Sonntag, 06.08.2023 / 22:05 Uhr

Palästinenser im Libanon nur Bürger zweiter Klasse

Von
Gastbeitrag von Alexander Gruber

Im Burj Barajneh Camp in Beirut, Bild: IRIN/Hugh Macleod

Für Mahmoud Abbas und seine Autonomiebehörde spielt das Wohlergehen der im Libanon diskriminierten Palästinenser keine Rolle.

 

Vergangene Woche schrieb ich in meiner Kritik an Muriel Asseburgs Behauptungen über ein angebliches »Rückkehrrecht« der Palästinenser, dass die Aufrechterhaltung dieser Illusion auch auf dem Rücken ebendieser Palästinenser ausgetragen wird, die darin zu einer politischen »Verschiebemasse« für den Kampf gegen Israel instrumentalisiert würden.

Diese Woche nun konnte man (erneut) beobachten, wie zutreffend diese Kritik ist. Im Zuge der in den letzten Tagen im libanesischen Flüchtlingslager Ein el-Hilweh geführten Kämpfe zwischen rivalisierenden palästinensischen Fraktionen – Mitglieder von Abbas’ Fatah-Partei auf der einen und islamistische Gruppierungen auf der anderen Seite –, bei denen mindestens elf Menschen getötet und mehr als vierzig verletzt wurden, erhielt der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, am Montag einen Anruf vom Vorsitzenden der libanesischen Kataeb Partei, Samy Gemayel.

Palästinenser diskriminiert

In dem Telefonat versicherte Abbas seinem libanesischen Gegenüber, das laut der staatlichen Nachrichtenagentur National News Agency zuvor gefordert hatte, »die Lager zu entwaffnen und sie in die Obhut der libanesischen Armee zu geben«, die Palästinensische Autonomiebehörde unterstütze die Maßnahmen der Regierung und der Armee zur Durchsetzung von Recht und Ordnung im Zedernstaat.

Zugleich betonte Abbas laut Sama News, die Anwesenheit der Palästinenser im Libanon sei »nur vorübergehend, bis sie in ihre Häuser zurückkehren, aus denen sie gemäß den internationalen Resolutionen vertrieben wurden«. Damit machte Abbas, der als Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO doch den Anspruch erhebt, der Führer aller Palästinenser weltweit zu sein, seinem Gesprächspartner Gemayel klar, dass seine Autonomiebehörde den Libanon nicht auffordere, den Palästinensern, die dort seit fünfundsiebzig Jahren als Staatenlose leben müssen, endlich die Staatsbürgerschaft zu verleihen

Weil der Libanon den Palästinensern seit Jahrzehnten die Staatsbürgerschaft verweigert, haben sie nicht nur kein Wahlrecht, sondern sind auch von bestimmten Berufen ausgeschlossen, etwa in der Justiz und im Gesundheitswesen. Weil sie außerdem nur in Ausnahmefällen Grundstücke kaufen können, müssen die meisten bis heute in Flüchtlingslagern wie Ein el-Hilweh leben, die sich inzwischen zu eigenen Städten beziehungsweise Stadtvierteln entwickelt haben.

Statt nun auf eine Veränderung der Rechtslage im Libanon zu drängen, um die jahrzehntelange Diskriminierung der dortigen Palästinenser endlich zu beenden, besteht die offizielle Position von Abbas’ Autonomiebehörde darin, dass Palästinenser im Libanon, aber auch in Ägypten, Syrien und anderen arabischen Ländern die Staatsbürgerschaft dieser Länder nicht erhalten sollten. Stattdessen müssen sie ohne jeglichen nationalen Schutz bleiben, bis Israel entweder unmittelbar zerstört oder irgendwie gezwungen werden kann, eine sogenannte »Rückkehr der Flüchtlinge« zu akzeptieren, mit der es ebenfalls als jüdischer Staat vernichtet würde.

Lebensfeindliche Propaganda

Dass die im Libanon lebenden Palästinenser selbst die von Abbas & Co. für sie vorgesehene Staatenlosigkeit einer Staatsbürgerschaft vorziehen würden, gehört wohl eher ins Reich der Propaganda, wie die etwa 20.000 Palästinenser zeigen, die in den 1990er Jahre ein kurzzeitig geltendes libanesisches Gesetz ausnutzten, bevor der Zedernstaat dieses Gesetz im Jahr 2003 kassierte und den palästinensischen Neubürgern die Staatsangehörigkeit wieder entzog.

Im Libanon sind fast 500.000 palästinensische Flüchtlinge bei der UNRWA registriert, während die tatsächliche Zahl bei etwa 200.000 liegen dürfte, da viele von ihnen ausgewandert sind, aber weiterhin auf der Liste des UN-Palästinahilfswerks stehen. 

Doch auch diesen 200.000, von denen die wenigsten tatsächliche Flüchtlinge, sondern deren Kinder, Enkel und Urenkel sind, gegenüber ist der Zynismus von Abbas’ Position kaum zu überbieten. Die Autonomiebehörde benutzt die Menschen, die sie als ihr Volk bezeichnet und zu vertreten vorgibt, als Schachfiguren, denen sie in den Ländern, in denen sie mittlerweile seit Generationen leben, keinerlei nationale Rechte zugestanden wissen will.

»Jeder staatenlose Palästinenser erhöht den Druck auf Israel in einem verschwindend geringen Umfang«, weshalb Abbas Interesse daran hat, dass sich die Zahl dieser Staatenlosen immer weiter erhöht. »Das ist der einzige Grund, warum darauf bestanden wird, dass die Palästinenser staatenlos bleiben. Und es beweist zugleich, dass für die palästinensischen Führer das Leben der zu ihrem eigenen Volk gezählten Menschen wertlos ist«, wie der israelische Blogger Elder of Ziyon völlig zu Recht feststellt.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch