Die Weltklimakonferenz COP 28 hat nur dürftige Ergebnisse gebracht

Schall und Rauch

Fast 200 Länder haben sich beim Klimagipfel COP 28 auf ein Abkommen geeinigt, das zum ersten Mal – allerdings nur vage – eine »Abkehr« von fossilen Brennstoffen anstrebt. Dem Tempo der Erderwärmung sind die Beschlüsse allerdings keineswegs angemessen.

Die internationalen Klima- und Umweltkonferenzen laufen stets nach dem gleichen Schema ab: Vorher schüren Politiker:innen und Journalist:innen große Erwartungen, am Ende wird eine klimapolitisch unzureichende Abschlusserklärung als Erfolg, Kompromiss oder erster Schritt gefeiert. Die UN-Klimakonferenz COP 28 vom 30. November bis 13. Dezember in Dubai drohte sogar daran zu scheitern; kurzzeitig sah es so aus, als würden sich die Staaten nicht einmal auf unverbindliche Ankündigungen einigen können. Dabei verschärft sich die Klimakrise weiter, der Ausstoß an Treibhausgasen erreicht neue Rekordwerte.

Kaum hatte die Konferenz begonnen, feierten die Medien es schon als großen Erfolg, dass sich die 197 vertretenen Staaten am ersten Tag der COP 28 auf Regeln für einen Fonds einigten, der ärmeren Ländern helfen soll, durch den Klimawandel bedingte Schäden und Verluste zu bewältigen. Fünf Staaten sowie die Europäische Union versprachen, insgesamt rund 377 Millionen Euro freiwillig einzuzahlen, darunter Deutschland und die gastgebenden Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die je etwa 92 Millionen Euro versprachen. Zum Vergleich: Der Versicherungsschaden aufgrund der Überflutung im deutschen Ahrtal im Juli 2021 beläuft sich auf etwa 8,4 Milliarden Euro; im Bundeshaushalt waren 2023 rund 12,7 Milliarden allein für Erhalt und Ausbau von Bundesfernstraßen vorgesehen.

Die VAE kündigten außerdem einen Investmentfonds für Entwicklungsländer an. Zusammen mit privaten Investoren wollen die Emirate bis 2030 bis zu 230 Milliarden Euro für Projekte zur Energiewende, zur Emissionsreduktion industrieller Prozesse sowie für neue Klimaschutztechnologien aufbringen – das wäre ein Konjunkturprogramm fürs Kapital, derzeit beträgt das angekündigte Volumen des Fonds 30 Milliarden Euro. Die USA, Großbritannien, Frankreich, Japan, Kanada, die VAE und 16 weitere Staaten forderten in einem Aufruf an die COP 28, die Energieerzeugung aus Atomkraftwerken bis 2050 zu verdreifachen, um Klimaneutralität zu erreichen.

Ein Netto-null-Ausstoß von Kohlen­dioxid bis 2050 wird zwar in Aussicht gestellt, was aber nicht heißt, dass es keine Emissionen durch fossile Brennstoffe mehr geben darf.

Der Leiter der COP 28, Sultan Ahmed al-Jaber, ist Minister für Industrie und Fortschrittstechnologie der VAE und Geschäftsführer des staatlichen Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil Company. Bereits im Frühjahr forderten NGOs und Politiker:innen seinen Rücktritt. Sie verwiesen darauf, dass der Konzern seine ohnehin enorme Ölproduktion in den kommenden Jahren um 7,6 Millionen Barrel erhöhen wolle.

Al-Jaber sorgte denn auch für Aufregung, weil sein Entwurf für das Abschlussdokument nicht einmal niedrige Erwartungen erfüllt hätte. Ein Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger wurde darin nicht erwähnt, lediglich eine Reduzierung derselben und weitergehende Maßnahmen als freiwillige Option. Selbst der starke Ausbau erneuerbarer Energien fehlte, den alle Staaten unterstützen. Die Konferenz drohte zu scheitern und wurde verlängert.

Ausgehandelt wurde daraufhin ein Papier, das nach Rettung in letzter Minute aussieht. Al-Jaber gab den Sündenbock, damit andere sich als Klimaretter aufspielen und so tun konnten, als sei am Ende wirklich etwas Substantielles erreicht worden. Die deutsche Außenministerin soll zu Tränen gerührt gewesen sein: Ihr falle ein »Riesenstein vom Herzen«, ließ Annalena Baerbock (Die Grünen) verlauten. Den Beschluss der Weltklimakonferenz bezeichnete sie als »Anfang für ein Ende« der fossilen Energien.

Diese werden in dem – unverbindlich gehaltenen – Abschlusspapier als Treiber der Klimakrise benannt – erstmals nach fast 30 Jahren Klimadiplomatie. Dass die gern beschworene »internationale Staatengemeinschaft« derart lange dafür brauchte, zeigt die tiefgreifende Problematik solcher Konferenzen, bei denen ungeachtet gegensätzlicher Interessen ein Konsens erzielt werden muss.

In den USA und der EU sinken die Treibhausgasemissionen zwar, sie steigen aber in China und Indien, was auch damit zusammenhängt, dass europäisches und US-amerikanisches Kapital die Produktion ins Ausland verlagert.

