Ivo Bozic und Elke Wittich debattieren über ­Bürohunde

Pro und Contra Office-Doggo

»Die Möglichkeit, seinen Hund mit zur Arbeit zu nehmen, ist zeitgemäß und wirkt sich positiv auf die Beschäftigten aus«, heißt es in einem gemeinsamen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus. Doch nicht nur die Berliner Verwaltung soll sich dem Trend zum Bürohund öffnen. Hippe Unternehmensratgeber empfehlen den Bürohund für die Verbesserung des Arbeitsklimas und so manch ein lohnarbeitender Hundebesitzer sieht darin eine Lösung für das Betreuungsproblem.
Disko Von

Kollege Hund

Hunde brauchen dringend die Gesellschaft ihrer Bezugspersonen. Für sie kann es also wohltuend sein, ihren Menschen zur Arbeit zu begleiten, selbst wenn sie dann nur unter dem Schreibtisch liegen.

Von Ivo Bozic

Dass Hunde den Menschen zur Arbeit begleiten, hat eine lange Tradition. Eigentlich ist es so von Beginn an. Hunde mussten früher sogar selbst mitarbeiten, etwa als Jäger oder als Haus- und Herdenwärter. Ob der Mensch den Wolf je domestiziert hätte, nur um mit ihm ein weiteres Familienmitglied durchfüttern zu müssen, scheint fraglich. Auch heute noch übernehmen Hunde bestimmte Jobs – allerdings in der Regel nicht die potentiellen Bürohunde. Das liegt nicht an den Hunden, sondern daran, dass ihre Menschen heutzutage zu einem großen Teil nicht mehr jagen oder Schafe bewachen, sondern in geschlossenen Räumen arbeiten, vor allem in reizarmen Orten, in denen mehrere Menschen an Schreibtischen sitzen und den Großteil der Zeit auf Monitore starren, Kaffee kochen und wieder auf Monitore starren. Für Hunde gibt es da wenig Sinnvolles zu erledigen.

Allerdings soll es schon in den allerersten Büros, den klösterlichen Schreibstuben des Mittelalters, Hunde gegeben haben, zum Ärgernis der Bischöfe. Und es gab sogar einmal einen, der konnte Schreibmaschine schreiben. Elisabeth Mann Borgese, eine Tochter von Thomas Mann, ließ ihren Setter mit der Schnauze Gedichte tippen; sein berühmtestes lautet »bed a ccat« und ist auch nicht unverständlicher als so mancher Bescheid oder pitch, der heutzutage in Behörden oder hippen Agenturen in die Tastaturen gehämmert wird.

Elisabeth Mann Borgese, eine Tochter von Thomas Mann, ließ ihren Setter mit der Schnauze Ge­­dichte tippen; sein berühmtestes lautet »bed a ccat«.

Bei der regelmäßig wieder entflammenden Debatte über Bürohunde wird stets darüber gestritten, ob ein solcher Hund dem Arbeitsklima zuträglich sei, die Effektivität steigere, Burn-outs verhindere, ob man ihn Menschen zumuten könne, die sich vor Hunden fürchten, und so weiter und so fort. Doch es ist müßig, darüber zu streiten, denn die Antwort ist einfach: Für Hundebesitzer ist es großartig, wenn sie die Möglichkeit haben, ihren Hund mit ins Büro zu bringen, für Kolleginnen, denen es egal ist, ist es egal, und für andere Kollegen, die Angst vor Hunden haben oder ihnen aus anderen Gründen einfach möglichst wenig begegnen möchten, ist es schlecht.

Doch wie ist das aus Hundeperspektive? Ist die moderne Schreibstube des Menschen für Hunde ein attraktiver Aufenthaltsort? Hier fällt die Antwort deutlich schwerer. Es hängt unter anderem vom Alter des Hundes, seiner Rasse und von seinem Gemüt ab, welchen Bewegungsdrang und welche mentalen Herausforderungen er benötigt, um nicht unterfordert zu sein. Denn was ist langweiliger, als auf Monitore zu starren, Kaffee zu kochen und wieder auf Monitore zu starren? Ganz klar: währenddessen unter dem Schreibtisch zu liegen. Dies aber ist der Alltag eines normalen Bürohundes.

