Neue Möglichkeiten für die Linkspartei nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht

Jedem Ende wohnt ein Anfang inne

Mit dem Parteiaustritt Sahra Wagenknechts und neun ihrer Getreuen dürfte die Linkspartei ­im Bundestag bald den Fraktionsstatus verlieren. Damit würde sie Rechte einbüßen, aber auch neue Möglichkeiten gewinnen. Eine Kolumne über den Politikzirkus.
Sternstunden des Parlamentarismus Von

»Diese Bundestagsfraktion ist politisch tot«, sagte der noch amtierende Vorsitzende der »Linksfraktion«, Dietmar Bartsch, über selbige. Nachdem Sahra Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete aus der Linkspartei ausgetreten sind, um sich zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zusammenzuschließen, das eine Partei­gründung vorbereitet, ist das Ende der Bundestagsfraktion der Linkspartei absehbar. Bis zuletzt hatten insbesondere Bartsch und sein Fraktionskollege Gregor Gysi kaum etwas unversucht gelassen, den Abtrünnigen einen Verbleib in Partei und Fraktion schmackhaft zu machen.

Selbst als Wagenknecht und ihre Getreuen ihren Plan, das BSW zu gründen, vorgestellt hatten, gab es öffentliche Debatten in der Linkspartei darüber, ob man mit der Wagenknecht-Gruppe vorübergehend eine Fraktionsgemeinschaft bilden solle, um die Arbeitsplätze der »Linksfraktion« zu erhalten. Allerdings würde das auch bedeuten, sich weiterhin von Wagenknecht, Sevim Dağdelen, Klaus Ernst et al. vorführen zu lassen, wenn diese ihre Positionen im Namen der Fraktion präsentieren. Zudem gebe es, so berichtete es die ehemalige Parteizeitung ND, Mitarbeiter der »Linksfraktion«, die bereits derzeit »nur noch Papiere für das BSW schrieben«.

Sobald die Trennung der »Linksfraktion« tatsächlich vollzogen ist, dürften sowohl die verbliebenen Abgeordneten der Linkspartei als auch die zehn des BSW im Bundestag jeweils die Bildung einer Gruppe beantragen.

Die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, sagte am Montag: »Wir wollen dafür sorgen, dass ›Die Linke‹ wieder kraftvoll ihre Rolle als linke Opposition zur Ampel wahrnimmt.« Das kann im Grunde nur so verstanden werden, dass man die zehn BSW-Abgeordneten nicht mehr in der Fraktion haben wolle. Das bedeutet das Ende der »Linksfraktion«, weil sie nicht mehr die Mindestfraktionsstärke, die fünf Prozent der Abgeordneten des Bundestags beträgt, erreicht. »Die Zeit der lähmenden Selbstbeschäftigung« müsse vorbei sein, sagte Bartsch ebenfalls am Montag. Man wolle von nun an »gemeinsam« und »einladend agieren«. »Für uns werden die Wahlen im nächsten Jahr, in besonderer Weise natürlich die drei Landtagswahlen in den neuen Ländern, von besonderer Bedeutung sein«, so Bartsch weiter.

Sobald die Trennung der »Linksfraktion« tatsächlich vollzogen ist, dürften sowohl die verbliebenen Abgeordneten der Linkspartei als auch die zehn des BSW im Bundestag jeweils die Bildung einer Gruppe beantragen. Der Zusammenschluss zu einer Gruppe steht allen Abgeordneten »gleicher politischer Überzeugung« offen, deren Anzahl nicht die Fraktionsmindeststärke erreicht, wie es auf der Web­site des Bundestages heißt. Die parlamentarischen Rechte einer Gruppe sind im Gegensatz zu denen einer Fraktion nicht festgeschrieben, sondern werden vom Bundestag jeweils an die einzelne gegründete Gruppe vergeben.

Historisch hatten die bisherigen Gruppen ähnliche Rechte wie Fraktionen, aber in geringerem Maße. Ob eine Gruppe beispielsweise das festgeschriebene Recht einer Fraktion erhält, Große Anfragen zu stellen oder eine Aktuelle Stunde zu beantragen, ist offen. Beide potentiellen Gruppen dürften wohl Abgeordnete in Ausschüsse entsenden und Mitarbeiterstellen finanziert bekommen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die »Linksfraktion« bei ihrem Übergang zur Gruppe den Vorsitz im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie abgeben muss – den bislang Klaus Ernst innehat, der sich ohnehin dem BSW angeschlossen hat.

Tatsächlich bietet die Aufspaltung der »Linksfraktion« in zwei Gruppen insbesondere für die Linkspartei die Möglichkeit, in dieser Legislaturperiode endlich als linke Opposition zur Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP aufzutreten. Denn bislang war man nur mit sich selbst beziehungsweise mit Wagenknecht und ihren Getreuen beschäftigt. Unklar ist freilich, ob diese Möglichkeit auch genutzt wird.