Beach House verweigern sich mit ihrem Ablum »Dark Spring« der Sommerzeit

Ein Strandhaus auf der Milchstraße

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Nicht so Beach House, die am 14. Februar dieses Jahres den Seroto­ninhaushalt ihrer Fans gleich dreifach in Wallung brachten. Mit »Lemon Glow« gab es nicht nur einen neuen Song, sondern auch die Ankündigung eines neuen Albums und eines neuen Sounds, überrascht doch die erste Single durch Rauheit und eine Spur Imperfektion. Die dissonant und im Loop eingesetzten Synthesizer, die verzerrten Gitarrenakkorde und natürlich Victoria Legrands Gesang hypnotisieren. Dieser ist nicht so sehr exzeptionell angelegt, erhebt sich also sich nicht über Drums und Instrumentierung, sondern fügt sich ein in die eher ruhige Struktur des Songs.

Und auch das Herunter­pitchen der Stimme ist als Stilmittel bei Beach House relativ ungewohnt, doch ziemlich clever eingesetzt, da es die Sogwirkung des Liedes unterstützt. Das abrupte Ende markiert ebenfalls ein Novum, haben doch Beach House bislang eher zu Symmetrie im Songaufbau tendiert.

Für ihr nunmehr siebtes Album, das den Titel »7« trägt, haben sich Legrand und Scally eine Regel gesetzt: Jede Idee zulassen, egal, ob das im Studio Entstandene später auf der Bühne live wiedergegeben werden kann oder nicht. Während ihrer Studioarbeit vertrauten sie sich diesmal dem Produzenten Peter Kember aka Sonic Boom an. Dieser verstand es trefflichst, das Duo durch die fünf Minisessions im Aufnahmeraum zu leiten. Den elf Stücken hat Kember erfreulicherweise die penible Politur durch Effekte erspart. Die teilweise eingesetzten traditionellen Instrumente, wie etwa die Orgel, dürfen daher ihren zeitgeprägten Klang behalten.

Beach House selbst empfanden die Arbeit am aktuellen Album befreiend und wie Alex Scally in ­einem Interview zusammenfasst: »Endlich haben wir das Feuer entfacht, nachdem wir jahrelang wie Tiere auf Holzstöcke einhauten.«

»Dark Spring«, der Opener des Albums, ist denn auch Sinnbild dieser Entfesselung der Kräfte. Da wird mit einem furiosen Schlagzeugdonner in die Platte gestartet, der geläufig ist von einer Band wie Arcade Fire, aber weniger von Beach House. Auch die weiteren Songs des Albums sind stark vom Schlagzeugspiel geprägt. Dafür hat James Barone, der auch Tourdrummer der Band ist, gesorgt. Bei »Dive« läutet das Schlagzeug in der Liedmitte eine Wendung ein, welche die anfänglich somnambule Färbung des Songs umschlagen lässt.

Bei plötzlich treibendem Beat wird das Tempo angezogen, während Legrand in ihrem Sirenengesang fortfährt: »In eyes, lost in confusion / Golden hearts, left all illusion /
Is it my imagination / Shadow, flicker creation«. In »Black Car« schält sich das Schlagzeug im Verlauf des Songs sukzessive aus dem Hintergrund, wie ein Schauspieler, der auf der Bühne langsam nach vorn schreitet und in den Lichtkegel tritt.

In »Dark Spring« hingegen ist der Rhythmus sofort etabliert. Er wirkt wie ein Energiestrahl, an den der mehrstimmige Gesang Stück für Stück andockt, während Scally mit seinem flirrenden Shoegaze-Gitarrenspiel den Raum deutlich weitet. All das korrespondiert wunderbar mit dem Textgeschehen, das die Hörer ins Weltall versetzt, in direkte Nachbarschaft zu ablebenden Sternen und Orion: »Dark red light years / Brought near / Cold gone glowing / Night sing / Star death ringing / Brought fear / I want to lie in / They call Orion / The colors missing / Upon the dark spring«.

Die Zeilen lassen an die Erscheinung der sogenannten Roten Riesen denken: alte Sterne, die zwar von großer Ausdehnung und immenser Leuchtkraft sind, in Millionen Jahren als Weißer Zwerg oder Neutronenstern enden werden. Auch die Sonne ist auf Expansionskurs und wenn deren Transformationsprozess in die heiße Phase gerät, werden nicht nur Venus und Merkur von ihr verschluckt, sondern auch die Erde wird dran glauben müssen.

Unter den Vorzeichen von Vergänglichkeit erinnert das angedeutete Szenario einerseits an die Unwahrscheinlichkeit ewigen terrestrischen Fortlebens. Andererseits spielt Legrand hier mit der üblichen Vorstellung von Leben und Vergehen. Es sind beides eben keine distinkten Abläufe, sondern vielmehr Übergangs­phänomene, die sich gegenseitig überlagern und ineinander aufgehen, selbst wenn es so ist, wie es in »Dark Spring« am Ende heißt: »The worlds colliding / Unreal dividing / The colors missing / Upon the dark spring.« So nämlich der zukünftige Werdegang unserer Galaxie: Die Milchstraße wird in ein paar Milliarden Jahren mit der Andromeda-Galaxie kollidieren, exakter: fusionieren. Es wird sich demnach alles neu sortieren, von Negation kann also nicht die Rede sein. Das Universum bleibt ein Versprechen. Es wird ein Frühling kommen, wenn auch ein etwas düsterer.

»Wenn du ein Licht suchst, bewahre dir ein wenig Rauch«, sinniert Henri Michaux in seinem aphoristisch angelegten Werk »Eckpfosten«. Beach House haben sich bei der Arbeit an »7« anscheinend an diesem Gedanken orientiert. Kritiker, die in den letzten Jahren einen gewissen Leerlauf in den Arbeiten konstatierten, auf die allzu perfekte Gestaltung der Songs abhoben und eine Art Routine im Erschaffen wohlklingender, aber konfektionierter Pop-Perlen entdeckten, werden mit diesem Album milde gestimmt. Beach House bleiben Konstrukteure schwärmerischer Melodiebögen. Jedoch wirkt der Gebrauch der künstlerischen Mittel weniger konditioniert – Kompositionen sowie Sound sind brüchiger und Legrands Gesang weniger weihevoll. Gerade dies lädt zu einer Rezeption ein, die sich vom bloßen Schwelgen und Dahingleiten hin zu einem »aufhorchenden Hören« öffnet. Eines, das sich nicht im vorschnell verstehenden Hören erschöpft, sondern vielmehr ein stetes Ankommen bleibt. Und auch die lyrischen Einlassungen fordern zur ständigen Rückkehr, zum close reading auf, wenn Legrand songübergreifend Motive und Metaphern aufnimmt und sie weiterentwickelt.

 

Beach House: 7 (Sub Pop)