Der Pitje Puck vom Bökelberg

Mein erstes Sammelalbum

Bochum 1979/80. Hier wurde Stahl gekocht, Grubengold und Grönemeyer gefördert und: Beton angerührt. Von einer VfL-Abwehr, für die galt: Nomen est omen. Wer trifft schon gerne im Zweikampf auf einen Libero namens »Jupp« Tenhagen? So einer kann anpacken, will man meinen. Baggerfahrer, austrainiert, versteht keinen Spaß. Ihm zur Seite zwei rauflustige Assistenten: »Tiger« Hermann Gerland und Putzteufel »Ata« Lameck. Wer so tituliert wird, hält seinen Strafraum blitzsauber. Und wenn alles nix half, musste Keeper Reinhard Mager eben doch mal selber ran.

Woher ich die Jungs kenne? Aus meinem ersten Panini-Sammelalbum, Fußballbilder am Kiosk. Und diese Ausgabe war die letzte, in der die Spielerköpfe schon drin waren und wir nur Spielszenen sammeln mussten. Die Gesichter kannte man also schon. Da gab es einen Mann, der hieß wie ein Knautschgesicht: Heinz Knüwe (ebenfalls ein Bochumer). Auch Dortmunds blonder Zwergschnauzer Erwin Huber konnte keinen Schönheitspreis gewinnen. Die Keeper jedoch möbelten die Liga mit ihren Hardrockmatten optisch ordentlich auf: Rudi Kargus (HSV) oder Norbert Nigbur (Schalke), die den Begriff »Stadionrock« in ihrem Sinne prägten und damals jeder Band gut zu Gesicht gestanden hätten.

Zugeben muss ich allerdings, dass ich damals Bayern-Fan war. Bayern, damals »die Bullen« genannt, obwohl »Bulle« Roth sich ebenso wie »Kaiser Schaunmermal« (Cosmos New York, später HSV und Kitzbühl) schon in die Altherrenliga des gepflegten Fußball-Golfens zurückgezogen hatte, erlebte das letzte Jahr der Sepp Maier-Ära, der aber wegen Verletzungen kaum zum Einsatz kam. Statt dessen bauten sie einen gewissen Walter Junghans auf und ab, der später auf Schalke und bei Hertha verspottet und schon lange vor »Pannen-Olli« Reck dank seiner häufigen Patzer in »Althans« umgetauft wurde. Diese Bayern waren aber so stark, dass sie mit und trotz Junghans Deutscher Meister wurden.

Daran konnte auch der Gladbacher Flügelflitzer Kurt Pinkall nichts ändern, damals seines Zeichens der »schnellste Postbote der Liga«, eine Art Pitje Puck vom Bökelberg. Die Borussen sammelten anscheinend Briefträger wie andere die Marken: Später holten sie den Postler Stefan Effenberg, ehe der die Bälle in München, Florenz, Wolfsburg und Katar sortieren durfte. Auch ein junger Mann namens Ewald Lienen war 1979/80 in meinem Album und bei Gladbach tätig. Er weigerte sich damals, Autogramme zu geben, weil er doch »nur einer von vielen« sei. Ein echter Fließband-Profi eben, der heute bei Hannover 96 an der Bande, sorry, am Band natürlich, den Nachwuchs dirigiert.

Trikot-Werbung gab’s übrigens auch schon: Der BVB warb farblich passend für Uhu und klebte im Abstiegskampf fest, der nordseenahe HSV für den Öl-Multi BP, die Braunschweiger für Jägermeister. Den braucht man heute als Eintracht-Fan fast täglich, vor allem wenn man sich als Drittligist im Vergleich mit Wolfsburg und Hannover 96 sieht. Damals war die Eintracht noch eine feste Größe, und kein Hahn krähte nach den »Wölfen«. Der Schwede Hasse Borg, Ronnie Worm und sogar Paul Breitner (allerdings nur 1977/78) kickten in den späten Siebzigern für die Elf des Jägermeister-Barons Günther Mast.

Manchmal holt mich das Sammelalbum ein, obwohl es leider schon lange verschütt gegangen ist: Neulich habe ich mich in Berlin bei einem Call Center vorgestellt, für einen Nebenjob. Der jung-dynamische Geschäftsführer hieß Ivan Buljan. Und, kein Witz: Er ist der Neffe des einzig wahren Ivan Buljan: des HSV-Stoppers von 1979/80! Heute ist der Manager bei Hajduk Split. So schließt sich der Kreis. Und mal ehrlich: Gegen einen Ivan Buljan musste sich selbst ein »Jupp« Tenhagen verdammt warm anziehen.

lutz steinbrück