Ready for Takeover

Steht die feindliche Übernahme von Manchester United wirklich unmittelbar bevor? Oder ist die Londoner City einfach nur hysterisch? Antworten von elke wittich

Seit der feindlichen Übernahme des britischen Premier-League-Klubs FC Chelsea geraten Fußballfans immer mal wieder ins Träumen. Denn nie war es einfacher, in den Besitz eines Fußballvereins zu gelangen. Statt sich umständlich auf langweiligen Vereinssitzungen als Mäzen zu empfehlen, muss man sich eigentlich nur einen an der Börse notierten Club aussuchen, dessen Aktien aufkaufen und schwupps ist man Besitzer eines richtigen Fußballvereins.

Wäre man nur Multimillionär, so tagträumen Fans weltweit, dann könnte man zudem eine Menge Spaß haben. Schließlich wäre es dann ohne weiteres möglich, den einen besonderen Drecksclub, der dem geliebten Trottelchen-Verein schon seit Jahren ständig empfindliche Niederlagen beibringt und der obendrein immer wieder Meister wird, zu kaufen. Und ihn anschließend sofort zuzumachen, auf dass das Ärgernis für immer aus der Tabelle verschwindet.

Nur in Deutschland wird der Takeover-Traum nicht so häufig geträumt, was daran liegen könnte, dass Bayern München und die Berliner Hertha keine Aktiengesellschaften sind und Borussia Dortmund nach dem derzeitigen Stand der Dinge einfach niemand besitzen will.

Ganz anders sieht die Sache in England aus. Seit Ende September nun wird Manchester United als Kandidat für eine feindliche Übernahme gehandelt. Damals hatte die britische Tageszeitung Observer berichtet, dass drei »wohlhabende Geschäftsleute« unabhängig voneinander Londoner Finanzexperten um Expertisen gebeten hätten, ob ein Übernahmeversuch tatsächlich möglich und erfolgversprechend sein würde. Alle Analysten kamen zu demselben Schluss: Ja, ein Takeover wäre nicht nur möglich – 960 Millionen Euro müssten aufgewendet werden –, sondern wäre auch eine gute Idee. Denn die Mehrheit der Aktienbesitzer wäre ohne weiteres bereit, sich von ihren Anteilen zu trennen, obwohl ManU als finanziell erfolgreichster Verein der Welt gilt, dessen Devotionalien global bei Fans begehrt sind. Und allgemein erwartet wird, dass er in Zukunft noch höhere Gewinne erwirtschaften kann – immerhin ist United der einzige britische Club, der absolut schuldenfrei ist. Die Marke ManU gilt zudem als eines der bekanntesten Logos der Welt, die Erfolge der Mannschaft werden schließlich live in fast allen Ländern und Kontinenten übertragen.

Die drei Interessenten hätten also gute Chancen, schrieb das Blatt weiter, bald Besitzer von Manchester United zu sein. Ihre Identität verriet der Observer nicht, im Artikel wurde lediglich erwähnt, dass es sich um »Geschäftsmänner aus Westeuropa, Russland und aus dem Nahen Osten« handele. Die Übernahme des Clubs würde ihnen nicht schwer fallen, denn jeder einzelne sei mindestens so reich wie Abramovich, dessen unter anderem aus Ölgeschäften resultierendes Vermögen auf mehrere Milliarden Euro geschätzt wird.

Manchester United dementierte den Bericht umgehend. Der BBC erklärte ein Sprecher: »Wir haben keinerlei Angebote vorliegen und müssen feststellen, dass es sich hierbei um pure Spekulation handelt.«

So ganz aus der Luft gegriffen sind die Informationen des Observer jedoch nicht. Bereits Anfang 2003 hatte eine britische Investorengruppe vermehrt ManU-Aktien aufgekauft, wohl in der Hoffnung, dass deren Wert im Fall einer Übernahme stark steigen würde.

Zunächst geschah jedoch überhaupt nichts – bis der Verein jetzt seine Zahlen für das erste Halbjahr 2003 veröffentlichte, wie es börsennotierte Unternehmen tun müssen. Analysten hatten keine große Überraschung erwartet, denn das Jahr 2002 war für den britischen Fußball enorm schwierig gewesen: Durch die Pleite des Senders ITV waren die Preise für die Übertragungsrechte dramatisch gesunken, und bis hinunter in die dritte Liga stehen zahlreiche Clubs als Folge vor dem Bankrott. Einzig ManU war es gelungen, ohne Verluste zu bleiben. Die Bilanz von ManU für das Jahr 2002 entspricht im Großen und Ganzen dem, was Analysten vor der Krise erwartet hatten. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 2003 nun beliefen sich die Gewinne vor Steuern auf umgerechnet 55,73 Millionen Euro – 2003 war unter anderem das Jahr, in dem zum ersten Mal der auf 13 Jahre angelegte und mit umgerechnet 430 Millionen Euro dotierte Sponsorenvertrag mit Nike griff.

