Die US-Börsenaufsicht will Krypto­währungen regulieren

Kryptische Geschäfte

Die US-Börsenaufsicht SEC geht gegen Kryptobörsen vor. Die Branche soll reguliert werden, um das Finanzsystem gegen Pleiten und Betrug abzusichern.

In der Krypto-Branche herrscht Aufregung. Bislang konnte man dort nach Belieben Geschäfte machen, und Kryptowährungen galten als eine der vielversprechendsten technischen Innovationen; man sprach ihnen sogar das Potential zu, den gesamten Finanzmarkt neu zu definieren. Doch immer wieder wurde das ambitionierte Selbstverständnis der Branche durch Pleiten und Skandale erschüttert. Seit die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) rigoros gegen Krypto-Unternehmen vorgeht, sind die weltgrößte Kryptobörse Binance und andere Firmen in ihrer Existenz bedroht.

Die Börsenaufsicht beantragte Anfang Juni bei einem Bundesgericht eine einstweilige Verfügung, um die US-Vermögenswerte von Binance einfrieren zu lassen. Die SEC wirft der Börse unter anderem vor, das Handelsvolumen künstlich aufgebläht, Kundengelder abgezweigt und Anleger getäuscht zu haben. Außerdem habe Binance US-Wertpapiergesetze umgangen. Wenige Tage später verklagte die Behörde auch die Online-Handelsplattform Coinbase. Vor einem Bundesgericht in Manhattan warf sie dem Unternehmen vor, illegal tätig zu sein, weil sie sich nicht bei der Aufsichtsbehörde registriert habe.

Dem Branchendienst Cryptocompare zufolge hat die 2017 gegründete Kryptobörse Binance im vergangenen Jahr Transaktionen im Volumen von 23 Billionen US-Dollar abgewickelt. Sie wurde 2017 in Shanghai von Changpeng Zhao gegründet, einem kanadischen Staatsbürger, der in China aufgewachsen ist. Während sich die Holding-Gesellschaft auf den Cayman Islands befindet, hat Binance keinen Hauptsitz beziehungsweise weigert sich, diesen anzugeben. Binance bezeichnet die Anschuldigungen der SEC als unbegründet.

Die gesamte Unternehmensstruktur ist derart undurchsichtig, dass die SEC Schwierigkeiten hat, die Klageschrift überhaupt zuzustellen. Weil es unklar sei, wo sich der Binance-Vorsitzende aufhält und wo die Kryptobörse ansässig ist, hat die SEC nun »alternative Zustellungswege« bei einem US-Bundesgericht beantragt. Der Klageschrift zufolge war die SEC bislang auch nicht in der Lage, den vollen Umfang des Vermögens der Beklagten, den genauen Verbleib der Anlegergelder, den Status und den Standort weiterer Vermögenswerte zu ermitteln.

Solche Herausforderungen ist die Behörde allerdings schon gewohnt. Als »Wilden Westen« und »Truppe von Kasinobetreibern« bezeichnete der Vorsitzende der SEC, Gary Gensler, die Krypto-Branche. Seit den Anschuldigungen der US-Behörde ist der Wert von Binance um fast 80 Prozent gesunken, wie Daten der Analysefirma Kaiko belegen. Der Aktienkurs von Coinbase brach um 20 Prozent ein.

Seit Jahren versuchen die US-Aufsichtsbehörden, die Branche stärker zu regulieren. Die Schwierigkeiten beginnen bereits mit der Frage, um was es sich dabei eigentlich handelt: Sind Kryptowährungen ein Zahlungsmittel, eine Art von Wertpapieren oder eine andere Anlageform? Den Behörden fiel es lange schwer, eine Antwort darauf zu finden. Sie ist jedoch wichtig, um zu klären, welche Aufsichtsbehörde zuständig ist.

Nachdem die Kryptobörse FTX im vergangenen Jahr zusammengebrochen war, wurden die Forderungen lauter, die Branche stärker zu regulieren. Dem FTX-Gründer Sam Bankman-Fried wird unter anderem vorgeworfen, rund zehn Milliarden US-Dollar unterschlagen zu haben. Und die Pleite von FTX war nicht die einzige Hiobsbotschaft für die Branche: Im Mai 2022 brach die Kryptowährung Terra zusammen und löschte Anlegervermögen in Höhe von rund 50 Milliarden Dollar aus. Nur zwei Monate später meldete die Krypto-Plattform Celsius Network, die Kredite in Kryptowährungen vergeben hatte, Insolvenz an.

Der Druck auf die Regulierungsbehörden erhöhte sich noch durch die Pleiten mehrerer US-Regionalbanken in diesem Frühjahr, die mit Kryptowährungen gehandelt hatten. Der drittgrößte Kollaps einer US-Bank seit der Weltfinanzkrise 2007 / 2008 traf die Signature Bank. Diese hatte in großem Umfang Gelder von Kunden aus dem Krypto-Markt verwaltet, etwa 25 Prozent ihrer Einlagen stammten aus diesem Sektor. Kurz zuvor hatte mit Silvergate Capital die größte Bank für Krypto-Dienstleistungen schließen müssen. Sie hatte ein eigenes Echtzeitzahlungssystem etabliert, in dem Kryptowährungen und staatliche Leitwährungen wie den US-Dollar oder Euro ineinander getauscht wurden; der Zusammenbruch von FTX ruinierte das Institut. Und auch die mittlerweile insolvente Silicon Valley Bank, die innerhalb weniger Jahre zu einer der größten US-Banken aufgestiegen war, hatte enge Verbindungen zur Krypto-Branche.

