Zlatan vs. Sydsvenskan

Der einzige schwedische Fußballstar hat genug vom Presserummel und macht statt Schlagzeilen Karriere. von elke wittich

Es ist noch nicht lange her, da galt Zlatan Ibrahimovic als die große schwedische Fußballhoffnung. Während der Europameisterschaft konnten sich die Medien des Landes gar nicht beruhigen über die Leistungen des Stürmers, dem internationale Experten eine große Zukunft prophezeiten.

Damit ist es nun allerdings gründlich vorbei: Ibrahimovic, der inzwischen bei Juventus Turin kickt, hat mittlerweile eine Schwarze Liste angelegt, auf der ausschließlich schwedische Zeitungen und Fernsehsender stehen, die keine Interviews mehr von ihm erhalten. Denn der einzige Fußballstar in einem an Kickerprominenz armen Land zu sein, kann ganz schön anstrengend sein.

Ganz oben rangiert das Boulevardblatt Aftonbladet, das kurz nach der EM eine satirisch gemeinte, extrem platte Heiratsanzeige für den Stürmerstar aufgab. Zlatan fühlte sich »verunglimpft« und startete seine Boykottliste, auf der kurz darauf auch das Malmöer Blatt Sydsvenskan landete. Die Zeitung hatte nicht nur Fotos des Zlatanschen Hauses abgedruckt, sondern auch noch gleich die Adresse des Anwesens veröffentlicht; kurz darauf wurde bei Ibrahimovic eingebrochen, die Diebe nahmen nicht nur mehr als 10 000 Euro und einen Fernseher, sondern auch viele persönliche Erinnerungsstücke des Kickers mit.

Die Familie Ibrahimovic war, aus Jugoslawien kommend, in den siebziger Jahren in den Malmöer Einwanderervorort Rosengard gezogen. Zlatan wurde dort am 3. Oktober 1981 geboren, im Alter von 14 wurde der Junge als jüngstes Talent aller Zeiten vom All-Svenskan-Club Malmö FF verpflichtet. Das sei nicht weiter verwunderlich gewesen, sollte eine seiner Lehrerinnen später sagen, »der Junge hat eigentlich seine gesamte Schulzeit über nichts anderes getan, als Fußball zu spielen – lesen und schreiben hat er mit knapper Not beherrscht, ihn aufzurufen war eigentlich von vorneherein aussichtslos. Trotzdem, er war ein richtig netter Kerl!«

Er beeindruckte sportlich besonders dadurch, dass er sich trotz seiner Größe von 1,92 Metern als extrem beweglich und wendig zeigte. Und er bereitete den Schweden dadurch zusätzlich noch Spaß, dass er sich über den norwegischen Lokalrivalen lustig machte. »John Carew ?« sagte er nach einem Länderspiel gegen den ungeliebten »söta bror«, den »süßen Buder«, süffisant, »ach ja, das ist dieser Typ, der mit dem Ball macht, was ich mit einer Orange mache!«

Anderthalb Jahre lang spielte Zlatan für Malmö FF, bevor er im Sommer 2001 zu Ajax Amsterdam wechselte. Als teuerster schwedischer Spieler aller Zeiten: Fünfeinhalb Millionen Pfund zahlte de Steer im Jahr 2001 für den Nachwuchsspieler. Dessen niederländische Karriere verlief jedoch bemerkenswert erfolglos. Sein größter Erfolg bestand in einer Sperre für fünf Spiele, nachdem er einem Gegner den Ellbogen ins Gesicht gerammt hatte. Geschadet hat ihm diese Aktion jedoch nicht, denn Ibrahimovic entschuldigte sich nicht etwa bei seinem Opfer, sondern verglich seinen Körpereinsatz ungerührt mit der Technik des Boxers Muhammad Ali, was bei den niederländischen Fußballfans, unabhängig von der Vereinspräferenz, sehr gut ankam.