Der neue Vorsitzende, David Gill, erklärte dazu mit kaum verhohlenem Stolz, die Resultate seien »ein Zeichen für den signifikanten Erfolg, den wir auf dem Platz und außerhalb des Platzes erzielt haben«. Das Unternehmen ManU werde für Investoren attraktiv bleiben: »In Zukunft wollen wir uns weiter sowohl auf spielerische Erfolge konzentrieren als auch starke Performances im Bereich unserer Finanzoperationen zeigen.«

Vielleicht hätte Gill besser die Klappe halten sollen, denn seit der vergangenen Woche verdichten sich wieder die Hinweise, dass eine Übernahme des früheren Champions-League-Siegers unmittelbar bevorsteht. Letzten Dienstag wurde bekannt, dass der Fernsehsender BSkyB seine Anteile an ManU verkauft hat. 25 Millionen Aktien, zehn Prozent des Gesamtaufkommens, wurden zu einem Stückpreis von 3,26 Euro veräußert. Diese Anteile stammen noch aus dem Jahr 1999, als der Sender erfolglos versuchte, den Verein zu übernehmen. Nach Protesten von Fans hatte die britische Regierung das Takeover »aus Wettbewerbsgründen« untersagt.

An wen verkaufte aber BSkyB, das pikanterweise die Champions-League-Spiele in Großbritannien überträgt, seine Aktien? Britische Analysten sind sich sicher: Die Anteile gehören nun Cubic Expression, einer Investmentfirma, die zum Imperium zweier Iren namens JP McManus und John Magnier gerechnet wird. Diese beiden gelten nicht nur als »Horse racing Tycoons«, sie standen auch bereits im September im Verdacht, die westeuropäischen Interessenten an ManU zu sein. Sie verfügen zudem über Insiderwissen, denn sie sind mit dem United-Manager Sir Alex Fergusson befreundet – oder waren es zumindest, bis sich die Männer vor einigen Monaten über das höchst erfolgreiche Rennpferd Rock of Gibraltar zerstritten. Mit den BSkyB-Aktien gehören McManus und Magnier jedenfalls jetzt 23,1 Prozent des Vereins – aber mehr sollen es nicht werden, wie Cubic Expression versichert. Würden sie 30 Prozent besitzen, müssten sie nach der geltenden Börsenordnung schließlich ein offizielles Kaufangebot machen. So muss also davon ausgegangen werden, dass die Firma sich die Anteile aus einem anderen Grund gesichert hat: Wer ein Fünftel eines Unternehmens besitzt, kann schließlich die Pläne eines potenziellen Aufkäufers gründlich ruinieren und die Preise für die begehrten Aktien derart in die Höhe treiben, dass am Ende ein ansehnlicher Profit übrig bleibt.

Das dürften auch die Beweggründe eines weiteren Investors sein, der sich derzeit mit United-Anteilsscheinen eindeckt. Der US-Amerikaner Malcolm Glazer, der zuletzt den Football-Club Los Angeles Dodgers kaufte und dem unter anderem der amtierende Super-Bowl-Champion, die Tampa Bay Buccaneers, gehört, ist nach einer Verdoppelung seines Anteils nun mit sechs Prozent an ManU beteiligt und fünftgrößter Eigner und kann nun in aller Ruhe abwarten, bis ihm ein lukratives Angebot gemacht wird.

Von wem das kommen könnte, ist im Moment jedoch noch unklar. Ein unbekannter Russe, mutmaßen Fans und Laien gern, oder aber ein Niederländer. Der TV-Produzent John de Mol stockt derzeit ebenfalls seine Aktien auf. Hinter dem Hedge Fund Landsdowne mit 5,2 Prozent ist der Medienunternehmer mit 3,2 Prozent sechstgrößter Anteilseigner. Er wäre ohne weiteres in der Lage, sich einen der erfolgreichsten Fußballclubs der Welt zu kaufen.

Wenn er es denn wollte. Denn die in der Londoner City kursierenden Übernahmegerüchte könnten auch rein hysterischen Ursprungs sein. Denn streng genommen macht es im Moment gar keinen Sinn, ManU zu übernehmen. Ein Takeover findet schließlich meist nur dann statt, wenn der Investor das Gefühl hat, dass ein Unternehmen entweder schlecht geführt wird oder seine Stellung am Markt ausbaufähig ist. Zudem muss die Gelegenheit günstig sein. Das heißt, der Preis des zu übernehmenden Objekts sollte nicht seinem tatsächlichen Wert entsprechen.

Im Fall von Manchester United trifft keines dieser Kriterien zu. Und so warnen einige Analysten bereits vor Takeover-Phantasien. BSkyB habe jetzt einfach nur eine gute Gelegenheit gesehen, seine Anteile zu verkaufen, da der Preis der Aktien durch die Gerüchte so hoch sei, dass der Sender mit seinem Sell nun kaum Verlust gemacht habe. Und Magnier und McManus seien einfach nur »riesengroße Fans des Vereins, die daher schlicht so viel wie möglich Anteil an ManU haben wollen«, heißt es weiter.

Für diese These vom hysterischen Gerücht spricht, dass eine Übernahme des Vereins nicht ohne die Fans über die Bühne gehen kann. 20 000 im Club »Shareholders United« organisierte Supporter besitzen zusammen 20 Prozent des Vereins – und machten schon klar, dass sie ihre Anteile auf keinen Fall verkaufen wollen. Oliver Houston, Vorsitzender der mächtigen Kleinanleger, erklärte der BBC: »Wir sind uns einig, wir brauchen keinen Sugar Daddy!«