Insta­grammer in der Öffentlichkeit blenden andere Menschen aus

Bitte nicht fotografieren!

Kolumne übers Spazierengehen. Influencer und die Öffentlichkeit.

Ein vor kurzem viral gegangenes ­Video zeigt eine Influencerin, die ihre Kamera vor einer Parkbank aufbaute und begann, zu ihren Followern zu sprechen. Nach wenigen Sekunden setzte sich ein älterer Mann auf die Bank dazu, was der Filmenden nicht passte – und sie versuchte, ihn dazu zu bewegen, sich eine andere Bank zu suchen. Doch er blieb stoisch, was die Content-Kreierende an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte. Der Mann avancierte zum Helden, der sich seinen Platz nicht nehmen lässt. Dieses Video zeigt, wie der öffentliche Raum zur Bühne wird – und jede und jeder zu ungewollten Statisten.

Jürgen Habermas widmet sich in seinem jüngsten Buch genau diesem »neuen Strukturwandel«, der maßgeblich von der Allgegenwart digitaler Medien im öffent­lichen Raum bestimmt wird. Was durch die Medienrevolution möglich wurde: das Mitspracherecht! Klingt erst mal gut. Multiperspektive, Diversität, jede Person kann sich äußern, sich mitteilen und ihren »Content« mit anderen teilen. Dabei verwischt aber die Grenze zwischen Öffentlichem und Privatem.

Viele Fragen ergeben sich aus dieser neuen Form von Öffentlichkeit. Was ist eigentlich mit dem Recht auf das eigene Bild, wenn Leute in überfüllten Zügen, Bussen und U-Bahnen ihre Handys herausholen und nach oben strecken, um ein Video von der Menge aus der Vogelperspektive zu machen? Selbstgemachte Beobachtungen aus dem beschädigten Leben zeigen: Andere Menschen werden ausgeblendet, schlichtweg nicht wahrgenommen. Die Straßen­bahnen in Lissabon etwa sind überfüllt mit Touristen, die sich beim Fahren filmen und die wiederum von Touristen gefilmt werden, die die Straßenbahnen filmen wollen. Man selbst versucht schlicht, den Kameras auszuweichen. So muss sich Lady Di gefühlt haben, wenn sie aus dem Haus ging.

Die Orte und Landschaften, die als instagrammable gelten, haben aber keine Lust mehr: Im öster­reichischen Hallstatt wurde ein Aussichtspunkt auf den See – samt pittoresker Dorfarchitektur und Bergkulisse – von der Gemeinde erst verbarrikadiert, nun hängen dort Transparente, auf denen aufgefordert wird, bitte nicht mehr zu fotografieren.