Das Berliner Mommsenstadion wird saniert; andere hätten es ebenso nötig

Nur Platz für die Euro

Für die Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024 wird das Berliner Mommsenstadion noch während der Saison modernisiert. Andere Stadien wie das Sportforum in Hohenschönhausen verfallen dagegen weiter.

Das Berliner Mommsenstadion im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf soll bei der in diesem Jahr in Deutschland stattfindenden Fußball-Europameisterschaft der Männer als Trainingsplatz genutzt werden. Insgesamt sechs EM-Spiele werden in der Bundeshauptstadt ausgetragen, die dort spielenden Nationalteams, wie zum Beispiel die Mannschaften aus Spanien und Kroatien, benötigen dafür geeignete Trainingsplätze. Dafür ist das Stadion nach Ansicht der Senatsverwaltung für Inneres und Sport ideal, denn es liegt in der Nähe des Austragungsorts der Spiele, dem einst von den Nationalsozialisten errichteten Olympiastadion.

Der Berliner Fußball-Verband (BFV) begrüßt auf Anfrage der Jungle World »die kurzfristige Ertüchtigung des Mommsenstadions für die Anforderungen als Trainingsstätte bei der Euro 2024 sowie als Spielstätte in der 3. Liga ausdrücklich«. Der Pressesprecher des BFV, Janosch Franke, meint, Berliner Vereinen, die kurz- oder mittelfristig einen sportlichen Aufstieg in diese Klasse anstreben, verschaffe dieser Schritt »die notwendige Planungssicherheit bis zur Fertigstellung des Stadions im Jahn-Sportpark«.

Die Kosten für die dringend erforderliche Renovierung trage das Land Berlin. Benötigt wird ein neuer Rasen, hinzu kommen eine Rasenheizung sowie weitere bauliche Maßnahmen, um im Mommsenstadion Drittligafußball spielen zu können. Drei Millionen Euro seien dafür eingeplant. Berlins Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) freut sich »sehr, dass wir wieder einen Schritt auf dem Weg zur Stärkung der Sportinfrastruktur in unserer Sportmetropole gehen«. Die Verwaltung verlässt sich darauf, dass die Arbeiten zügig abgeschlossen werden. Denn: »Spätestens im Mai 2024 soll im Mommsenstadion dann auf neuem Grün trainiert ­werden.«

Der Westberliner Verein Tennis Borussia Berlin muss seine Heimspiele seit Mitte März auf einem Nebenplatz des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks ausrichten, der im Ostberliner Stadtteil Prenzlauer Berg liegt.

Es gibt nur ein paar Probleme. In dem am 17. August 1930 eingeweihten Stadion trägt eigentlich der Ober­ligist Tennis Borussia Berlin seine Heimspiele aus, und die Saison in der Oberliga Nord läuft noch bis Anfang Juni. Das bedeutet einen kurzfristig anberaumten Umzug der Heimspielstätte mitten in der Saison. »An der Durchführung der Heimspiele von Tennis Borussia im Jugendbereich, die im Zuständigkeitsbereich des Berliner Fußball-Verbands liegen, ändert sich nichts«, teilt Franke der Jungle World mit. Diese Spiele würden sowieso in der Hans-Rosenthal-Sportanlage stattfinden. Die Heimspiele des Berlin-Ligisten SC Charlottenburg (SCC), die bisher im Mommsenstadion angesetzt waren, finden »für den Rest der Spielzeit entweder auf der Hans-Rosen­thal- oder der Julius-Hirsch-Sportanlage statt«.

Dem BFC Dynamo droht der Umzug ins Mommsenstadion

Die Heimspiele der 1. Herren von Tennis Borussia dagegen liegen nicht in der Zuständigkeit des BFV, sondern in der des Nordostdeutschen Fußball-Verbands. Der Verein aus dem Westteil der Stadt muss seine Heimspiele seit Mitte März auf einem Nebenplatz des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks ausrichten. Die nach dem antisemitischen und nationalistischen Initiator der deutschen Turnbewegung benannte Sportstätte liegt im Ostberliner Stadtteil Prenzlauer Berg. »Die begrenzte Zuschauerzahl der Spielstätte ist für einige unserer Heimspiele nicht ausreichend«, erklärt Tennis Borussia auf seiner Homepage. Man sei deshalb »bemüht, auch mit den Verantwortlichen im Bezirk und im Berliner ­Senat alternative Optionen für diese Spiele zu finden«.

