Schätze am Meeresgrund

Im Goldrausch der Tiefe

Laborbericht Von

Die Tiefsee, unendliche Weiten – das könnte das Motto von Jules Vernes Roman »20.000 Meilen unter dem Meer« oder auch von einer Forschungsmission in jene Bereiche der Ozeane sein, über die, wie es so schön heißt, weniger bekannt ist als über die Rückseite des Monds. Ganz so weit wie bei Verne, der seine Helden rund 16 Kilometer tief tauchen lässt, geht es übrigens nicht hinunter; der tiefste Punkt der Erde ist das Challengertief im Marianengraben etwa elf Kilometer unter dem Meeresspiegel. Not so fun fact am Rande: Selbst dort unten, fern jeder Zivilisation, wurde mittlerweile Plastikmüll entdeckt, teils inklusive Tieren, die sich darin verfangen hatten.

Schätzungen zufolge sind bislang nur etwa fünf Prozent der lichtlosen Tiefen erforscht, doch das ändert sich langsam. Leider nicht aus purem Wissensdrang, sondern, wie so oft in den Geowissenschaften, weil es dort etwas zu holen gibt. Von besonderem Interesse sind Manganknollen: faustgroße Klumpen am Meeresboden, die hauptsächlich aus Eisen und Mangan nebst abbauwürdigen Konzentrationen von Nickel, Kupfer und Kobalt bestehen. Diese Metalle werden vor allem in der Stahlverarbeitung und der Elektroindustrie benötigt.

Selbst dort unten, fern jeder Zivilisation, wurde mittlerweile Plastikmüll entdeckt, teils inklusive Tieren, die sich darin verfangen hatten.

Noch gibt es keine internationalen Standards für den Tiefseebergbau und daher auch keine kommerzielle Förderung – erste Lizenzen wurden jedoch bereits vergeben. Schon jetzt wird allerdings vor den Folgen für die Umwelt gewarnt. Eine jüngst veröffentlichte Studie zur Artenvielfalt in einer für den Tiefseebergbau besonders interessanten Region im Pazifik zählt mehr als 5 000 dokumentierte Arten, von denen die meisten noch nicht einmal formal beschrieben sind.

Da Organismen in kaltem und nährstoffarmem Wasser sehr langsam wachsen, dürfte es lange dauern, bis sich der »abgeerntete« Meeresgrund wieder erholt (wenn überhaupt) – und für einen rentablen Abbau müssten Flächen bis zu 600 Quadratkilometern pro Jahr ausgebeutet werden. Zudem würden gigantische Wolken aus Sedimentschlamm und toxischen Metallen aufgewirbelt, die sich weiträumig in den Ozeanen verteilen würden, mit unabsehbaren Folgen für die Ökosysteme.

Einen Dämpfer erhielt der sich anbahnende Goldrausch kürzlich durch die Erkenntnis, dass sich in den begehrten Knollen unerwünschter Beifang anreichert; nämlich radioaktive Elemente in so hohen Konzentrationen, dass Grenzwerte für den Strahlenschutz teils um das Tausendfache überschritten werden. Dass dies den Tiefseebergbau ausbremst, ist jedoch nicht zu erwarten. Grenzwerte lassen sich schließlich profitkonform verschieben – falls ihre Einhaltung überhaupt kontrolliert wird. Auch in in­ternationale Vereinbarungen zum Schutz des Meeresbodens sollte man keine großen Hoffnungen setzen: ­Abkommen sind bekanntlich das eine, das andere ist der Wille, sich daran zu halten. Die Klimaziele lassen ­grüßen.