Andererseits scheint genau das vielen Tieren dennoch ganz gut zu gefallen. Außerdem ist für die Ausgeglichenheit und damit das Wohlbefinden des Rudeltiers Hund die soziale Bindung zu seinem Menschen enorm wichtig. Ein Hund würde es zumeist vorziehen, sich mit seinem Menschen zusammen zu langweilen, als allein auf eigene Faust ­Action zu haben. Es ist ja auch nicht so, dass Hunde jeden Tag das große Abenteuer suchen. Klar, ausreichend Bewegung muss sein; für den einen Hund mehr und für den anderen weniger; dasselbe gilt ja auch für den Büromenschen. Aber ob es Hunden gutgeht, ­bemisst sich nicht am Sinn ihres Tuns und nicht am Lebensinhalt, auf den sie am Ende ihrer Tage zurückblicken würden, wenn sie könnten. Es wurden auch nicht alle Hunderassen gezüchtet, um Wildtiere zu hetzen, sondern ei­­nige auch, um sich auf dem Schoß vor­nehmer Damen liegend streicheln zu l­assen.

Und dann hängt das alles ja auch noch stark davon ab, wie Hund und Mensch sich eingespielt, das Alleinsein und Abgeben trainiert haben und so weiter und so fort. Kurzum, es ist kompliziert. Ob ein Büroalltag ein gutes Schicksal wäre für einen Hund, oder zumindest besser als alleingelassen zu werden oder zu einem Hundesitter zu kommen, kann also nur im Einzelfall bewertet werden. Dafür aber braucht es die Möglichkeit des Einzelfalls und die gibt es nur, wenn Bürohunde nicht grundsätzlich verboten, sprich, wenn sie grundsätzlich erlaubt sind. Daher machen Hund und Hundehalter gerne ihren Stempel unter die Bürohunde­genehmigung.

***

Glücklich mit Hund

Bürohunde sollen dafür sorgen, dass bessere Stimmung herrscht, während man sich ausbeuten lässt. Zumindest bei denjenigen, die keine Allergien oder Ängste haben.

Von Elke Wittich

Als Kind zu einem ältlichen Zahnarzt geschickt zu werden, der als Bonusprogramm versprach, dass man mit Hund Fifi spielen dürfe, wenn man brav sei, war keine schöne Erfahrung. Fifi war nämlich ein winziger Pinscher, der immens laut bellen und sehr fest zubeißen konnte und außerdem keine Kinder mochte. Weswegen der tolle Fifi-Trick auch nur exakt einmal funktionierte.

Blieb der Hausarzt, der ein rundum netter Mensch war, in dessen Wartezimmer allerdings eine Menge bunt bemalte Holzfurnier-Teller mit hundeverherrlichenden Sinnsprüchen hingen. Und ein Gedicht. Es lautete: »Dass mir der Hund am liebsten sei, sagst Du, oh Mensch, sei Sünde. Doch der Hund blieb mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde.«

Es ist nicht auszuschließen, dass die Mehrzahl der Wartenden rührungstränenfeuchte Augen bekam, wenn sie sich die monothematischen Tellersprüche durchlas, schließlich wimmelte es in der Kleinstadt nur so vor Hunden. Unangenehmen Hunden, um genau zu sein.

