Deutsche Kontakte im Waffenhandel

Die Oktoberfest-Connection

Kontakte sind das A und O des internationalen Waffenhandels. Karlheinz Schreiber hatte sie - zu Industrie und Christdemokraten, aber auch zu SPD-Mitgliedern und BND.

Karlheinz Schreiber war dafür bekannt, dass er stets dicke Geldbündel mit sich herumschleppte und gerne großzügige Geschenke machte. »Politische Landschaftspflege« nannte er diese Praxis, mit diversen Gefälligkeiten illegale Waffengeschäfte anzuschieben - ganz im Sinne seiner Auftraggeber Siemens oder Thyssen.

Die Großzügigkeit des CSU-Mitglieds und Strauß-Spezls beschränkte sich nicht auf Parteifreunde. »Von mir haben die CSU, die CDU und die SPD Geld bekommen«, betont Schreiber. Und auch wenn der Waffenhändler alljährlich zum gemeinsamen Maßkrugstemmen auf das Münchner Oktoberfest lud, hockte eine große Koalition am Biertisch: Erich Riedl, CSU-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, war ebenso mit von der Partie wie Schreibers Duzfreund Helmut Wieczorek von der SPD. Der ehemalige Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages und heutige Leiter des Verteidigungsausschusses war schließlich jahrelang Geschäftsführer der Tochterfirma Thyssen Engineering.

In dieser Eigenschaft setzte sich Wieczorek bereits 1989 maßgeblich für eines der größten Geschäfte Schreibers ein, das so genannte Bear-Head-Projekt in Kanada. Auf einer kleinen Halbinsel zwischen Halifax und Kap Breton, die die Form eines Bärenkopfes hat, wollte Thyssen eine Panzerfabrik bauen, um so den Zugang zum nordamerikanischen Waffenmarkt zu erschließen und von dort aus in Krisengebiete wie den Nahen Osten exportieren zu können, was deutsche Gesetze nicht erlauben. Um Schreiber bei seinen Verhandlungen mit der kanadischen Regierung zu unterstützen, zahlte Thyssen Engineering auf Anweisung von Wieczorek von 1989 bis 1991 monatlich 6000 kanadische Dollar an Schreibers Firma Bitucan.

Wieczorek ist nicht der einzige Sozialdemokrat, der seine Spuren im Sumpf des CDU-Spendenskandals hinterlassen hat. Auch sein Vorgänger im Amt des Haushaltsausschussvorsitzenden, Rudi Walther, hatte seine Finger im Spiel, als es darum ging, Thyssen lukrative Aufträge zuzuschanzen. Er hatte beim Panzerdeal mit Saudi-Arabien ein entscheidendes Wort mitzureden. Um Einzelheiten zu besprechen, traf Walther, in dessen Kasseler Wahlkreis Thyssen eine Panzerschmiede betreibt, 1991 mindestens einmal den Thyssen-Manager Jürgen Maßmann. Dieser wird inzwischen angeklagt, bei dem Geschäft mit Saudi-Arabien über vier Millionen Mark an Schmiergeldern kassiert zu haben.

Dass auch an Wieczorek und Walther und damit an die SPD Thyssen-Schmiergelder in Millionenhöhe flossen, ist unwahrscheinlich. Die beiden SPD-Mitglieder handelten wohl weniger im Auftrag ihrer Partei, sondern als treue Thyssen-Männer - ganz im Dienste der Prosperität des Konzerns und der Erhaltung der Arbeitsplätze ihrer WählerInnen.

Doch die illustre Gesellschaft am Schreiber-Stammtisch auf dem Oktoberfest weist noch auf eine andere Dimension der Spendenaffäre hin, die bislang kaum beachtet wurde: die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes (BND) an weltweiten Waffengeschäften. Denn zu der Runde im Wiesn-Festzelt gehörte auch der BND-Mann Werner Ströhlein, der in der Geheimdienstzentrale in Pullach unter den Decknamen Schottler und Palme geführt wird.

Ströhlein war ab Ende der siebziger Jahre als BND-Resident in Lateinamerika tätig, zuerst in Costa Rica, ab 1982 in Mexiko. Nebenbei unterhielt er wie so viele BND-Agenten beste Verbindungen zur CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. In der Münchener Stiftungszentrale ging auch Karlheinz Schreiber ein und aus. So kam auch der Kontakt zwischen Ströhlein und Schreiber zustande. Sicher ist: Neben seiner Hauptaufgabe - der Unterstützung rechtsgerichteter Kräfte in Mittelamerika - stellte sich der BNDler bald auch in den Dienst Schreibers. »Ströhlein ist von Schreiber als Türöffner bei Waffengeschäften benutzt worden«, so der Geheimdienstexperte und Direktor des Weilheimer Forschungsinstituts für Friedenspolitik, Erich Schmidt-Eenboom. Mindestens zweimal habe Ströhlein den Waffenlobbyisten auf Geschäftsreisen begleitet - nach Panama City und nach Toronto.

