Bei der derzeit stattfindenden Ultim Challenge müssen die Weltumsegler UFOs ausweichen

Kollisionsrennen auf dem Meer

Bei ihrer derzeit laufenden Segelregatta um die Welt sind die riesigen Ultim-Trimarane vor allem von Ufos gefährdet.

Mit wehender Gischt jagen sie durch die Weiten der Ozeane, vorangetrieben allein von der Kraft des Winds: Die Trimarane der Ultim-Klasse sind das Spektakulärste, was der Segelsport derzeit zu bieten hat. Am 7.Januar stachen sechs von ihnen vor der Bretagne in See, um im Rahmen der erstmals ausgetragenen Hochseeregatta Ultim Challenge nonstop die Welt zu umrunden.

Bereits die schieren Maße der Ultim-Trimarane sind beeindruckend. Sie sind fast doppelt so groß wie ein Tennisplatz: Die Rümpfe sind bis zu 32 Meter lang, die Breite beträgt bis zu 23 Meter. Auf den die Segel bedienenden Leinen und anderen Komponenten lasten riesige Kräfte, die den Seglern körperlich alles abverlangen.

Eigentlich müssten diese Boliden von mindestens zehnköpfigen Mannschaften bewegt werden, doch insbesondere der französischen Hochseesegelszene können die Herausforderungen nicht groß genug sein. Bei der diesjährigen Ultim Challenge sind ausschließlich französische Segler dabei – und sie alle segeln ganz allein um die Welt. In Frankreich sind die Offshore-Segler medienbekannte Sporthelden und werden von einer riesigen Fanszene verehrt, anders als ins Deutschland, wo alleine der Hochseeregattasegler Boris Herrmann eine gewisse Prominenz erlangt hat.

Die Weltmeere mit ihren bis zu zehn Meter hohen Wellenbergen stellen eine Buckelpiste dar, die selbst auf solch großen Booten atemberaubend ist.

Die Ultim-Klasse besteht erst seit 2018. Im Gegensatz zu Einrumpf-Hochseejachten haben die aus einem Mittelrumpf und zwei Seitenrümpfen bestehenden Trimarane kein Kielgewicht, um dem seitlichem Winddruck standzuhalten und ein Umkippen zu verhindern. Das spart Gewicht und bringt Geschwindigkeit. Doch wenn ein Trimaran in Sturmböen kentert, richtet er sich nicht von selbst auf und ist, wenn überhaupt, nur noch unter größten Anstrengungen zu bergen.

Dementsprechend vorsichtig müssen die Segler ihre Boote trimmen: Wer bei starkem Wind und hoher Welle zu hart pusht, riskiert die Zerstörung. Die Segler sind daher während der gesamten Weltumseglung ständig im Alarmmodus. Mehr als eine Viertelstunde Schlaf am Stück ist selten drin. Zwar sind die Trimarane mit allerlei technischen Hilfsmitteln ausgestattet, darunter Autopiloten, Lastsensoren, zentrale Bedienhy­draulik und ausgetüftelte Analyse-Software. Im Grenzbereich liegt die Entscheidung aber beim Segler, ob er die Segel refft – also deren Fläche verkleinert – und damit die Triebkraft seines Boots verringert.

Doch all das reicht den rekordsüchtigen Seglern noch nicht. Die neuesten Trimarane sind daher mit Foils ausgerüstet. Das sind ins Wasser ragende Tragflächen, mit denen die Boote sich ab einer gewissen Geschwindigkeit aus dem Wasser heben und dann losrasen, als habe jemand einen unsichtbaren Nachbrenner gezündet. Die Foiler-Trimarane erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 40 Knoten (fast 80 Kilometer pro Stunde). Landratten mag das nicht sonderlich beeindrucken, aber die Weltmeere mit ihren bis zu zehn Meter hohen Wellenbergen stellen eine Buckelpiste dar, die selbst auf solch großen Booten atemberaubend ist.

Bei der Ultim Challenge geht es nicht nur darum, wer als Erster im Ziel ankommt, sondern auch um die Jules-Verne-Trophäe für die schnellste Weltumseglung. Während Vernes Romanheld Phileas Fogg in 80 Tagen um die Welt reisen wollte und dabei um fünf Minuten scheiterte, streben die Ultim-Segler an, es in 40 Tagen zu schaffen. Der bisherige Weltrekord mit Segelgefährt, ebenfalls ein Trimaran, steht bei 40 Tagen und 23 Stunden.

Es ist keineswegs sicher, dass die sechs teilnehmenden Segler halbwegs unversehrt im Ziel ankommen. Eine große unkalkulierbare Gefahr droht ihnen ständig durch Ufos. Damit sind in der maritimen Fachsprache nicht unidentifizierte Flugobjekte gemeint, sondern unidentified floating objects, also mehr oder minder harte Gegenstände, die im Wasser treiben.

Selbst mit speziellen Kameras und anderen Ortungssystemen lassen sich diese oft nur wenige Zentimeter über die Wasseroberfläche hinausragenden Hindernisse kaum rechtzeitig ausmachen, um ihnen ausweichen zu können. Wenn die Trimarane auf ein Ufo treffen, entstehen fast immer schwere Schäden. Vor allem die meterlangen Foils sind schnell irreparabel defekt, was nicht nur die Geschwindigkeit der Boote beeinträchtigt, sondern auch zu gefährlichem Wassereinbruch führen kann.

Was Skeptiker bereits vor der Ultim Challenge prognostizierten, traf denn auch prompt ein: Sie geriet zu einem Demolition Derby auf hoher See.

