Chuzpe im Minidress

In Texas soll dem Cheerleaden der Sex-Appeal genommen werden, dabei handelt es sich um karrierefördernden Leistungssport. von elke wittich

Der Houstoner Abgeordnete Al Edwards fühlt sich belästigt. Sehr belästigt, und deswegen brachte er nun ein Gesetz in das Parlament des US-Bundesstaates Texas ein. Er möchte nämlich das Cheerleaden stoppen, denn der Anblick sich verrenkender leicht bekleideter junger Frauen führt seiner Meinung nach wohl geradewegs dazu, dass sich Texas in eine Art Sodom und Gomorrha verwandelt.

In seinem Gesetz ist jedenfalls vorgesehen, dass Colleges und Highschools staatliche Mittel gestrichen werden, wenn ihre Cheerleaderinnen sich zu lasziv, oder was Edwards dafür hält, bewegen. »Viel zu sexuell orientiert, vor allem in der Art und Weise, wie sie ihre Hinterteile bewegen«, sei die Sportart derzeit, beklagt Edwards, verboten gehörten daher »allzu suggestive Ausfallschritte sowie Inside-Hitch-Pyramiden«. Das sind Formationen, bei denen zum Beispiel die Mädchen von den unter ihnen Stehenden auf einem Bein in die Höhe gestemmt werden, während sie das andere fast waagerecht abspreizen.

Ob Edwards’ Versuche Erfolg haben werden, ist jedoch sehr fraglich, denn das Cheerleaden gehört zu den absolut amerikanischen Sportarten.

Angefangen hatte es zunächst als reines Männervergnügen: In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts choreographierten so genannte Router Kings die Anfeuerungsrufe der Zuschauer. Diese Funktion galt als sehr angesehen, wie 1911 The Nation schrieb: »Das ist wahrscheinlich das Wertvollste, was ein Junge aus seiner College-Zeit mitnehmen kann – und kommt knapp hinter dem Verdienst, ein Quarterback gewesen zu sein.« Konnte jemand einen Einsatz als Router King nachweisen, durfte er damit rechnen, nach dem Abschluss schnell Karriere in irgendeiner renommierten Firma zu machen.

Während und nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen dann jedoch schrittweise die Frauen das Cheerleaden. Fast immer waren es die hübschesten und beliebtesten Mädchen, für die spätere berufliche Vorteile bei der Wahl ihres Hobbys jedoch nicht ausschlaggebend waren. »Ein neuer Typ, die zukünftige Hausfrau, das Ideal der fünfziger Jahre« – so beschreibt das US-Internet-Magazin Slate die jungen Frauen, die züchtig gewandet am Spielfeldrand ihre Turnübungen absolvierten. Die hatten mit den artistischen Darbietungen, die heute fester Bestandteil einer jeden Cheerleader-Show sind, kaum etwas zu tun.

Die heutige Sportart entstand erst im Jahr 1972, ironischerweise aus einem Frauen- und Mädchensportföderprogramm namens Title IX. In den Highschools und Colleges galt Cheerleaden in der Folge als hoffnungslos antiquiert, die jungen Frauen wollten lieber Fußball und Volleyball spielen.

Jeff Webb, ein ehemaliger Cheerleader der Universität von Oklahoma, übernahm es schließlich, das Anfeuern zu professionalisieren und vor allem zu athletisieren. Die schweren Kostüme wurden durch bewegungsfreundliche kurze Kleider ersetzt, die von ihm ausgearbeiteten, bald allgemein übernommenen Choreographien erforderten athletisches und turnerisches Spitzenkönnen. Mit entsprechenden Auswirkungen: Die Hälfte der zwischen 1982 und 2000 registrierten schweren Verletzungen bei Sportlerinnen entstanden beim Cheerleaden.

Mittlerweile jedoch gilt das Cheerleaden als Garant für eine Karriere. Die Frauen haben in der Regel bessere Noten als die Footballspieler ihres Teams, arbeiten zielstrebiger auf Abschlüsse und spätere Positionen hin – und knüpfen bei Galadiners und Presseterminen frühzeitig Kontakte zu den Teamsponsoren, meist großen Firmen. Der Journalist Bryan Curtis schrieb über die modernen Cheerleaderinnen: »Sie benutzen ihre Highkicks und die atemberaubend sexy wirkenden Outfits nur dazu, um ihre Wallstreet-Chuzpe dahinter zu verstecken.«

Und er fügte hinzu: »Dies ist eine Nachricht an den texanischen Abgeodneten: Die Cheerleaderin will dich nicht belästigen – sie will deinen Job!«