René Pollesch gibt dem Verwandlungskünstler Fantômas ein neues Gesicht

Jodeln gegen Jesus

Popkolumne. »Fantômas« und Patti Smith in Berlin, Country auf Arte.
Die Summens Von

»Jesus died for somebody’s sins but not mine … « Beruhigend, diese Zeile neulich wieder einmal um die Ohren geschmettert zu bekommen, beim Konzert des Patti Smith Quartet in Berlin. Im ausverkauften Pierre-Boulez-Saal begeisterte die 76jährige Musikerin und Dichterin erneut mit ihrer ungebrochenen Power. Sogar diejenigen, die wie gewohnt in Frack und Gehrock in dem feierlichen Konzertsaal erschienen, erhoben sich spätestens bei »Dancing Barefoot« hüftschwingend von den Sitzen.

Das lag unter anderem auch an dem phänomenalen Schlagzeugspiel des Ex-Bandleaders von Polar Bear, Seb Rochford, der die Leute von ihren gepolsterten Hockern riss. Das 2020 erschienene psychedelischen Doom-Jazz-Album seiner neuen Kombo Pulled By Magnets, aufgenommen in den Grabräumen einer Kirche im Nordosten Londons, sei hiermit wärmstens empfohlen.

In einem nach allen Seiten offenen Geheimquartier spielt René Polleschs Inszenierung von »Fantômas« an der Berliner Volksbühne. Wie man denn da im Geheimen leben solle, fragt sich Kathrin Angerer, die hinreißend eine KGB-Agentin spielt, welche alles andere als auf den Mund gefallen ist. Alles dreht sich anspielungsüberbordend, teilweise aber leider auch recht ermüdend um den skrupelloser Meisterverbrecher und Verwandlungskünstler Fantômas.

Nicht ohne Grund ist es gerade die an Berliner Tresen meistgestellte Frage der vergangenen Wochen: »Hast du die Country-Doku schon gesehen?« Wer bei Harry Smiths »Anthology of American Folk Music« geschwänzt hat, kann bei der neunteiligen Arte-Dokumentation »Country Music« nochmal die Geschichte der Americana nachholen.

Allerdings kann man einfach nicht die Augen von Martin Wuttke als durchgeknalltem FBI-Mann lassen. Ständig fuchtelt er fahrig mit einer Browning in der Hand herum und am Höhepunkt des Abends legt er eine dermaßen komische Slapstick-Einlage hin, dass man sich den Bauch halten muss vor Lachen. Auch köstlich: Wie Angerer von einer Studioaufnahme in Nashville phantasiert. Sollte man sich nicht entgehen lassen.

Speaking of Nashville: Nicht ohne Grund ist es gerade die an Berliner Tresen meistgestellte Frage der vergangenen Wochen: »Hast du die Country-Doku schon gesehen?« Wer bei Harry Smiths »Anthology of American Folk Music« geschwänzt hat, kann bei der neunteiligen Arte-Dokumentation »Country Music« nochmal die Geschichte der Americana nachholen.

Auch wenn der Schwerpunkt auf dem Country-Business liegt, sollte nach dieser sehenswerten Doku endlich jeder begriffen haben, dass es Country ohne Blues nicht gäbe und was das Jodeln aus den europäischen Alpen mit alldem zu tun hat. Oder gar die Werbeveranstaltung eines Versicherungsunternehmens mit der Karriere von berühmten Country-Stars. Und Jesus ist selbstverständlich auch mit von der Partie. Für wessen Sünden auch immer.