Die Einstellung der Zukunft
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) durfte es verkünden: Am 23. Februar beschloss die Ampelkoalition, die Pendlerpauschale wegen der anhaltend hohen Spritpreise für Fernpendler rückwirkend zum 1. Januar des Jahres zu erhöhen. Ab dem 21. Kilometer von der Wohnung zum Arbeitsplatz sollen Arbeitnehmer 38 Cent pro Kilometer steuerlich absetzen können. Für die ersten 20 Kilometer gilt seit Anfang Januar ein Betrag von 35 Cent pro Kilometer.
Die Steuervergünstigung gilt zwar unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel. Allerdings ist sie für die deutsche Autogesellschaft von höchster Bedeutung. Im Wahlkampf hatten Habeck und die Grünen einen Shitstorm gegen sich losgetreten, als sie dieses Heiligtum anzutasten drohten. Wer seine Stammesbrüder und -schwestern kennt – vor allem die Brüder –, weiß, wie wichtig das Thema ist. Je mehr du fährst, sagt der Kollege, desto weniger Steuern zahlst du. Das findet er doppelt gut.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Regierung angesichts rasch steigender Energiepreise Vorkehrungen trifft, um die Verbraucher zu entlasten. Allerdings wirken die Regierungsbeschlüsse nicht gerade zielführend für eine klimaschonende Zukunft. Hätte man die Pendlerpauschale nicht vielleicht mit der Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen verbinden können? Nein, alle bekommen das, was sie gewohnt sind.
Verkehrspolitisch gewinnt man den Eindruck, dass alles, was bisher schon falsch lief, jetzt noch falscher läuft. Das Geld, das die Entfernungspauschale frisst, wird an anderen Stellen fehlen, selbstverständlich in erster Linie beim öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Der Individualverkehr dürfte sich weder quantitativ noch qualitativ ändern. Er wird ministeriell von Volker Wissing (FDP) genauso fürsorglich betreut wie zuvor von Andreas Scheuer (CSU).
Aber Deutschland stellt doch mit aller Kraft auf Elektromobilität um! Mit welcher Kraft, wird deutlich, wenn man sich versehentlich in Fernsehwerbeblocks verirrt. Mercedes bewirbt einen vollelektrischen Boliden mit einer Reichweite von 784 Kilometern, 523 PS und 31 Minuten Schnellladezeit. Anschließend zeigt Audi sein Modell mit 600 PS unter der Haube. In 3,3 Sekunden von null auf 100! »Future is an attitude«, verkündet Audi.
Solche peinlichen Geschosse tun Mensch und Umwelt keinen Gefallen, und sie können auch nur von einer sehr kleinen Minderheit erworben werden. Das Verkaufsgeheimnis der deutschen Automobilindustrie besteht darin, immer leistungsstärkere Maschinen auf den Markt zu bringen, die im Manne archaische Instinkte des Jagens und Wilderns wecken sollen. So wird ein gesellschaftliches Bedürfnis erzeugt, das allerdings schon auf den ersten Blick idiotisch ist: Wer braucht diese Karren? Ist das Bedürfnis aber erst vorhanden, werden Wagen der gehobenen Mittelklasse, die den Stil solcher Karossen imitieren, in großer Stückzahl angeboten und gekauft.
Derzeit hilft die Umstellung auf Elektromobilität der Autoindustrie, dieses Geschäftsmodell zu erhalten und noch auszubauen. Dabei sollte das E-Auto eigentlich einfach und billig in der Herstellung sein. Denn die Elektrotechnik ist im Vergleich zum Verbrennungsmotor banal. Daraus folgt aber auch, dass die Gewinne, die sich damit machen ließen, geringer wären.
Hier kommt das autonome Fahren ins Spiel, ein Feature, das kein Kunde bestellt hat, der die Freude am Fahren als Gipfel der Freiheit empfindet. Doch die Digitalisierung verspricht neue Geschäftsperspektiven. Im Vorgriff wird bereits ein Großrechenzentrum nach dem anderen aus dem Boden gestampft, selbstverständlich ohne Nachhaltigkeitsvorschriften, weil man die Speicherung, die Verarbeitung und den Verkauf der Mobilitätsdaten rechtzeitig in Angriff nehmen will.
Die Verschränkung von Elektroantrieb und Digitalisierung setzt die Elektromobilität auf eine völlig falsche Schiene, die zwangsläufig in die Richtung von kapitalistischem Wachstum und Energieverschwendung führt. Da ist es nur konsequent, die Batterieproduktion als den für die Umwelt problematischsten Teil einem Unternehmen wie Tesla anzuvertrauen, das bei maximaler Förderung maximalen Schaden anrichtet. »Klima« ist für diese Politik nur das willkommene Schlagwort für ein Greenwashing der Automobilindustrie.