Kapitän der britischen Nationalmannschaft verletzt

Beten für Beckham

Die Verletzung des Kapitäns der Fußball-Nationalmannschaft schockiert England. Die Medien und die Kirchen wollen die Heilung seines Fußes beschleunigen.

Gleich zwei Mal hatten in der vorletzten Woche britische Zeitungen die Fußballfans des Landes mit der Meldung schockiert, Spitzenkicker hätten sich derart schwer verletzt, dass sie wohl für die WM nicht mehr rechtzeitig fit wären. Um kurz danach wieder Entwarnung zu geben, denn die Blessuren von Michael Owen und David Beckham hatten sich als nicht wirklich ernsthaft entpuppt.

Beim dritten Mal wurde es dann jedoch ernst. Im Viertelfinale zwischen Manchester United und Deportivo La Coruna attackierte der argentinische Mittelfeldspieler Pedro Duscher David Beckham so hart, dass der Brite vom Platz getragen werden musste. Kurz danach stand fest: Nun hatte er sich wirklich so schwer verletzt, dass die WM-Teilnahme zumindest gefährdet zu sein scheint.

Die britischen Medien reagierten sofort. Zeitungsleser und Fernsehzuschauer hatten bereits knapp 24 Stunden nach dem Foul alles über den kleinen gebrochenen Knochen namens Metatarsus in Beckhams linkem Fuß gelernt, was es zu lernen gab. Dass es sich dabei um eine typische Verletzung bei Fußballspielern handelt, die nicht allzu kompliziert ist, war zunächst egal.

Denn in Großbritannien bereitet man sich derzeit akribisch auf die Weltmeisterschaft vor. Der Kneipenwirt Martin Gough ging beispielsweise gerade gerichtlich gegen die staatlich verordnete Sperrstunde vor. Die Behörden in Bristol hatten ihm zuvor verboten, seinen Pub »White Hart« anlässlich des ersten Spiels der englischen Nationalmannschaft am 2. Juni gegen Schweden früher als gewöhnlich zu öffnen. Dies sei nur bei ganz besonderen Gelegenheiten erlaubt, argumentierte der Magistrat, und ein Fußballspiel sei nun einmal keine besondere Gelegenheit. Martin Gough erhielt jedoch Recht und darf nun bereits um sechs Uhr morgens die Fans mit schaumlosem Bier verwöhnen.

Der mögliche Ausfall des englischen Kapitäns stört die Vorfreude der Briten auf das große Ereignis trotz dieses großen Sieges. Selbst Tony Blair unterbrach am Tag nach dem Tritt ein Arbeitstreffen, um sich genauestens über den wehen linken Fuß des Stars informieren zu lassen. Einer seiner Mitarbeiter sagte dem Evening Standard, der Premierminister habe dies damit begründet, dass beim jetzigen Stand der WM-Vorbereitungen nichts wichtiger als der Zustand von Beckhams Füßen sei.

Denn ein möglicher Ersatz für den kranken Spieler ist ausgerechnet Kieron Dyer von Newcastle United, dessen Hang zu Verletzungen auf der Insel bereits legendär ist.

Da helfe nur noch Beten, konstatierte die britische Boulevardpresse und startete eine entsprechende Kampagne. Prediger jedweder Konfession wurden zum Einsatz an den Altären aufgefordert. Mit großem Erfolg: Ein Erzbischof, zwei Bischöfe und drei Vikare erklärten sich bereits am ersten Tag bereit, für den verletzten Fuß zu beten. Vielleicht nicht nur aus reiner Liebe zur Kickerei, der Klerus hat auch in Großbritannien nach einigen Skandalen um pädophile Priester, die trotz erdrückender Beweise von der obersten Kirchenleitung im Amt gehalten wurden, deutlich an Ansehen verloren.

In die traditionellen Gebete für Kranke dürfe man durchaus auch David Beckham einschließen, beantworteten die meisten Pfarrer einschlägige Fragen der gläubigen Fans. Dabei sei es eigentlich auch egal, welchen Verein der Beter sonst präferiere. Erzbischof Vincent Nichols aus Birmingham hatte schließlich zuvor erklärt, zwar »ein lebenslanger Liverpool-Fan« zu sein, aber nun ausnahmsweise durchaus einen Spieler von Manchester in seine Fürbitten einzuschließen: »Selbst ich muss schließlich eingestehen, dass er der unverzichtbare Kapitän für unser Nationalteam ist.«

Allein auf die Kirche wollten die meisten britischen Medien jedoch nicht vertrauen. The Sun probierte es mit einer Art Füße-Voodoo. Das Boulevardblatt veröffentlichte ein Foto des nackten Beckhamschen Fußes und forderte seine Leser am Freitag auf, Punkt 13 Uhr die Hände auf das Abbild zu legen und sich ganz fest darauf zu konzentrieren, dass das Körperteil rasch heile. Um ganz sicher zu gehen, wurde das traditionelle Pin-Up-Girl von der Seite drei noch wie Beckham, also mit Krücken, Gipsverband und Fußballschuhen, ausstaffiert.

Beim Pay-TV-Sender ITV, der vor dem Ausverkauf steht, wurde am selben Tag Uri Geller präsentiert. Der weltbekannte Magier, ein bekennender Fan des britischen Fußballs, forderte im Frühstücksprogramm, die Zuschauer sollten sofort von der Couch aufstehen und mit den Händen den Bildschirm berühren, auf dem ein Foto des Fußes gezeigt wurde: »Nehmt das bitte ernst. Ich kann keine Wunder vollbringen, aber ich glaube ganz fest daran, dass wir alle zusammen zu Davids Heilung beitragen können. Wir müssen uns nur stark genug darauf konzentrieren!«

Die Sun machte sich derweil auf die Suche nach dem Täter. »Dirty Duscher« wurde nach dem Training seines Vereins abgefangen und mit Bildern des Fußes konfrontiert. Der Mittelfeldspieler reagierte gereizt, was daran liegen könnte, dass die Reporter sein Auto derart blockiert hatten, dass er keinerlei Fluchtmöglichkeiten mehr hatte. Nein, er sei gar nicht Pedro Duscher, behauptete er zunächst. Und nutzte dann eine kleine Unaufmerksamkeit der Journalisten zur Flucht.

Zuvor hatte er spanischen Medien frei nach Franz Beckenbauer erklärt, Fußball sei eben kein Spiel für kleine Mädchen und für eine Entschuldigung bestehe kein Grund. Argentinische Zeitungen unterstützten Duscher, und freuten sich ziemlich unverhohlen über den Ausfall des englischen Kapitäns, der zudem fast auf den 20. Jahrestag des Krieges um die Falkland-Inseln fällt. »Don't cry for me, England«, spottete die Sport-Tageszeitung Globe.

Ziemlich kleinlaut jedoch stellte die Sun nur wenig später ihre Kampagne ein. Denn allen Verschwörungstheorien zum Trotz hatte sich herausgestellt, dass der Spieler Beckham auf keinen Fall im Hinblick auf die WM gefoult haben konnte; Duscher ist gar nicht im Aufgebot des argentinischen Nationalteams.

Und Nationaltrainer Sven Göran Eriksson hatte bereits verkündet, dass er doch sehr zuversichtlich hinsichtlich einer raschen Genesung sei. Die Fifa habe bereits signalisiert, dass Beckham jederzeit nachnominiert werden könne, sagte der Coach, aber eigentlich sei dies gar nicht notwendig. Denn er sei fest entschlossen, ihn mitzunehmen: »Er ist einer der besten Spieler der Welt, und wenn es nur die kleinste Chance gibt, dass er spielen kann, werde ich ihn auf jeden Fall ins Team berufen.« Eigentlich glaube er zudem, dass der Star bereits im ersten Spiel eingesetzt werden könne.

Aber ob die englischen Fans sich wirklich wünschen sollen, dass David Beckhams Fuß rechtzeitig zur Weltmeisterschaft wieder gesund wird? Denn ausgerechnet er vermasselte seinem Team die letzte WM - und zwar ausgerechnet im Spiel gegen Argentinien. Im Viertelfinale sah Beckham nach einem Foul an einem am Boden liegenden Spieler die rote Karte, und dieser Vorfall entschied nach Meinung vieler Experten das Spiel. Danach ging im englischen Team nichts mehr. Und Argentinien gewann.