Lediglich von einer »Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energie­systemen« ist nun die Rede, man wolle schneller darauf hinarbeiten »den Gebrauch von Kohle herunterzufahren«. Ein Netto-null-Ausstoß an Kohlendioxid bis 2050 wird zwar in Aussicht gestellt, was aber nicht heißt, dass es keine Emissionen durch fossile Brennstoffe mehr geben darf. Vielmehr setzt man Hoffnungen in Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2, bei denen höchst fraglich ist, ob sie sicher und umweltfreundlich sind sowie in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen werden.

Außerdem wollen die Staaten bis 2030 ihre Kapazitäten an erneuerbaren Energien verdreifachen, die Atomkraft soll ausgebaut und die Energieeffizienz doppelt so schnell gesteigert werden wie bisher – ob Letzteres möglich ist, sei dahingestellt. Diese Punkte vertragen sich mit dem Ziel, dem Staaten jenseits diplomatischer Floskeln verpflichtet sind, der maximalen Verwertung ihrer nationalen Kapitale: Energie effizienter zu nutzen, bedeutet, dass die Kosten des fixen Kapitals von Unternehmen sinken.

Sollte es gelingen, diese Ziele zu erreichen, geht das trotzdem einher mit weiterem Wirtschaftswachstum, mit steigendem Verbrauch von Energie, Rohstoffen und Flächen. Die Internationale Energieagentur registriert regelmäßig, dass der Verbrauch sowohl von erneuerbaren als auch von fossilen Energien immer weiter steigt –und damit der CO2-Ausstoß. In den USA und der EU sinken die Treibhausgasemissionen zwar, sie steigen aber in China und Indien, was auch damit zusammenhängt, dass europäisches und US-amerikanisches Kapital die Produktion ins Ausland verlagert. Beispielsweise stammt der Ramsch, der weltweit als Weihnachtsdekoration fungiert, zu mehr als 80 Prozent aus China.

Auch erneuerbare Energien sind nicht umweltschonend. Wie Elektroautos und Digitalisierung benötigen die entsprechenden Anlagen Metalle. Deren Abbau zerstört Landschaften, Wälder werden dafür abgeholzt, Trinkwasserreservoirs vergiftet und Menschen von ihrem Land vertrieben. Atomkraft wiederum wird nur rentabel mit hohen staatlichen Subventionen, zudem bestrahlen die Anlagen schon im Normalbetrieb Mensch und Umwelt radioaktiv. Der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (Pik), Ottmar Edenhofer, weist darauf hin, dass die Preise für Kohle, Gas und Erdöl sinken, wenn das Angebot an erneuerbaren Energien steigt, was wiederum die Nachfrage nach fossiler Energie hochtreibt.

Ärmere Staaten bekommen keinen Anspruch auf zusätzliche Hilfe von den reichen Ländern, die seit Beginn der Industrialisierung die meisten Treib­hausgase emittiert haben. Finanzfragen vertagten die Staaten auf die nächste Konferenz, die in Aserbaidschan stattfinden wird, einem autoritär regierten Staat, der wie Dubai von Öl- und Gasexporten lebt.

Der bewohnbare Teil der Erdoberfläche werde bis zum Ende des Jahrhunderts so schrumpfen, dass knapp drei Milliarden Menschen fliehen müssten, warnte der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber.

In seiner abschließenden Stellungnahme sagte al-Jaber vage, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens von 2015 sei »in Reichweite«. Realistischerweise ist ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau nicht mehr zu verhindern. 2023 ist dem EU-Klimadienst Copernicus zu­folge wahrscheinlich das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, durchschnittlich hat sich die Erde seit der Industrialisierung bereits um fast 1,2 Grad erwärmt.

Der Pik-Gründer und prominenteste deutsche Klimaforscher, Hans Joachim Schellnhuber, hatte zuvor pro­gnostiziert, dass sich die Erde bis 2100 um 2,7 Grad erwärmen werde, vorausgesetzt, die Regierungen erfüllen ihre Versprechungen und verwirklichen alle Klimaschutzmaßnahmen, die bisher beschlossen wurden – was nicht geschehen wird, wie es die deutsche Bun­desregierung derzeit wieder einmal demonstriert. Der bewohnbare Teil der Erdoberfläche werde bis zum Ende des Jahrhunderts so schrumpfen, dass knapp drei Milliarden Menschen fliehen müssten, warnte Schellnhuber.

Bereits vor der COP 28 hatte das NGO-Bündnis Kick Big Polluters Out, an dem Greenpeace und Transparency International beteiligt sind, gerügt, dass knapp 2.500 Lobbyist:innen für Kohle, Öl und Gas offiziell als Teilnehmer:in­nen registriert waren, was bei insgesamt rund 70.000 bei der COP 28 anwesenden Personen einem Anteil von etwa 3,5 Prozent entspricht. Aber selbst wenn alle ausgeschlossen worden ­wären, wie einige NGOs forderten, hätte das nichts daran geändert, dass die Interessen der entsprechenden Kapitalfraktionen berücksichtigt und Kompromisse gemacht werden. So wird es dabei bleiben, dass weite Teile der Erde in nicht allzu ferner Zukunft kaum mehr bewohnbar sein werden, was Milliarden von Leben hauptsächlich der ärmeren Bevölkerung bedroht.