Rund 200 miese Erfahrungen mit jeder Menge Exemplare von Canis lupus familiaris später (und zwar der Unterunterart »Keine Angst, der tut nix«, gefolgt von »Nun stell dich mal nicht so an, das blutet doch kaum«), sind die Viecher plötzlich zum hippen Arbeitsplatz-Accessoire geworden. Neben kostenlosen Angeboten wie Biosäften, Obstkörben mit nur mäßig matschigen ­Bananen, mittwochs Yoga und freitags Frühstücksbuffet, aber nur für Frühaufsteher, sollen nun Fifi und Co. für team building und commitment, avai­lability und productivity, kurz: freudiges Ausgebeutetwerden, sorgen. Und für einen »strategischen Vorteil im War for Talents«, wie der Bundesverband Bürohund, eine tatsächlich existierende Lobbyorganisation, auf seiner Website mitteilt.

Bürohunde stellen einen »strate­gischen Vorteil im War for Talents« dar, wie der Bundesverband Büro­hund, eine tatsächlich existierende Lobbyorganisation, auf seiner Website mitteilt.

Liest man sich die Argumente des Verbands durch, ist es überhaupt ein Wunder, dass die Menschheit in den vergangenen Jahrhunderten ohne Bürohunde nicht ausgestorben ist. Wo ein Hund im Büro sitzt, bewegen sich die Menschen nämlich mehr: »Allein 15 Minuten Bewegung am Tag senken die Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen« sowie jede Menge weiterer Krankheiten, erklären die arbeitsamen Hundefreunde weiter. Und außerdem mache Hundestreicheln glücklich, weil ­dadurch das Hormon Oxytocin ausgeschüttet werde, das im Prinzip für ein langes, glückliches Büroleben sorgt. Das ist eine etwas euphemistische Sicht der Dinge, wenn man weiß, wie wenig Covid-19 an der deutschen Unbereitschaft zum Händewaschen geändert hat. Die Vorstellung, dass nicht sehr reinliche Büromenschen Fifi mehrmals täglich gründlich durchknuddeln und anschließend beim Händeschütteln oder auch nur Dingeanpatschen diverse Hundeabsonderungen an Kollegen, Kundschaft, Klientel weitergeben, ist jedenfalls nicht schön.
Aber der Bundesverband kann auf kleinliche Hygienebedenken keine Rücksicht nehmen, denn er hat Wichtigeres zu tun: »Wir verändern die Welt.« Zumal Bürohunde zusätzlich, so schreibt der Verband an Unternehmen gerichtet, die »seelische Gesundheit ­Ihrer Mitarbeitenden« schützen.

Also außer die von denen, die Angst vor Hunden haben, oder eine Allergie, oder einfach nur keine Hunde leiden können. Für solche Fälle gibt es dann Mediationen, 2.500 Euro kostet ein eintägiger Workshop, mit Mehrwertsteuer, aber ohne Erfolgsgarantie.

Und was ist mit dem Tierwohl? ist es nicht total traumatisierend für so einen Hund, den ganzen Tag allein zu Hause sitzen zu müssen, statt mit ins Büro zu dürfen? Kann schon sein, allerdings gehört so etwas zu den Dingen, die erwachsene Menschen sich vor dem Hundekauf überlegen sollten. Es gibt nämlich kein Hunderecht auf Anwesenheit am Arbeitsplatz – wohingegen es sehr wohl ein Menschenrecht darauf gibt, im Büro nicht durch angst- oder allergieauslösende oder auch nur anwesende Tiere belästigt zu werden. Oder durch Holzteller mit Sinnsprüchen drauf, die ganz sicher der nächste Schritt der Hundelobby sind. Angeboten werden auf der Website bereits Devotionalien wie Tassen und Shirts mit Sprüchen wie »Bürohund. Der tut was« drauf. Oder »Kuschelpause statt Raucherpause«, was man durchaus als Drohung verstehen kann, gegen in­effiziente Pausengestaltung vorzugehen.

Immerhin, auch Bürohunde leben nicht ewig. Auf der Verbandsseite gedenkt man, würdig mit einem sich leidlich reimenden Gedicht versehen, der »von uns gegangenen Hunde aus unserem #TeamBürohund«. Gemeint sind »die besonderen Wesen, die uns Menschen und unser Leben nachhaltig zum Guten verändert haben«.