liest sich auch als ein spannender Bericht aus dem Knast.

Ich dachte, ich schreibe ein Buch, das jeder lesen kann, weil manche ja Angst bekommen, wenn sie hören, dass ein Lyriker einen Roman verfasst hat. Also habe ich ein Buch geschrieben, das man in der U-Bahn lesen kann - im Gegensatz zu meinen Gedichten, die schon schwieriger sind.

Was hat Ihr Zellengenosse zu dem Buch gesagt, den sie als Jammerlappen porträtieren?

Er war nicht böse. Ich hatte ihm die Passagen ja schon in der Zelle vorgelesen. Niemand kann sein eigener Spiegel sein, man braucht die anderen Leute als Spiegel. So war ich seiner.