Was Skeptiker bereits vor der Ultim Challenge prognostizierten, traf denn auch prompt ein: Sie geriet zu einem Demolition Derby auf hoher See. Noch in der ersten Rennhälfte kollidierte Tom Laperches Trimaran mit einem Ufo, er musste Kapstadt als Nothafen anlaufen. Wenige Tage später folgte Anthony Marchand, dann Éric Péron. Ob sie ihre Boote in Kapstadt so flott bekommen, dass sie das Rennen wieder halbwegs konkurrenzfähig aufnehmen können, ist ungewiss. Derweil fährt der mit großem Abstand führende Charles Caudrelier ein einsames Rennen gegen die Uhr. Falls er kein Ufo trifft und auch sonst alles gutgeht, wird er Mitte Februar im Ziel vor Brest eintreffen. Das ist jedoch der Haken an der Sache: Dass hauptsächlich Glück oder Pech bei der Kollisionslotterie über die Platzierung entscheidet, schränkt den sportlichen Wert der Ultim Challenge erheblich ein.

Viele Regattasegler machen im Meer treibende Container für Kollisionen verantwortlich. In der Tat verlieren Container-Frachtschiffe regelmäßig bei Stürmen oder bei mangelnder Sicherung einen Teil ihrer Ladung. Bei einem besonders eklatanten Fall wurden im Jahr 2013 beim Auseinanderbrechen des Schiffs »MOL Comfort« über 4.000 Container ins Arabische Meer gespült.

Fachleute schätzen die Gefahr durch Container jedoch als eher gering ein. Holger Flindt vom Wassersportversicherer Pantaenius meint, es komme »äußerst selten« vor, dass Container an der Wasseroberfläche treiben, die meisten gingen sofort unter. Die Zahl der über Bord gegangenen Container ist dank des gewachsenen Problembewusstseins stark zurückgegangen, 2022 waren es nach Angaben des World Shipping Council nur noch 661. Größere Kollisionsgefahr geht von dem in den Weltmeeren treibenden Müll aus. Dazu zählen nicht nur die verbreiteten quadratkilometergroßen Plastikteppiche, sondern auch unzählige verlorengegangene Paletten, Fischerbojen oder Wrackteile.

Wenn Segler auf die Umweltbelastung durch die die kommerzielle Schifffahrt und die daraus resultierende Kollisionsgefahr aufmerksam machen, ist das nicht unberechtigt. Doch das droht den Blick zu verstellen auf eine andere Problematik, an der die Regattasegler keineswegs unbeteiligt sind: Die französische Sektion der Meeresschutzorganisation Sea Shepherd schrieb anlässlich der Ultim Challenge unter Berufung auf den Forscher Philippe Dorsa, dass bei 99 Prozent der Kollisionen mit Ufos Lebewesen getroffen werden.

Das Online-Magazin Segelreporter zitiert einen Sprecher von Sea Shepherd: »Bei Wettfahrten sind in die Kollisionen mit Ufos mehrheitlich Wale verwickelt. Wir sind ziemlich sicher, dass bei der Atlantikregatta Route du Rhum 30 Meerestiere getötet wurden, Wale oder andere Tiere. Man sieht sie nicht, also spricht man nicht darüber.«

Sea Shepherd gesteht zu, dass die Datenlage unklar ist, fordert aber Aufklärung von den Seglern: »Die Frage der Transparenz ist von grundlegender Bedeutung und eine unabdingbare Voraussetzung für Regeländerungen, um den Ozean und seine Bewohner zu respektieren.« Solch negative Publicity kommt der Segelszene ungelegen.

Das ökologische Engagement von Segelprojekten kann in den meisten Fällen als pures Greenwashing eingestuft werden. Für den Bau von Hightech-Booten werden Unmengen von Materialien wie Kohlefaser und Epoxidharz verwendet, die nur als Sondermüll entsorgt werden können.

Wie kaum eine andere Sportart ist der als Spielwiese superreicher Sponsoren verrufene Hochseesegelsport darum bemüht, ein Image als besonders umweltfreundliche Sportart zu kultivieren. Nahezu alle professionellen Segelprojekte haben begleitende Öko-Kampagnen ins Leben gerufen.

Da werden Strände gesäubert oder Begleitboote mit Wasserstoff betrieben. Der Sponsor des Ultim-Trimarans »SVR-Lazartigue« zum Beispiel, der französische Kosmetikkonzern Kresk, hat eigens die Stiftung »Kresk 4 Oceans« gegründet. Ihre Hauptaufgabe ist Meeresschutz durch Bekämpfung von Plastikmüll – ein Kampf, der in Anbetracht der Erzeugung von Mikroplastik durch Kosmetik eigentlich gegen die eigene Branche geführt werden müsste.

Aber auch aus anderen Gründen kann man das ökologische Engagement von Segelprojekten in den meisten Fällen als pures Greenwashing einstufen. Für den Bau von Hightech-Booten werden Unmengen von Kohlefaser und Epoxidharz verwendet, beides Materialien, die sehr aufwendig herzustellen sind, kaum recycelt und nur als Sondermüll entsorgt werden können. Fast bei jeder Hochsee-Re­gatta jetten große Technik-Teams um die Welt, um die fragilen Boote in Nothäfen zu reparieren oder sie zurück in den Heimathafen zu überführen.

Da kommt es in der Öffentlichkeit nicht gut an, wenn zusätzlich auch noch Wale oder andere große Meerestiere tödlich verletzt werden. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt und die Vorgänge bei der Ultim Chal­lenge als passende Metapher für das Oszillieren der Wachstumsgesellschaft zwischen Technikfaszination und Selbstzerstörung durch Raubbau an der Natur ansieht.