Wer das Geld hat, hat die Macht

Mögliche Nachfolger Yassir Arafats und seine Frau Suha streiten um das Milliardenerbe des steinreichen Vorsitzenden der PLO. von andré anchuelo

Während in Gaza und der Westbank möglicherweise schon die Waffen für den Machtkampf um die Nachfolge Yassir Arafats geladen werden, findet hinter den Kulissen noch ein anderer Kampf statt. Denn nicht alle Macht kommt aus den Gewehrläufen. Vielmehr haben sich Arafats potenzielle Nachfolger an ein Wort des PLO-Vorsitzenden aus seiner Zeit in Tunis erinnert: »Nur wer die Geldmittel kontrolliert, bleibt an der Macht.«

Faktisch üben derzeit der Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Achmed Qurei, und der Generalsekretär der PLO, Machmoud Abbas, die Macht in der palästinensischen Verwaltungshauptstadt Ramallah aus. Als es in der vergangenen Woche hieß, Arafat liege im Sterben, wollte Abbas sofort zu ihm nach Paris eilen, um auch die Kontrolle über die Finanzen der PLO zu übernehmen.

Denn in den letzten Jahren und Jahrzehnten war nicht nur die palästinensische Politik, sondern auch das palästinensische Finanzwesen eine One-Man-Show. Arafat verfügte als Vorsitzender von PA, PLO und deren Hauptfraktion, der Fatah-Bewegung, in der ganzen Welt über diverse Konten. Diese lauten auf Arafat persönlich. Der »Vorsitzende unterscheidet nicht zwischen seinen eigenen Guthaben und denen seiner Bewegung«, stellte ein Biograph des PLO-Chefs schon vor Jahren fest.

Offenbar unterschied Arafat auch nicht zwischen Geld der PLO und internationalen Hilfszahlungen an seine Autonomiebehörde. So war im vergangenen Jahr einem Untersuchungsbericht des Internationalen Währungsfonds zu entnehmen, dass innerhalb von fünf Jahren etwa 900 Millionen Dollar aus dem Haushalt der PA auf ein Privatkonto Arafats in Israel umgeleitet worden seien. Schätzungen des arabischen Fernsehsenders al-Jazeera zufolge ist Arafats Vermögen durch derartige Transaktionen auf 4,2 bis 6,5 Milliarden Dollar angewachsen.

Schon seit längerem wurde Arafats Finanzpraxis auch von Palästinensern kritisiert. Im Sommer 2002 sagte ein Abgeordneter des PA-Parlaments lakonisch, nur »Arafat und Allah wissen, wohin die Mittel verschwinden«. Zwei Jahre später monierte Mohammed Dahlan, einer der bekanntesten Arafat-Kritiker und als möglicher Nachfolger gehandelt, fünf Milliarden Dollar ausländische Hilfsgelder seien umgeleitet worden, »und wir wissen nicht wohin«. Auch der ehemalige PLO-Finanzchef Jawid Ghusseini konstatierte: »Arafat verfügt über alle Konten der Fatah und der PLO. Er ist der einzige, der weiß, wo das Geld ist.«

Der PA-Parlamentarier Azmi Shuaibi sorgte sich bereits im Frühjahr 2003 über das mögliche Ableben Arafats: Niemand »wüsste dann mehr, wohin das Vermögen des palästinensischen Volkes verschwunden ist«. Dieser Fall könnte jetzt eingetreten sein. Allerdings gibt es einige Personen, die mehr wissen als andere. Arafats Ehefrau Suha etwa hat vermutlich Zugriff auf einige der Konten, kennt aber das innere System des Finanznetzwerks nicht. Dieses Wissen wiederum besitzt Mohammed Raschid, Arafats wichtigster Finanzmanager. Jetzt kommt es darauf an, wer Kenntnisse und Zugriffsrechte entscheidend zusammenbringt und wer im Streit um die politische Macht mit welcher Fraktion koaliert.

Machmoud Abbas jedenfalls wurde aus Paris von der kleinen Gruppe von Personen um Suha Arafat, die als einzige bis zuletzt Zugang zu Arafat hatten, bedeutet, er könne sich den Weg nach Frankreich sparen. Aber auch die in Paris anwesenden Raschid und Dahlan wurden nicht zu Arafat gelassen. Angeblich hat Suha von ihrem Mann – als er noch bei Bewusstsein war – gefordert, sie als alleinige Erbin einzusetzen. Schließlich arbeite sie für die palästinensischen Interessen, rechtfertigte sie schon vor einiger Zeit ihre finanziellen Ansprüche. Doch offenbar hat ihr Mann das Ansinnen abgelehnt.