Die Söldner der russischen Gruppe Wagner sollen offenbar in Afrika im Einsatz bleiben

Russlands Auftragsmörder im Sahel

Die Zukunft der Wagner-Gruppe ist ungewiss, doch zumindest in Afrika bleibt sie im Einsatz. Auch die Putschregierung in Niger soll Interesse an einer Zusammenarbeit mit den russischen Söldnern bekundet haben.

Afrika stellte lange Zeit nur einen Nebenschauplatz russischer Außenpolitik dar – mit einer Ausnahme: die Aktivitäten der Söldnergruppe Wagner. Bis Februar 2022 lag deren Schwerpunkt auf dem afrikanischen Kontinent, wenngleich bedeutende Einsätze auch in Syrien stattfanden. Wagner agierte dabei offiziell als Privatunternehmen, aber de facto als Instrument russischer Außenpolitik und mit logistischer Unterstützung der russischen Armee.

Die Nachrichtenagentur Associated Press meldete bereits Anfang August, es lägen aus mehreren Quellen Informationen darüber vor, dass die neuen Machthaber in Niger bei einem Besuch im benachbarten Mali bei der Gruppe Wagner um Unterstützung nachgefragt hätten. Seit 2021 sind auf Einladung der malischen Militärregierung, die 2020 durch einen Putsch an die Macht gekommen war, dort Wagner-Söldner im Einsatz. Offiziell äußerte die russische Führung zwar Besorgnis über den Militärputsch in Niger, doch mit Hilfe der Söldnertruppe böte sich eine Einmischung Russlands geradezu an.

In der Ukraine sprangen seit dem umfassenden Einmarsch Russlands Wagner-Abteilungen in die Bresche, wenn es regulären russischen Einheiten an Durchschlagskraft fehlte. Doch inzwischen kommt die russische Armee auch ohne teuer bezahlte Dienstleistungen der in Russland »Musikanten« genannten staatlichen Auftragsmörder aus. Das Verteidigungsministerium verfügte im Frühjahr, dass alle in der Ukraine kämpfenden Soldaten einen regulären Vertrag mit der Armee unterzeichnen sollten. Jewgenij Prigoschin, der geschäftstüchtige Leiter von Wagner, sah das als Angriff seiner Rivalen in der Armeeführung auf sein Unternehmen. Um die Unterordnung seiner Söldner zu verhindern, unternahm er Ende Juni seinen bewaffneten »Marsch der Gerechtigkeit« in Richtung Moskau.

In seiner Eröffnungsrede beim Russland-Afrika-Forum in Sankt Petersburg Ende Juli stellte Präsident Wladimir Putin Russland als Verbündeten des »Globalen Südens« dar.

Das Vorhaben scheiterte, doch zumindest einige der Wagner-Söldner, die sich weigerten, einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium zu unterzeichnen, wurden aus Russland nach Belarus verlegt, wo sie dem belarussischen Verteidigungsministerium zufolge Soldaten ausbilden. Prigoschins Karriere ist dennoch nicht zu Ende. Im Monat nach seinem Aufstand erhielten Firmen seines Geschäftsimperiums staatliche Aufträge im Wert von über 20 Millionen Euro, berichtete das russische Investigativmedium Agentstwo. Dabei handelt es sich unter anderem um Catering-Aufträge für Schulen, seit Jahren eines der Geschäftsfelder Prigoschins. Doch wertet Agentstwo dies als Signal, dass der Staat nach wie vor gewillt ist, Prigoschin Kapital für Wagner-Operationen in Afrika bereitzustellen.

Russland sucht in der Konfrontation mit dem Westen die Unterstützung afrikanischer Regierungen. Beim Russland-Afrika-Forum in Sankt Petersburg Ende Juli sollten die guten Beziehungen zur Schau gestellt werden. Alle 54 international anerkannten afrikanischen Staaten waren durch Delegationen vertreten, wenn auch deutlich weniger Staatsoberhäupter persönlich erschienen waren als noch beim Afrika-Russland-Forum 2019.

In seiner Eröffnungsrede stellte Präsident Wladimir Putin Russland als Verbündeten des »Globalen Südens« dar. Ausführlich sprach er über den russischen Getreideexport und inszenierte sich durch sein Angebot, die Länder Burkina Faso, Zimbabwe, Mali, Somalia, Eritrea und die Zentralafrikanische Republik mit kostenlosem Getreide zu beliefern, als großzügigen Freund Afrikas. Wenige Tage zuvor, am 18. Juli, hatte Russland eine Verlängerung des Abkommens zum Getreideexport aus der Ukraine abgelehnt und damit die Seeblockade für Schiffe, die ukrainisches Getreide transportieren, wiederaufgenommen.

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa sagte in Sankt Petersburg, die afrikanischen Regierungen seien nicht gekommen, »um Geschenke zu erbitten«. Nötig sei vielmehr die Wiederaufnahme des Getreideabkommens mit der Ukraine und ein offener Zugang zum Schwarzen Meer.

