Small Talk mit dem Videojournalisten David Arakelian über die Novaya Gazeta Europe

»Wir sind hier in Sicherheit«

Eine der wichtigsten oppositionellen Zeitungen Russlands, die Nowaja Gaseta, hat nach der russischen Invasion in der Ukraine ihren Betrieb vorläufig eingestellt. Seit April bringt ein Teil der Redaktion in Riga die Novaya Gazeta Europe heraus. Die »Jungle World« sprach mit dem Videojournalisten David Arakelian.
Small Talk Von

Sie sind seit Juli in Riga, die Redaktion der Novaya Gazeta ­Europe hat hier im April eröffnet. Wie haben Sie sich seitdem eingelebt?

Ich kam mit einem humanitären Visum, was für uns Journalisten einfacher zu bekommen ist als etwa für Aktivisten. Es war am Anfang schwer, eine Wohnung zu finden, weil auch so viele andere Journalisten zur gleichen Zeit hier angekommen sind. Aber insgesamt habe ich mich hier gut eingewöhnt, die meisten Menschen sind freundlich und wir sind hier in Sicherheit. Das ist nicht so wie in Moskau, wo du nie weißt, ob du heil in der Redaktion ankommst oder nicht. Hier brauchen wir keine Security vor dem Eingang.

Hat sich die Zusammensetzung der Redaktion verändert?

Wir haben uns auf 50 Journalisten verkleinert und sehr verjüngt, das Durchschnittsalter beträgt 28. Die meisten älteren Journalisten sind in Moskau geblieben.

Was ist aus der alten Redaktion geworden?

In Moskau würde Nowaja Gaseta weiterhin in Gefahr schweben, als ausländischer Agent gebrandmarkt zu werden. Die älteren Journalisten, die in Moskau geblieben sind, geben jetzt unter der Chefredaktion von Dmitrij Muratow ein Journal namens No heraus. Es beleuchtet die indirekten Kriegsfolgen in Russland, weil es dort verboten ist, darüber aufzuklären, was tatsächlich in der Ukraine geschieht. Obwohl sie weder die russischen Streitkräfte erwähnen noch den Krieg beim Namen nennen, wurden sie von der russischen Medienaufsichtsbehörde vorvergangene Woche drei Mal abgemahnt. Russland zeigt, dass es den Journalismus nicht mehr haben will.

Wie schwer ist es ­derzeit für euch, hier in Riga an Informa­tionen aus Russland zu kommen?

Wir haben anonyme Quellen, aber auch einige Journalisten wie ­Irina Tumakowa, die sich weiterhin in Russland befinden und furchtlos unter Klarnamen berichten.

Wie finanziert ihr euch?

Vor allem über Fundraising, wir nehmen Spenden in Kryptowährungen und Euro entgegen. Außerdem haben wir Fördermittel zur Eröffnung unserer Redaktion erhalten. Wenn jemand in Rubel spenden möchte, bitten wir, die Gelder an die alte Redaktion weiterzuleiten.

Seit es Novaya Gazeta Europe gibt, gebt ihr eure Zeitung in mehreren Sprachen heraus – welche sind das und in welchen Ländern wird sie gelesen?

Uns schauen und lesen Menschen in Großbritannien, dem Baltikum, Tschechien, Spanien, Frankreich und Deutschland. Unsere letzte Papierausgabe gaben wir am 9. Mai heraus, hier in Riga auch auf Lettisch. Online erscheinen täglich Artikel auf unserer Website in mehreren Sprachen. Die Zusammensetzung unserer Leserschaft hat sich nicht großartig verändert. Allein die Zahl unserer älteren Leserschaft ist ein bisschen gesunken, weil unsere Seite in Russland blockiert ist und sie Probleme haben, sich ein VPN zu installieren. Die russischsprachige Leserschaft im Baltikum liest eher Nowaja Gaseta Baltija, das ist jedoch eine von uns vollkommen unabhän­gige Redaktion, mit der wir nur manchmal zusammenarbeiten.