Die Regulierungsanstrengungen werden in den USA auch kritisiert. Als Reaktion auf die Maßnahmen der Börsenaufsicht haben republikanische Senatoren die Behörde scharf angegriffen.

Im Vergleich zu den Umsätzen im traditionellen Finanzsektor ist der Umsatz auf dem Markt von Kryptowährungen immer noch überschaubar – doch er ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Damit wachsen auch die Sorgen, dass die extreme Volatilität der Krypto-Branche den Bankensektor dauerhaft destabilisieren könnte.
Die Regulierungsanstrengungen werde jedoch auch kritisiert. Als Reaktion auf die Maßnahmen der SEC haben republikanische Senatoren die Behörde scharf angegriffen. So behauptete der der Krypto-Branche gewogene US-Senator Tom Emmer aus Minnesota, dass Gary Genslers Vorgehen »die Innovation in die Hände eines kommunistischen Landes« – Chinas – treibe. Auch die republikanische Senatorin Cynthia Lummis aus Wyoming, eine Bitcoin-Befürworterin und Investorin, kritisierte die Regulierungsbemühungen der US-Behörden, und Warren Davidson, republikanischer Abgeordneter des Repräsentantenhauses, bezeichnete Gensler als »tyrannischen Vorsitzenden, vor dem die Kapitalmärkte der USA beschützt werden müssen«.

Aus der Gruppe von Politikern, die sich für ein Weiter-so bei den Kryptowährungen einsetzen, sticht Ted Cruz hervor. Der republikanische Senator aus Texas wirbt damit, selbst regelmäßig Bitcoins zu erwerben. Anfang des Jahres schlug er zudem vor, in der Kantine des US-Kapitols Kryptowährungen als Zahlungsmittel zu erlauben.
Seine PR-Aktion für Kryptowährungen diente auch dazu, Stimmung gegen die US-Regierung zu schüren. »Eine der Attraktionen von Bitcoin ist die Absicherung gegen die Inflation, vor allem wenn man unverantwortliche Politiker in Washington hat, die Geld ausgeben wie betrunkene Matrosen«, sagte Cruz. Bitcoins seien weniger »anfällig für staatliche Kontrolle« und könnten als »wichtige Kontrolle« gegen die Verschwendung von Steuergeld dienen.

Cruz folgt damit der bei Krypto-Anhängern beliebten Theorie des Monetarismus. Weil die maximale Menge an Bitcoins technisch auf 21 Millionen begrenzt ist, sei diese Kryptowährung ein probates Mittel, um eine Inflation auszuschließen. Die Bitcoin-Community versucht daher, sie als Alternative zum von den Zentralbanken in Umlauf gebrachten Geld anzupreisen, das unweigerlich an Wert verliere. Der Bitcoin-Hype setzte zu einem Zeitpunkt ein, als die Zentralbanken die Märkte mit billigem Geld geradezu überfluteten. Seit der sogenannten Zinswende bricht der Kurs der Kryptowährungen wieder ein.

Überzeugte Anhänger der Kryptowährungen wähnen sich bereits in einem epischen Kampf, der die monetäre Freiheit gegen finstere Regulierungsbehörden verteidigt. Charles Hoskinson, ein Mitgründer der Kryptowährung Ethereum, sieht die jüngsten Maßnahmen der SEC als Teil einer koordinierten Kampagne von Aufsichtsbehörden, um »Krypto-Unternehmen aus dem Finanzsystem zu vertreiben«. Seiner Ansicht nach finde ein »Krieg gegen Krypto« statt.

Hoskinson glaubt, dass die geplanten Regulierungsmaßnahmen die USA, die in erster Linie das Ziel verfolgen, nur noch zertifizierten Banken und Finanzdienstleistern das Führen und Handeln mit Krypto-Depots zu erlauben, in eine finstere Zukunft führen könnten. Daher müsse die Krypto-Industrie geschlossen gegen die Regulierungsbehörden vorgehen. »Es scheint, dass dieses Ereignis eine perfekte Gelegenheit für die gesamte Branche ist, ihre Zersplitterung aufzugeben«, twitterte er Anfang Juni; man müsse »die Vereinigten Staaten davor bewahren können, in eine Dystopie abzugleiten, die ›1984‹ wie einen Urlaub aussehen lassen würde«.

Vielleicht aber steht die große Zeit der Kryptowährungen erst noch bevor – und eine Regulierung, die das Abenteurertum bremst und das Verlustrisiko mindert, könnte dabei hilfreich sein. Blackrock, der größte Vermögensverwalter der Welt, hat vergangene Woche einen Antrag für einen Bitcoin-ETF (exchange-traded fund, deutsch: börsengehandelter Fonds) bei der SEC eingereicht. Wenn das Produkt zugelassen werden sollte, würde es Anlegern einen einfachen Zugang zu Kryptowährungen ermöglichen. Die Verbindung zum traditionellen Finanzmarkt wäre dann kaum mehr zu aufzuhalten.

Das weiß auch der Internationale Währungsfonds (IWF), der an einer Plattform für digitales Zentralbankgeld arbeitet. Die Zentralbanken sollten sich demnach auf einen gemeinsamen Regulierungsrahmen für digitale Währungen einigen, um eine globale Verfügbarkeit zu ermöglichen, sagte die IWF-Geschäftsführerin Kristalina Georgiewa vergangene Woche. Wenn keine gemeinsame Plattform zustande käme, entstünde ein Vakuum, das wahrscheinlich durch Kryptowährungen gefüllt werden würde, warnte sie. In den vergangenen Tagen stieg der Bitcoin-Kurs wieder um über zwölf Prozent.