In Österreich wurde ein enormes Waffenlager der Motorradgang Bandidos sichergestellt

Rocker und Nazis – eine Liebesgeschichte

In Österreich wurde bei Razzien bei der Motorradgang Bandidos ein beachtliches Waffenarsenal gefunden. Der weltweit organisierte Rockerclub unterhält Verbindungen ins rechtsextreme Milieu.
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Ein eigentlich alarmierender Fund: Vergangene Woche stellte Österreichs Polizei bei Razzien im Umfeld des Rockerclubs Bandidos die größte Menge an illegalen Waffen sicher, die seit Jahrzehnten bei derartigen Razzien zum Vorschein gekommen war. Die Öffentlichkeit nahm den Fund von 25 Maschinenpistolen, mehreren Granatwerfern, 100 Schalldämpfern, 35 Langwaffen, 10.000 Schuss Munition und Bausätzen für 500 bis 800 Pistolen der Marke Glock bemerkenswert gelassen hin. Es gab keine Pressekonferenz des konservativen Innenministers Gerhard Karner, der ansonsten gern über »gewaltbereite« Klimaschützer spricht, und keine Sondersendungen im Fernsehen.

Die Gelassenheit von Politik und Bevölkerung angesichts eines Waffenarsenals, das ausgereicht hätte, um eine mittelgroße Stadt zu besetzen, lässt nicht auf allzu großes Wissen über die Gefährlichkeit der schwer bewaffneten, international aktiven sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs schließen. Dabei deutet ein solcher Fund darauf hin, dass die Bandidos etwas Größeres geplant haben dürften, womöglich eine Ausdehnung ihres Einflusses im kriminellen Untergrund oder eine Auseinandersetzung mit den alten Rivalen der Hells Angels.

Der Waffenfund ließ bei denen, die ihr Gedächtnis bemühen, Erinnerungen an den Rockerkrieg in Skandinavien hochkommen. Zwischen 1994 und 1997 kämpften in Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden die Hells Angels und die Bandidos um die Vorherrschaft in ihren illegalen Geschäftsfeldern, vornehmlich Drogenhandel, Waffenschmuggel und Prostitution. Bei Schießereien, bei denen sogar eine Panzerabwehrrakete zum Einsatz kam, wurden elf Menschen getötet, 96 teils schwer verletzt. Noch blutiger war der Kampf zwischen den Hells Angels und dem Motorradclub Rock Machine im kanadischen Québec. Zwischen 1994 und 2000 bezahlten mehr als 150 Menschen, einige davon unbeteiligte Zivilisten, den Kampf der Rocker um die Kontrolle von Territorien mit dem Leben.

Die Rocker beharren oft auf »Rassentrennung« und neigen dazu, Konflikte mit Gewalt zu lösen. Natürlich ist das für Neonazis und andere autoritäre Charaktere attraktiv.

Die Aushebung des Waffenlagers bei Hausdurchsuchungen in Ober und Niederösterreich brachte außerdem an den Tag, dass einer der dabei Verhafteten laut Polizei ein hochrangiges Mitglied der ehemaligen Neonazibande Objekt 21 war, ein nach außen als »Kultur und Freizeitverein« auftretender Teil des NaziNetzwerks Blood & Honour. Bis zu 300 Personen aus dem militanten rechtsextremistischen Milieu aus Österreich und Deutschland sollen zwischen 2011 und 2013 Objekt 21 unterstützt haben. Neben dem üblichen Organisieren von Rechtsrock-Festivals machte die Bande eine Menge Geld mit Raubüberfällen, Menschenhandel, Entführungen, Erpressung sowie Waffen und Drogenhandel.

Wer sich nun wundert, wie Rocker, die sich gerne ein anarchistisches Image geben, mit Neonazis zusammenpassen, ist schon auf die Selbstdarstellung von Bandidos und Co. hereingefallen. Rockerbanden wie die Genannten oder die Hells Angels sind streng hierarchisch organisiert, inklusive pseudomilitärischer Ränge. In der Szene gelten Frauen teils als Besitz, der Berliner Morgenpost zufolge gibt es Hinweise darauf, dass einige Frauen Tätowierungen mit dem Schriftzug »property of« und dem jeweiligen Namen eines Rockers tragen. Die Rocker beharren oft auf »Rassentrennung« und neigen dazu, Konflikte mit Gewalt zu lösen. Natürlich ist das für Neonazis und andere autoritäre Charaktere attraktiv. Der Anti-Defamation League zufolge haben in den USA bereits »alle großen WhiteSupremacyGuppen enge Kontakte zu verschiedenen Outlaw Motorcycle Gangs geknüpft«. Auch in Deutschland und Österreich konnte man immer wieder Rocker sehen, die bei NeonaziKonzerten den Saalschutz übernahmen.

All dies trifft vor allem auf Gruppen wie die Bandidos, die Hells Angels und andere selbstbezeichnete »Onepercenter« zu, die sich als Outlaws sehen und zur organisierten Kriminalität gerechnet werden können. Es gibt auch zahlreiche andere Clubs, jene 99 Prozent, von denen sich das eine Prozent krimineller Rocker abheben möchte, denen es nur ums Motorradfahren und ein bisschen Easy-Rider-Feeling geht und die mit Neonazismus und Mafiastrukturen so wenig oder so viel zu tun haben wie der Bevölkerungsdurchschnitt.

Diese Clubs sind oft die Ersten, die es zu spüren bekommen, wenn sich Outlaw-Banden breitmachen, die meist keine anderen organisierten Biker in ihren Territorien dulden. Eine Lektion aus den vergangenen Jahrzehnten sollte sein, dass der Staat nicht tatenlos zusehen sollte, wenn sich kriminelle Motorradclubs etablieren. Haben die sich erst einmal in einem Gebiet festgekrallt, kommt es eher früher als später zu Gewalttaten und zu Versuchen, die lokalen Institutionen mittels Bestechung und Erpressung zu kontrollieren. Gibt es auch personelle Überschneidungen mit Neonazi-Gruppierungen, sind solche Clubs erst rechttickende Zeitbomben.