Nicht als offizieller Teilnehmer, aber am Rande des Treffens wurde auch Prigoschin gesichtet. Er posierte auf einem Foto, das in einem seiner Hotels in Sankt Petersburg aufgenommen wurde, mit Freddy Mapouka, einem Berater des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik.

Auf einem anderen Foto ist Prigoschin mit Justin Tagouh zu sehen, dem Direktor des prorussischen Fernsehsenders Afrique Média. Dem Sender hatte Prigoschin eine Woche zuvor in einem Interview mitgeteilt, dass Wagner auch in Zukunft alle in Afrika eingegangenen Verpflichtungen erfüllen und seine Truppenkontingente sogar noch ausbauen werde. Nach Mitteilungen einiger Online-Medien, die vor der Revolte gegen die russische Regierung noch in Prigoschins Besitz waren, habe sich der ehemalige Wagner-Leiter in Sankt Petersburg mit Vertretern Malis, Nigers und der Zen­tralafrikanischen Republik getroffen.

Direkt nach dem Russland-Afrika-Gipfel begann die Söldnergruppe, oder das, was von ihr übriggeblieben ist, in einem Lager in Belarus mit der Rekrutierung von Kadern für einen Einsatz auf dem afrikanischen Kontinent. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Angehörige aus zwei Sturmbrigaden, die zuvor in Bachmut gekämpft hatten. Zielland ist Libyen, Verträge werden nur für wenige Monate in Aussicht gestellt mit einem geringeren Sold als zuvor. Wie es dann weitergeht, ist offen.

Vor der Frage nach ihrer beruflichen Zukunft stehen auch ehemalige Wagner-Kämpfer, die in Russland geblieben sind. Derzeit gibt es keine verlässlichen Angaben darüber, wie viele sich für einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium entschieden haben; allerdings kann es sich nur um eine Minderheit handeln. Das deutete ein namentlich nicht genannter Kommandeur an, den ein von Wagner bespielter Telegram-Kanal zitiert. Demnach hätten sich von 78.000 für einen Ukraine-Einsatz angeheuerter Söldner 15.000 beurlauben lassen, bis zu 10.000 hielten sich in Belarus auf, 22.000 seien ums Leben gekommen, der Rest habe Verletzungen davongetragen. Bei den Zehntausenden in der Ukraine eingesetzten Söldnern handelt es sich jedoch nicht nur um die Elitetruppen, die in den vergangenen Jahren den Kern der Wagner-Kontingente bildeten, sondern überwiegend um ehemalige Insassen russischer Gefängnisse.

Am Rande des Russland-Afrika-Forums in Sankt Petersburg soll sich Jewgenij Prigoschin mit Vertretern Malis, Nigers und der Zentralafrikanischen Republik getroffen haben.

Unklar ist, unter welchem Label russische private Militär- und Sicherheitsfirmen mit staatlicher Unterstützung zukünftig tätig sein können. Allein auf eigene Rechnung, so viel steht fest, agieren sie nicht, wenngleich dem Wagner-Geschäftsmodell auch Einkünfte aus dem Rohstoffhandel der jeweiligen Länder zugrunde liegen. Die Dienstleistungen russischer Söldner in Afrika sind kostspielig. Russlands afrikanische Partner begleichen die Rechnung zwar nicht nur mit politischer Loyalität, sondern auch mit Geld – dennoch könnte Wagner ohne finanzielle Absicherung durch den russischen Staat, ohne logistische Unterstützung, und ohne politisch bei Absprachen auf höchster staatlicher Ebene einbezogen zu werden, seine Missionen in Afrika nicht erfüllen.

Viele Aktivitäten der Söldnergruppe sind ein aus russischen Haushaltsmitteln finanziertes Zuschussgeschäft. In dem russischen Nachrichtenportal Lenta.ru äußerte der Direktor des Zentrums für Afrika-Studie an der Wirtschaftshochschule in Moskau, Andrej Maslow, die Vermutung, dass sich dieser Umstand in Zukunft auf die Aufgabenteilung auswirken könnte. Gewinn erwirtschaftende Projekte in Afrika könnten weiterhin von russischen Privatunternehmen abgewickelt werden, während Einsätze zur Unterstützung lokaler Streitkräfte komplett unter der Ägide des russischen Verteidigungsministeriums laufen dürften.

Im Übrigen plädiert Maslow dafür, die Rolle der Firma Wagner nicht überzubewerten, da die Zusammenarbeit zwischen Russland und zahlreichen afrikanischen Staaten weitaus vielfältiger und durch Dutzende offizielle Abkommen gedeckt sei. Insbesondere in der Zentralafrikanischen Republik und in Mali seien zudem russische Investitionen und der Handel mit Russland bedeutender als in anderen afrikanischen Staaten, wo Russland wirtschaftlich kaum eine Rolle spiele. Die dortigen Regierungen würden aus politischen Gründen mit dem russischen Staat verbandelte private Sicherheitsunternehmen bevorzugen, ob es sich dabei um Wagner handele oder unter einem anderen Namen operierende Firmen, sei weniger wichtig. Deshalb halte er es für unwahrscheinlich, dass Konkurrenzfirmen aus anderen Ländern derzeit als Ablösung in Frage kommen.