Ägyptische Textilarbeiterinnen streiken für Lohnerhöhung

Streik in Mahalla

Nach der Erhöhung der Lebenshaltungskosten im Januar brach im Februar ein Streik in der ägyptischen Textilindustrie aus. Zwei Arbeiter sind noch immer inhaftiert.
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In der ägyptischen Textilindustrie brodelte es schon länger. Am 22. Februar begann ein einwöchiger Streik in dem Komplex der Fabriken von al-Mahalla al-Kubra, einer großen Industriestadt im Nildelta. Der ägyptische Präsident Abd al-Fattah al-Sisi hatte – als Kompensation für die Verteuerung öffentlicher Dienstleistungen – Anfang Februar den Mindestlohn auf 6.000 ägyptische Pfund angehoben. Das sind umgerechnet 117 Euro pro Monat – vor Steuern und Versicherungen. Arbeiter und Arbeiterinnen in den Staatsunternehmen, darunter die in Mahalla, waren aber von der Lohnerhöhung ausgenommen.

Die Entscheidung der Regierung al-Sisi, den Mindestlohn zu erhöhen, war auf die Steigerung der Lebenshaltungskosten im Land zurückzuführen.

Auslöser des Streiks war eine Auseinandersetzung auf einer Ramadan-Messe, die die Regierung für Arbeiter veranstaltete und ihnen dabei Waren zu ermäßigten Preisen anbot. Tarek Rahmi, der Gouverneur von Gharbia, einer Provinz nördlich von Kairo und südöstlich von Alexandria, war aus diesem Anlass nach Mahalla gekommen, der größten Stadt in der Provinz. Ein wütender Arbeiter nutzte die Gelegenheit und beklagte sich heftig über die niedrigen Löhne der dortigen Arbeiter. Rahmi antwortete, dass er in seiner Jugend auch einen niedrigeren Lohn erhalten habe – die Arbeiter sollten das akzeptieren. Das war, gelinde gesagt, keine gute Antwort, der Zorn kochte nun richtig hoch.

Die 3.700 Arbeiterinnen in Mahalla waren die ersten, die streikten. Später wurde ihnen das Verlassen der Fabrik verwehrt und sie wurden hinter den Toren eingesperrt. Als dieses Vorgehen bekannt wurde, schlossen sich Arbeiterinnen aus anderen Fabriken dem Streik der Frauen an. Der Streik breitete sich aus. Bald waren rund 10.000 Arbeiter:innen beteiligt.

Die Entscheidung der Regierung al-Sisi, den Mindestlohn zu erhöhen, war auf die Steigerung der Lebenshaltungskosten im Land zurückzuführen. Im Januar hatte die Regierung die Preise für Strom, U-Bahnfahrkarten und Telekommunikationsdienste erhöht, um das wachsende Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Ihre Bemühungen wurden erwartungsgemäß vom Internationalen Währungsfonds gelobt.

Ordnungskräfte nahmen 13 Arbeiter fest, elf von ihnen kamen bald wieder frei. Einigen dieser Arbeiter wurde mit Entlassung gedroht, weil sie der Arbeit ferngeblieben waren, während sie sich in Polizeigewahrsam befanden.

Die Forderung der Streikenden bestand ursprünglich darin, den gleichen Lohn zu erhalten wie jeder andere Arbeiter im Land. Später verlangten sie mehr, beispielsweise eine Erhöhung des monatlichen Verpflegungszuschusses auf umgerechnet 17,50 Euro. Ihre Ansprüche waren aber immer noch recht bescheiden. Doch das Mahalla-Management und die Regierung weigerten sich zu verhandeln.

Schließlich stimmte der für die Unternehmen des öffentlichen Sektors zuständige Minister einer Anhebung des Mindestlohns auf das Niveau zu, das den anderen Arbeitnehmern gewährt worden war – aber sonst gab es keine Zugeständnisse.

Der Streik endete am 29. Februar. Doch dann eskalierte der Konflikt auf anderer Ebene. Die Ordnungskräfte nahmen 13 Arbeiter fest, elf von ihnen kamen bald wieder frei. Einigen dieser Arbeiter wurde mit Entlassung gedroht, weil sie der Arbeit ferngeblieben waren, während sie sich in Polizeigewahrsam befanden.

Zwei der Arbeiter sind weiterhin in Haft – Wael Mohammed Mahmoud Abu Zoueid und Mohammed Mahmoud Tolba Hussein. Ihnen wird die Verbreitung falscher Informationen und die Zugehörigkeit zu einer illegalen Arbeiterorganisation vorgeworfen.

Ahmad Badawy, ein ägyptischen Gewerkschafter, erzählte im Gespräch mit Jungle World, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in Mahalla auf eine lange Kampfgeschichte zurückblickten – und dass ihre Streiks nach den Arbeitsniederlegungen in den Jahren 2006 und 2008 im Februar 2011, während des sogenannten Arabischen Frühlings, zum Sturz der Regierung und Rücktritt des autokratischen Präsidenten Hosni Mubarak beigetragen hätten. Kurz zuvor hatten die meisten Beobachter das Mubarak-­Regime noch als stabil angesehen.

In den vergangenen Jahren war die 1990 entstandene CTUWS intensiv an der Gründung neuer, unabhängiger Gewerkschaften beteiligt, um mit den von Unternehmen und dem Staat kon­trollierten Gewerkschaften zu konkurrieren.

Zu dieser Zeit hatte ich Kairo als Gast des Center for Trade Unions and Workers Services (CTUWS) besucht, einer unabhängigen Gruppe, die sich unter der Mubarak-Diktatur für Arbeitnehmerrechte einsetzte. Sie veröffentlichte Berichte über Streiks und Arbeiterproteste im ganzen Land – Nachrichten, die zu diesem Zeitpunkt von den internationalen Medien kaum aufgegriffen wurden. Die von Textilarbeiter:innen in Mahalla angeführten Streiks waren damals etwas Neues, Mächtiges und Transformierendes.

In den vergangenen Jahren war die 1990 entstandene CTUWS intensiv an der Gründung neuer, unabhängiger Gewerkschaften beteiligt, um mit den von Unternehmen und dem Staat kon­trollierten Gewerkschaften zu konkurrieren. Sie pflegt weiterhin eine gute Beziehung zu den Mahalla-Arbeiter:innen und wandte sich nach den jüngsten Verhaftungen deshalb an Labourstart, die Nachrichten- und Kampagnenplattform der internationalen Gewerkschaftsbewegung, um eine Online-Kampagne zu beginnen.

Diese fordert die Unternehmensleitung und den ägyptischen Staat auf, die beiden noch inhaftierten Arbeiter freizulassen, weitere Verhaftungen zu unterlassen und falsche Anschuldigungen gegen Arbeiter fallenzulassen. Die CTUWS weist darauf hin, dass das Vorgehen des Unternehmens und der ­Regierung gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation verstößt, die Ägypten unterzeichnet hat.

Link zur Kampagne: https://bit.ly/ctuws-de