Streit um Brasiliens Romário

Tränen statt Affären

Wer die in Telenovelas aufbereiteten Gefühlswelten zu goutieren versteht, bekommt dieser Tage in Brasilien einen Leckerbissen serviert. Das neueste Drama heißt: Wird Romário doch noch zur WM fahren können, oder bleibt Trainer Luís Felipe Scolari dabei, den 36jährigen Stürmer nicht zu berücksichtigen?

Ein vorläufiger Höhepunkt wurde am vorletzten Donnerstag erreicht, als Romário zu einer Pressekonferenz lud. Da saß er reumütig, bedankte sich bei den Brasilianern für die Unterstützung, die ihm zuteil werde, bat Scolari und die Kollegen aus der Nationalmannschaft um Verzeihung für alles, was er in der Vergangenheit getan oder zu tun unterlassen habe, und gelobte, sollte sein Traum von der WM-Teilnahme in Erfüllung gehen, in Zukunft alle vom Trainer ausgegebenen Verhaltensregeln zu befolgen. Mehrmals unterbrach er seine Rede, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen.

Erreicht hat er damit zumindest, dass sämtliche Medien seine Tränen umgehend zur Top-Meldung erhoben. Die Frage, ob die falschen Tränen des Romário wohl Scolari noch dazu bringen können, die Pose des unbeugsamen Patriarchen aufzugeben, hält nun das Land in Atem.

Schwierig war das Verhältnis zwischen dem alternden Star, der den Ruf genießt, sich um die disziplinarischen Vorgaben seiner jeweiligen Betreuer nicht groß zu scheren, und dem Trainer aus dem Süden des Landes, dem nichts über Zucht und Ordnung geht, von Anfang an. Für das erste Spiel unter seiner Verantwortung, für das WM-Qualifikationsspiel im Juli 2001 gegen Uruguay, hatte Scolari Romário berufen. Eine Affäre mit einer Stewardess am Vorabend des Matchs soll dann der Grund für die äußerst schwache Vorstellung gewesen sein, die der Spieler bot.

Als nächstes ließ sich Romário Ende Juli von der Teilnahme an der Copa América freistellen, um sich einer Augenoperation unterziehen zu können. Stattdessen unternahm er aber - während Brasilien bei der Copa scheiterte - eine Reise mit seinem Verein Vasco da Gama nach Mexiko.

Zum endgültigen Bruch soll es im Oktober gekommen sein, als er die Ehrlichkeit Scolaris in Zweifel zog und behauptete, viele Spieler verdankten ihre Berufung in die Selecao allein ihren guten Beziehungen zum Verband. Damit könnte Romário sich verspekuliert haben. Solange die Nationalmannschaft ohne ihn nur enttäuschende Leistungen zeigte, während er gleichzeitig im Verein Tore am Fließband schoss, hatte er keine schlechten Karten.

Zusammen mit Ronaldo avancierte er zum großen Hoffnungsträger Brasiliens, der eine Blamage bei der WM vielleicht noch abwenden könnte. Er konnte hoffen, dass der wenig geliebte Scolari sich dem öffentlichen Druck beugen oder aber seinen Job verlieren werde. Nicht nur forderten in einer Meinungsumfrage im Februar 69 Prozent der Brasilianer seine Nominierung, auch der Präsident Fernando Henrique Cardoso sprach sich für Romário aus.

Bislang haben ihm seine Tränen nur die höhnischen Gesänge eines Teils der Vasco-Fans eingebracht: »Chorao, nao vai pra selecao.« (»Heulsuse, du wirst nicht zur Selecao fahren.«) Aber auch sie sollten sich nicht zu sicher sein, denn im brasilianischen Fußball ist vieles möglich.