Das Auge hört mit

in die presse

Franz Alt ist ein beliebter Sachbuchautor und Kenner aller Probleme des gestressten und von sich selbst entfremdeten modernen Menschen. Für die Februar-Ausgabe des Programmheftes des Deutschlandradios und des Deutschlandfunks hat er einen Gastkommentar verfasst, eine Huldigung des Radios, eine Lobpreisung des Hörens an und für sich: »Ich höre – also bin ich.«

Trotz des Siegeszuges des Fernsehens sei das Radio nicht untergegangen, liest man da. »Zurzeit hört ein deutscher Mensch im Schnitt pro Tag 206 Minuten ein Radioprogramm«, erklärt Alt, und dennoch werde das Fernsehen als viel wichtiger erachtet. Der Radiofreund ahnt, warum: »Die Dominanz des Sehens scheint mir eher das Zeichen einer Wahrnehmungskrise zu sein.« Und sie steigert sich sogar noch: »Das Augenprimat ist wohl auch ein Teil der heutigen Sinnkrise.«

Der derart krisengeschüttelte »deutsche Mensch« hat gar keine andere Chance, als endlich die Glotze auszuschalten, wenn er nicht völlig seiner Natur entraten will. Schon die Heilige Schrift gibt den Hinweis: »In der Bibel ist am Anfang das Wort – und nicht das Bild.« Wer diesen göttlichen Wink mit dem Zaunpfahl nicht befolgt, dem droht Gefahr: »Das Fernsehen mit seinem Bildersalat schlägt die Fantasie oft tot.« Und der feige Meuchelmord des Bildersalats gefährdet, wie hätte es anders sein können, die Demokratie: »Die real existierende Zuschauer-Demokratie mit der Dauerpräsenz nichtssagender Politikerköpfe ist vielleicht die größte Gefahr für die Demokratie geworden.«

Glücklicherweise ist Alt kein solcher nichts sagender Politikerkopf. Er arbeitete von 1970 an im SWF-Fernsehen. Von 1972 bis 1992 war er Redaktionsleiter und Moderator des Fernsehmagazins »Report« aus Baden-Baden, von 1997 bis ins Jahr 2003 leitete er das Fernsehmagazin »Querdenker« in 3sat. Doch da drücken wir mal beide Augen zu.

stefan wirner