Gleichzeitig droht dem Lokalrivalen aus Hohenschönhausen, dem Berliner Fußballclub Dynamo (BFC), nach einem sportlichen Aufstieg in die Dritte Liga in der nächsten Saison der Umzug ins ungeliebte Mommsenstadion – obwohl dem Regionalligisten in Aussicht gestellt wurde, dass deren im Ostteil der Stadt gelegenes Stadion, das Sportforum, drittligatauglich gemacht wird.

Pro Tag soll die neue Rasenheizung rund 2.000 Liter Öl verbrennen.

Dieses Chaos hat der Berliner Senat zu verantworten. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD wurde vereinbart, das Sportforum drittligatauglich auszubauen. Im November 2023 bekräftigte dies der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) beim Besuch ­eines Fußballspiels ausdrücklich. Dementsprechend groß ist die Ernüchterung beim BFC Dynamo. »Ich bin enttäuscht, wie wir an der Leine durch den Ring gezogen wurden und parallel nun das Projekt Mommsenstadion im Rekordtempo realisiert wird«, klagte der Chef des Wirtschaftsrats des BFC Dynamo, Peter Meyer, deshalb im Berliner Kurier.

Zu guter Letzt kritisiert der Bezirksstadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, Oliver Schruoffeneger (Grüne), im Tagesspiegel die Tatsache, dass aufgrund der gebotenen Eile das Mommsenstadion eine Rasenheizung mit Diesel­generator bekommen wird. Pro Tag soll diese Heizung Schruoffeneger zufolge rund 2.000 Liter Öl verbrennen. Nach seinen Angaben muss sie für einen Spieltag jeweils drei Tage lang angestellt werden. Grundlage für diesen Aufwand ist die Auflage des DFB, dass in der Dritten Liga jeder Verein über eine Rasenheizung ver­fügen muss. »Denn auch für die Dritte Liga gibt es Fernsehgelder«, erklärt der grüne Lokalpolitiker. Und Fernsehgelder bedeuten, »da darf nichts schiefgehen, keine Wetterkapriole darf eine geplante Übertragung gefährden«.

Reihe von Niederlagen für den organisierten Sport

Dass das Stadion sowie das Clubhaus im Eichkamp seine besten Zeiten längst hinter sich haben, ist kein Geheimnis. Einst erbaut als Ersatz für den alten Platz des SCC, der dem heutigen Messegelände weichen musste, bot das neue, von dem jüdischen ­Architekten Fred Forbát entworfene Stadion insgesamt 1.750 Sitzplätze und 36.000 Stehplätze. Es steht unter Denkmalschutz, ebenso wie das Sportforum in Hohenschönhausen, Teil des ab 1956 nach Entwürfen eines Kollektivs unter Leitung von Walter Schmidt errichteten Ensembles. Im Auftrag des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR erbaut, ist es eigentlich längst renovierungsbedürftig. Allesamt leben diese Sportanlagen in Berlin von der Substanz.

Dies gilt auch für den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg. Auf dem ehemaligen Exerzierplatz in der Mitte der Stadt wird seit über 130 Jahren Fußball gespielt. Zur vorvergangenen Jahrhundertwende wurde es von vier Dutzend Fußballvereinen genutzt, darunter Hertha BSC und ab 1903 Tennis Borussia Berlin. Chronisten zufolge wurde an keinem anderen Ort in diesem Land so lange organisierter Vereinsfußball gespielt.

Die Rückkehr der Tennis-Borussen an diesen historischen Ort reiht sich trotzdem ein in die Reihe von Niederlagen, die der organisierte Sport zuletzt einstecken musste. Dem BFV gelang es nicht, ­etwas an der misslichen Lage vieler Amateur- wie auch Profivereine zu ändern. Während die Bausubstanz bröckelt, versteht sich der Verband nicht als Lobby seiner Mitglieder, sondern verwaltet nur das sportpolitische Elend im Auftrag der politisch Verantwortlichen.

So verwundert es auch nicht weiter, dass der Pressesprecher des BFV auf die Frage, seit wann der Verband von dem bevorstehenden Umbau des Mommsenstadions wusste, keine konkrete Antwort geben will. »Den genauen Zeitpunkt der Mitteilung« könne er »nicht benennen«, weil »das Thema durch die Euro 2024 in Berlin zuletzt an zusätzlicher zeitlicher Dynamik gewonnen hat«.