Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, im Gespräch über die antisemitischen Ausfälle der FPÖ

»Die FPÖ darf nicht normalisiert werden«

Seite 2 – »Vieles in der ­Gemeinde ist sehr positiv«
Interview Von

 

Das öffentliche Bekenntnis der FPÖ zum Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels ist neu. Von 2005 bis 2010 hat die FPÖ den israelischen Staat noch an jeder Stelle diffamiert. Im Dezember 2010 unterzeichnete die Partei in Israel die »Jerusalemer Erklärung«, in der sie sich zum jüdischen Staat und seiner Verteidigung bekennt. Seitdem versucht, die FPÖ, sich als »engen Verbündeten« Israels darzustellen.
Ja, und dann gibt es eine Abstimmung bei der UN-Generalversammlung in New York, in der Österreich de facto gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels gestimmt hat. Wenn es die FPÖ ernst meinen würde – was hat Österreich daran gehindert, zumindest bei der Uno neutral aufzutreten und sich zu enthalten, so wie das sechs andere EU-Mitglieder getan haben? Die FPÖ ist nicht glaubwürdig. Sie sagen etwas anderes als sie dann tun. Jetzt haben sie einmal die Verantwortung gehabt (die FPÖ stellt die parteifreie Außenministerin Karin Kneissl, Anm. d. Red.), und wieder geschieht nichts Positives in Sachen Israel. Die FPÖ versucht ihre ausgrenzende Politik zu machen und geht jetzt stärker auf Muslime los. Dann richten sie sich möglicherweise gegen die Roma und Sinti und dann wieder gegen die Juden. Die jüdische Gemeinde wird niemanden gutheißen, der Hetze gegen Menschen betreibt.

Das Bekenntnis zu Israel und dem Judentum scheint inzwischen für viele Rechtsaußen-Parteien in Westeuropa wichtig geworden zu sein, Stichwort »jüdisch-christliches Abendland«. Woran liegt das ihrer Meinung nach?
Der Begriff »christlich-jüdisches Abendland« mag auf den ersten Blick nett und wertschätzend wirken, immerhin gibt es schon seit mehr als 1 000 Jahren jüdisches Leben in Österreich und Juden prägten dieses Land und ihre Kultur. Aber wenn der Begriff nur dazu dient, andere auszuschließen, ist er ein Problem. Außerdem ist die christlich-jüdische Beziehung erst nach der Shoah positiv geworden. Über Jahrhunderte dominierte der christliche Hass auf Juden.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland steht historisch wie gegenwärtig vor ganz anderen Problemen als die IKG. Wie verhält es sich mit ­Solidarität und Unterstützung aus der deutschen Community?
Der Kontakt zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der jüdischen Gemeinde in Österreich ist sehr eng und gut. Ich habe in diesen Tagen mit Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats, gesprochen. Wir stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Sei es der muslimische und oft israelbezogene Antisemitismus oder das Erstarken rechtspopulistischer bis rechtsextremer Kräfte wie AfD oder FPÖ.

Was erwarten Sie sich in den kommenden fünf Jahren für die österreichischen Jüdinnen und Juden?
Auf der einen Seite haben wir eine Partei, die ÖVP, die sich mehrheitlich für jüdisches Leben in Österreich einsetzt. Auf der anderen Seite haben wir es mit der FPÖ zu tun und da gibt es aus den genannten Gründen keine Gesprächsbasis. Dazu kommt der steigende Antisemitismus, sei es von muslimischer Seite, sei es von rechter Seite. Dazu kommt noch der Terrorismus, der heute oder morgen überall stattfinden kann. Er richtet sich nicht nur gegen uns Juden, sondern gegen die gesamte europäische Bevölkerung. Und letztlich haben wir eine florierende jüdische Gemeinde in Österreich mit einer großen Infrastruktur. Wir haben Schulen, Synagogen, ein Elternheim, ein Berufsbildungszentrum und so weiter. Es gibt viel jüdische Kultur, Hunderte Veranstaltungen jedes Jahr. Vieles in der ­Gemeinde ist sehr positiv. Auf alles andere muss man genau schauen, Anti­semitismus bekämpfen und auch für Sicherheit sorgen.