Neuerung im Gehsport

Petzende Schuhe

Eigentlich gehört das Gehen zu den extrem langweiligen Sportarten. Schwitzende Menschen bewegen sich durch karge Landschaften oder öde Städte, greifen hin und wieder zu den angebotenen Getränken, ohne ihren Wackelschritt wesentlich zu verlangsamen, und kommen schließlich, nach 20 oder 50 Kilometern, völlig erschöpft ans Ziel.

Aber das Gehen hat dem Kenner weit mehr zu bieten, denn anders als in vielen anderen Sportarten kommt es hier auf die Leistungen der Schiedsrichter an. Die passen auf, dass die Athleten ihren Job auch regelkonform erledigen, d.h. immer mit einem Fuß den Boden berühren. Drei gelbe Karten ziehen die Disqualifikation nach sich.

Verzögerungen beim Melden dieser Gelbstrafen machten die Geher-Konkurrenzen bisher immer zu spannenden Veranstaltungen. Wer als Erster ins Ziel kommt, muss nicht unbedingt der tatsächliche Gewinner sein. Bei der Olympiade in Sydney durfte der Mexikaner Bernardo Segura nach dem Wettbewerb über 20 Kilometer zehn Minuten lang die Goldmedaille feiern, bis sie ihm schließlich doch noch aberkannt wurde. Daraufhin entschied man sich, die Läufer und Läuferinnen nicht mehr im Stadion zu disqualifizieren, sondern kurz davor.

Was die Sache auch nicht besser machte. Kurz vor dem ins Olympiastadion führenden Tunnel, wo ein Sprecher dem jubelnden Publikum schon aufgeregt sicheres Gold für Australien verkündete, wurde die souverän in Führung liegende Jane Seville disqualifiziert.

Schön ist das nicht, aber immerhin macht es die langweilige Sportart spannend. Nie kann man während einer Übertragung sicher sein, dass der eigene Favorit nicht plötzlich doch abhebt, immer muss man auf die Männer mit den weißen Hüten und den gelben oder roten Täfelchen achten, und am allerschönsten: Wenn mal ein Deutscher souverän in Führung liegt, besteht große Hoffnung, dass am Ende doch ein Pole oder ein Mexikaner siegt.

So müssen Sportarten sein, an denen man selbst im Alter noch viel Freude haben kann. Nun aber droht dem Gehen, wie man es kannte und liebte, plötzlich Gefahr. Mit moderner Technik soll es revolutioniert werden - wahrscheinlich der einzige Fall, in dem man sich vor dem Fortschritt wirklich fürchten muss.

Der Kanadier Dennis Furlong hat nämlich Schuhe entwickelt, die automatisch ein Signal an die Kampfrichter senden, wenn der Sportler nicht regelkonform geht. Der offizielle Sprecher der IAAF, Giorgio Reineri, zeigte sich bei einer Präsentation des petzenden Schuhs in Lausanne begeistert und erklärte, dass er bei diversen Wettbewerben nun intensiv getestet werde. Falls die Ergebnisse überzeugten, könnte er schon bei der der Freiluft-WM im kanadischen Edmonton im August 2001 eingesetzt werden.

Wie das aussehen wird, kann man sich gut vorstellen. Statt der Schiedsrichter sind dann plötzlich lose Kabel an eventuellen Disqualifikationen schuld. Auf Kabel zu schimpfen, macht allerdings viel weniger Spaß. Nach jedem Rennen wird die technische Kommission stundenlang Lötstellen und Kontakte überprüfen müssen, bevor der Sieger feststeht. Dann wird es wohl auch nicht mehr lange dauern, bis jemand einen Weg findet, das Signal des Schuhs zu unterbrechen. Schließlich werden die Deutschen gewinnen, und das Gehen ist eine Scheiß-Sportart wie alle anderen auch.