Ein Jazz-Fanzine, ein Tanz-Workshop und das Elend im Copyshop

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Im Copyshop

Im Copyshop. »Guten Tag, ich würde gern ein kleines Heft im Format A5 drucken lassen.« »Eine Broschüre!« verbessert mich der Mann hinter dem Tresen schnippisch. »In was für einer Auflage?« »100 Stück genügen erst mal. Was kostet denn das?« frage ich freundlich. »Hm. Ja, muss ich mal gucken. Einen Moment.« Er rechnet. »172 Euro.« »Prima«, sage ich, »können sie mir ein Ansichtsexemplar drucken?« Ich gebe ihm meinen USB-Stick mit dem PDF. »Kommen Sie mal hier rum«, fordert er mich auf.

Er öffnet die Datei am Rechner und wir gucken sie uns gemeinsam an. Dann druckt er das Heft aus. »Hm, Sie ­sehen schon, dass hier Leerseiten sind«, sagt er. »Tja, das ist leider falsch«, antworte ich, »das PDF ist richtig. Da ist die Seitenfolge korrekt.« »Seltsam«, munkelt er, »ich versuche es noch mal.« Er versucht es noch zwei weitere Male, doch jedes Mal hat das Heft Leerseiten. Nach dem dritten Versuch sagt er: »Tja, weiß auch nicht. Ich versuche es noch ein letztes Mal.« Ich denke mir: Was heißt hier letzter Versuch? Und was dann?

Er versucht eine andere Kombination an Druckbefehlen. Offensichtlich kennt er seine Geräte nicht. Aber ich kenne ihn. Ich bin nicht zum ersten Mal in diesem Copyshop. Leider werden wir nicht warm miteinander, obwohl wir wahrscheinlich gleich alt sind. Ich kann die Haltung des Kreuzberger Copymanns nicht leiden. Eine Kombination aus Inkompetenz, Bocklosigkeit und schlechter Laune. Ich rede mit ihm wie mit einem Prinzen, doch er ist völlig ungerührt.

Mein neues Fanzine Jazzfete drucken zu lassen, ist mein geiles Projekt. Das lasse ich mir nicht schlechtmachen. »Versuchen Sie es doch noch mal«, bitte ich. Zum Glück funktioniert es jetzt, alle Seiten sind am richtigen Platz. Das Heft sieht toll aus. Am nächsten Tag hole ich die fertigen Hefte ab und drucke zu Hause mit Linoldruck noch in zwei Farben die Illustration, zwei tanzende Hühner, auf die Cover. Am Schluss nummeriere, datiere und signiere ich die Hefte und fahre damit zum Berlin Balboa Weekend, einem Tanz-Workshop.

Ich bin enttäuscht, will es mir aber nicht anmerken lassen.

Zur Hauptveranstaltung am Samstag kommen Hunderte verkleidete Tänzer:innen ins Kreuzberger Bebop. Das Thema des Abends: Superhelden. Neben dem großen Tanzraum ist ein kleiner Raum, in dem ein Fotoautomat steht. Links neben der Schlange von Leuten, die darauf warten, sich in ihren Verkleidungen fotografieren zu lassen, sitze ich mit meinem Fanzine-Tisch. Sie lachen ausgelassen und machen Faxen in ihren Kostümen.

Gelegentlich nimmt jemand während des Wartens ein Heft vom Tisch, blättert darin herum und legt es dann wieder zurück. Ich lächle. Ich bin enttäuscht, will es mir aber nicht anmerken lassen. Um mich abzulenken, fange ich an zu zeichnen. Es geht auch gar nicht anders. Das Heft und sein Inhalt sind zu nah an mir dran. Ich kann mich nicht davon abhängig machen, ob jemand das gut findet oder nicht. Ich mache ein An­gebot, mehr nicht. Ich verkaufe nichts.

Was habe ich mir auch gedacht? Ein Fanzine braucht hier niemand. Niemand will hier etwas lesen über Jazz und Platten und die Musiker. Da könnte ich genauso gut versuchen, im Stroboskoplicht im Berghain ein Fanzine zu verkaufen. Gibt es im Berghain überhaupt Stroboskoplicht?

Am Ende der Nacht habe ich dann doch noch insgesamt 15 Hefte verkauft. Am nächsten Morgen sitzen Julia und ich am Küchentisch, ich berichte vom gestrigen Abend. Als ich fertig bin, sagt Julia: »Weißt du was, beim nächsten Mal drucken wir die tanzenden Hühner auf Geschirrhandtücher! Ich wette, die verkaufen sich super!« Ich wette, sie hat recht.