Die Reaktionen in der arabischen Welt

Größere Protestkundgebungen blieben aus

Die Reaktionen auf bin Ladens Tod fielen auch in muslimisch geprägten Ländern sehr unterschiedlich aus.

Wen immer man am Morgen danach in Irakisch-Kurdistan fragte, der zeigte sich erleichtert und erfreut über das gewaltsame Ende Osama bin Ladens. Sehr, sehr gut sei das, sagte etwa die Putzfrau Amira Said Jamal. Aber bald ging man wieder zur Tagesordnung über, kein Vergleich mit den überschwänglichen Reaktionen auf die Nachrichten über die Gefangennahme Saddam Husseins oder die Tötung des Terroristen Abu Musab al-Zarkawi. Bin Laden gehörte, selbst als er noch lebte, irgendwie schon einer anderen Zeit an, sein Name war lange nicht mehr so präsent und furchterregend wie noch vor einigen Jahren. Und das, obwohl nirgends auf der Welt so viele Menschen dem al-Qaida-Terror zum Opfer gefallen sind wie im Irak.

Die irakische Regierung begrüßte die Tötung des al-Qaida-Führers und erklärte, bin Laden, den man persönlich für die Tötung unzähliger Iraker und anderer Menschen verantwortlich mache, habe endlich sein verdientes Ende gefunden. Deutlicher noch wurde die schiitische Nachrichtenagentur Burathanews. »Fahr’ zur Hölle«, kommentierte sie. Die Menschheit sei »einen der übelsten Mörder ihrer Geschichte losgeworden«.
Obwohl al-Qaida enge Beziehungen zum Iran unterhält, hängt sie der antischiitischen Lehre des Wahhabismus an, die in Saudi-Arabien Staatsreligion ist. Dort, im Heimatland bin Ladens, schwieg die Regierung. Im benachbarten Jemen hingegen begrüßte die immer noch amtierende Regierung Ali Abdullah Salehs, ein enger Partner der USA im Kampf gegen das terroristische Netzwerk, den Tod bin Ladens ausdrücklich. Aus einigen Provinzen des Jemen, in denen al-Qaida sehr einflussreich ist, wird allerdings berichtet, dass Trauerfahnen aus den Fenstern unzähliger Häuser hingen.
Freudig wurde die Tötung bin Ladens dagegen im von Rebellen kontrollierten Ostlibyen aufgenommen. »Wir sind sehr glücklich über die Nachrichten und warten auf den nächsten Schritt. Wir möchten, dass die Amerikaner das Gleiche mit Gaddafi machen«, sagte ein Sprecher der Übergangsregierung.
Ein prägnantes Bild ihrer angeblichen Einigkeit nach dem in Kairo unterzeichneten Vertrag demonstrierten dagegen Fatah und Hamas. Während die Fatah das Ende bin Ladens als »gut für den Weltfrieden« begrüßte, zeigte sich Ismael Haniya, der Präsident des Gaza-Streifens, tief betroffen. Die Hamas verdamme die »Hinrichtung eines heiligen arabischen Kriegers«. Ähnlich reagierten andere, den radikalen Islamisten nahe stehende sunnitische Kleriker. Der Libanese Omar Bakri erklärte bin Laden zum Märtyrer und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, eine ganze Generation »neuer Gläubiger und Jihadisten« möge ihn sich zum Vorbild nehmen. Ein Imam der Jerusalemer al-Aqsa-Moschee beschimpfte die »westlichen Hunde, die sich über das Ende eines islamischen Löwen freuen«, und schwor Rache.

Etwas weniger drastisch drückte sich die Muslimbruderschaft in Ägypten aus, die medienwirksam betonte, sie lehne alle Formen der Gewalt ab. Man verurteile die Aktion und fordere die USA auf, ihre Truppen aus dem Irak und Afghanistan abzuziehen. Auf ihrer arabischen Internetseite betonte die Bruderschaft, sie halte den Kampf gegen Besatzung und Zionismus für legitim.
Auffällig allerdings war, dass, anders als in Pakistan oder Indonesien, in der arabischen Welt nirgends größere Protestkundgebungen oder Trauerfeierlichkeiten stattfanden. Schon in den vergangenen Jahren hatten Umfragen gezeigt, dass al-Qaida ständig an Beliebtheit verlor und immer weniger Menschen sich mit der Organisation identifizierten. Offenbar ist ein Islamismus, wie ihn die Muslimbrüder verkörpern, attraktiver. Zugleich wissen alle in der Region, Anhänger des Jihadismus ebenso wie dessen Gegner, dass bin Ladens Ende al-Qaida zwar geschwächt haben mag, der Terror im Namen Allahs aber weitergehen wird.