Im August 2004 wechselte Ibrahimovic zu Juventus Turin. 19 Millionen Euro zahlte der italienische Verein für den damals 22jährigen, den der Stürmerstar Alessandro del Piero mit den Worten begrüßte: »Er ist eine großartige Verstärkung.«

Zlatan, oder »Satan«, wie er von der in prägnante Bezeichnungen verliebten schwedischen Boulevardpresse gern genannt wird, hatte während der Europameisterschaft sehr aktiv auf seinen Wechsel hingearbeitet. Beim Spiel gegen Italien hatte er das spektakuläre 1:1-Ausgleichstor erzielt – und sich gleichzeitig auf die Torschützen-Liste geschossen. Gemeinsam mit Henrik Larsson, mit dem er sich zu einem der gefeiertsten Stürmerpaare entwickeln sollte. In den drei Vorrundenpartien hatten die beiden Spieler insgesamt fünf Treffer erzielt, obwohl sie zuvor kaum je Gelegenheit hatten, miteinander zu spielen. »Wir sind unheimlich stolz auf die beiden. Sie haben in der Vergangenheit ja nicht so oft die Chance gehabt, miteinander zu kicken, aber sie verstehen sich scheinbar blind«, erklärte Tommy Söderberg während der Europameisterschaft den Erfolg des »magischen Dreiecks« Larsson, Ibrahimovic und Freddy Ljungberg.

Ibrahimovic galt dabei immer als der »unschwedischste« Nationalspieler, in dem Land, in dem ruhiges, unauffälliges Verhalten zu den unbedingten A-Skills gehört, fiel er ungemein auf. Sei es, dass er Porsche und Ferrari fuhr, obwohl unter dezentem Auftreten eher das unfallfreie Chauffieren unauffälliger Familienkutschen verstanden wird, sei es, dass er sich voller Selbstbewusstsein einfach gegen verdiente Nationalspieler durchsetzte. Im EM-Qualifikationsmatch gegen San Marino wäre es eigentlich Sache von Kim Kallström gewesen, den angeordneten Elfmeter zu treten. Nicht mit Zlatan: Er verweigerte einfach die Herausgabe des Balles, schubste den Älteren weg und trat selber an. Und jubelte anschließend ganz allein über den Treffer, denn die Kollegen hatten sich übereinstimmend dazu entschlossen, dieses Tor nicht zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend gelangweilt auf dem Platz herumzustehen.

Nun hat Zlatan, der mittlerweile für Juventus Turin kickt, wieder einmal eine spektakuäre Aktion geschafft. Der schwedische Stürmer hat zwar streng genommen nur seinen Job getan, aber das sehr erfolgreich – und auch noch gegen einen Torhüter, von dem deutsche Fußballfans schon seit Jahren annehmen, dass er der beste der Welt sei.

Zlatan jedenfalls scherten solche Vorschusslorbeeren am Mittwoch letzter Woche überhaupt nicht. An der Außenlinie narrte der Juventus-Stürmer im Champions-League-Spiel gegen Bayern München gleich seine beiden direkten Gegenspieler Owen Hargreaves und Thorsten Frings, um dann auch noch Oliver Kahn zu düpieren. Der aus völlig unklaren Gründen schon seit ungefähr zehn Jahren zum deutschen Ausnahmetorhüter berufene bayerische Greifer sollte gegen Zlatan jedoch einen seiner richtig schlechten Tage erwischen: Ibrahimovic ließ seine beiden vorgenannten direkten Gegenspieler aussteigen und zog direkt ab. Kahn, der nach solchen Situationen normalerweise nicht müde wird, seine Vorderleute zu dissen, reagierte ein weiteres Mal höchst erratisch: Statt den satanischen Ball zu fangen, klatschte er ihn einfach ab – direkt auf die Füße von Del Piero, die einfach nur noch zu tun hatten, was sie am liebsten tun: »Klatsch und patsch und drinn isser.«

Oliver Kahn sollte sein Missgeschick im mit 59 000 Zuschauern so gut wie ausverkauften Münchner Olympiastadion mit umfangreicher Kollegenschelte kontern. In seinen wie üblich via Bild verbreiteten Anwürfen ging es vor allem um ihn selbst, den »Torwart-Titanen«, und nur ganz am Rande um Zlatan. Er werde allein gelassen, sollte er beklagen, keiner unterstütze ihn, und überhaupt komme er sich beim FC Bayern vor wie der allerletzte Depp, weil niemand in der Lage sei, sich nur annähernd richtig aufzustellen.

Zlatan Ibrahimovic sagte dagegen nach dem ziemlich unvorhergesehenen 1:0-Sieg seines Teams sicherheitshalber nichts. Wozu auch?