Eine derartige Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und Waffenlobby ist Schmidt-Eenboom zufolge normal. Bei internationalen Waffengeschäften tritt der BND häufig als Vermittler und Makler auf. Die wehrtechnische Industrie wendet sich bei Exportgeschäften des öfteren hilfesuchend an den BND. Dafür gibt es in Pullach eine eigene Organisationseinheit mit dem Namen »Wirtschaftsverbindungsdienst«. Umgekehrt wenden sich auch potentielle Waffenkäufer im Ausland an den örtlichen BND-Mann, damit er den Kontakt zur deutschen Industrie herstellt.

Offiziell streitet der BND derartige Geschäftsanbahnungen ab. Und auch der Nachweis, dass die Bundesregierung über die Waffengeschäfte ihres Geheimdienstes Bescheid weiß, ist nur schwer zu führen. Schmidt-Eenboom ist sich dennoch sicher: »Da gibt es eine Rückkopplung mit der Politik. Das geschieht stets im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt. Aber immer unter dem Vorzeichen der ,Ableugnungsmöglichkeit'. Das heißt, wenn etwas öffentlich wird, dann muss die Operation so gefahren sein, dass die Regierung Nichtwissen vortäuschen und die Verantwortung notfalls auf den BND allein schieben kann.«

Neben der Industrie und dem Geheimdienst habe auch die Bundesregierung ein Interesse an weltweiten Waffengeschäften der heimischen Konzerne: »Natürlich festigt es die Stellung der Bundesrepublik in einem bestimmten Land, wenn Wehr- und Geheimdiensttechniken in Deutschland gekauft werden. Das dient einerseits der Prosperität der deutschen Wirtschaft und zum anderen der Durchsetzung geostrategischer Interessen.«

Das schmutzige Geschäft des deutschen Geheimdienstes mit Waffen ist so alt wie die Bundesrepublik selbst. Das Schweizer Nachrichtenmagazin Facts behauptete jüngst unter Berufung auf Akten der Schweizer Bundesanwaltschaft, deutsche Geheimdienstler hätten bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Liechtenstein eine Waffenschieberzentrale eingerichtet. Ihr Name lautete Octogon Trust. Den finanziellen Grundstock der Firma, die weltweit über beste Kontakte verfügte, so etwa zu CIA-Chef Allen W. Dulles, bildete vermutlich ein Geheimfonds, den die deutsche Abwehr während des Krieges in der Schweiz aufgelegt und mit 250 Millionen Franken ausgestattet hatte.

Eines ihrer größten Geschäfte wickelte die Octogon Trust 1956 ab, als die Wiederbewaffnung die bundesdeutschen Parteien spaltete. Konrad Adenauers Kanzleramtschef Otto Lenz bestellte über Octogon Trust 10 000 Schützenpanzer vom Typ HS30 bei der Genfer Waffenschmiede Hispano-Suiza. Der Panzer entpuppte sich als totaler Flopp. Wegen Konstruktionsmängeln musste er mehrfach umgebaut werden. Die Vermittler des Deals steckten mehr als 30 Millionen Mark Provision ein. Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Karl Moersch, geht davon aus, dass das Geld auf Konten der CDU und des BND bei den Zürcher Privatbanken Julius Bär und Vontobel versickerte. Diese Vermutung deckt sich mit Erkenntnissen der Schweizer Bundesanwaltschaft.

In den sechziger Jahren exportierte die deutsche Firma Merex von Gerhard Georg Mertins während des indisch-pakistanischen Krieges 89 Kampfflugzeuge nach Pakistan. Auch der Kriegsgegner Indien wurde mit 28 Düsenflugzeugen des Typs Seahawk beliefert. Als die Staatsanwaltschaft Bonn Mertins 1973 anklagte, gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben, wurde der Kaufmann freigesprochen. Er konnte nachweisen, im Auftrag des BND exportiert zu haben.

»Ich habe den Eindruck, dass das System inzwischen so versumpft ist, dass es nicht mehr schwerpunktmäßig um außenpolitische Interessen geht, sondern nur noch um Felder, auf denen man Geld für die CDU machen kann«, erklärt Geheimdienstexperte Schmidt-Eenboom.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die tatsächliche Rolle des Strauß-Freundes Karlheinz Schreiber. War Schreiber tatsächlich freischaffender Makler im Dienste der Rüstungsindustrie oder stand er gleich doppelt im Sold: als Waffenlobbyist und als Provisionseintreiber für die Hintermänner aus der Politik? Auffällt, dass Schreiber ein finanzielles Leichtgewicht ist. Und auch die Baufirma seines Sohnes im bayerischen Kaufbeuren krebst vor sich hin. Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: 90 Prozent seiner Provisionen, so soll Schreiber einmal gesagt haben, kassiere nicht er, sondern führende bayerische Politiker.