Wie geht es weiter nach dem Wahlsieg des Rechtsextremen Geert Wilders in den Niederlanden?

Rechts, aber ganz milde

Die Partei von Geert Wilders ist aus der niederländischen Parlamentswahl als stärkste Fraktion hervorgegangen, doch die Koalitionsverhandlungen dürften für den extrem rechten Politiker alles andere als einfach werden.

Die extrem rechte Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders hat mit 23,6 Prozent der Stimmen bei der Wahl in den Niederlanden ihren bisher größten Erfolg erzielt. Mit 37 von 150 Sitzen der Zweiten Kammer des Parlaments stellt sie damit deren stärkste Fraktion – angesichts des stark fragmentierten Parteiensystems der Niederlande ein haushoher Sieg. Rechte Politiker:innen in Europa gratulierten Wilders, darunter die deutsche AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen.

Wilders hatte sich in den vergangenen Jahren mit muslimfeindlichen und rassistischen Äußerungen Verfahren wegen Volksverhetzung und 2020 einen Schuldspruch wegen Beleidigung eingehandelt, nun möchte er Ministerpräsident werden. Sondierungsgespräche für eine Regierungsbildung haben bereits begonnen, mit ihnen wurde zunächst Gom van Strien betraut, ein PVV-Abgeordneter der Ersten Kammer. Doch der ist als Verhandlungsführer sogleich zurückgetreten, weil Betrugsvorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren – die ohnehin schwierige Regierungsbildung dürfte sich deshalb weiter verzögern.

Wilders ist auf ein Bündnis mit rechten Parteien angewiesen, die einer Regierung unter dem extrem rechten Politiker skeptisch gegenüberstehen. Bislang war vielen Wilders Rhetorik zu schrill, im diesjährigen Wahlkampf gab er sich gemäßigter. Nach der Wahl sagte er, dass er als Ministerpräsident für alle Niederländer unabhängig von Herkunft oder Religion regieren wolle.

Die seit 13 Jahren in wechselnden Koalitionen regierende rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD, nun mit 24 Sitzen nur noch drittstärkste Kraft) lehnt eine Koalition mit der PVV ab, die Parteivorsitzende Dilan Yeşilgöz-Zegerius teilte aber mit, dass sie eine Minderheitsregierung unter Wilders dulden würde, sofern er sich an rechtsstaatliche Prinzipien halte. Die VVD ist mit einem Verlust von zehn Sitzen gegenüber 2021 die zweitgrößte Wahlverliererin – nach der liberalen Partei D66 (Demokraten ‚66), die von 24 auf neun Sitze abrutschte.

In den Niederlanden gibt es seit Jahren zu wenig Aufnahmeplätze für Asylbewerber, unter denen viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete sind. Das hatte bereits im vergangenen Winter dazu geführt, dass Hunderte Geflüchtete in der Kälte vor den Aufnahmezentren ausharren mussten.

Der noch kommissarisch regierende Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) hatte vor der Wahl angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen. Die vorgezogene Wahl war nötig geworden, nachdem Ruttes christlich-liberale Koalition mit D66 sowie den Parteien Christdemokratischer Aufruf (CDA) und Christenunion (CU) an einem Streit über die Migrationspolitik zerbrach. VVD und CDA wollten den Familiennachzug von Geflüchteten beschränken, die bereits einen temporären Asylstatus hatten, für die CU war das inakzeptabel. In den Niederlanden gibt es seit Jahren zu wenig Aufnahmeplätze für Asylbewerber, unter denen viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete sind. Das hatte bereits im vergangenen Winter dazu geführt, dass Hunderte Geflüchtete in der Kälte vor den Aufnahmezentren ausharren mussten.

Als Koalitionspartner kommt nach der Absage der VVD in erster Linie die erst im August gegründete nationalkonservative Partei Neuer Gesellschaftsvertrag (NSC) des ehemaligen CDA-Politikers Pieter Omtzigt in Frage, die 20 Parlamentssitze gewann. Doch bestehen vor allem in außenpolitischen Fragen Differenzen zwischen den beiden Parteien. Omtzigt unterstützt die bisherige Ukraine-Politik, Wilders hingegen fordert ein Ende der Waffenlieferungen. Mit Blick auf den Gaza-Krieg stellt sich Wilders auf die Seite der israelischen Regierung und sorgte mit dem Vorschlag für Aufregung, alle Palästinenser nach Jordanien umzusiedeln; der bekennende Christ Omtzigt ermahnte Israel, sich bei seiner Militäroffensive im Gaza-Streifen an internationales Recht zu halten. Ausgeschlossen hat Omtzigt eine Koalitionsbeteiligung nicht.

In innen-, sozial-, wohnungs- und wirtschaftspolitischen Fragen gilt die PVV als flexibel. Und mit Blick auf die Klima- und Migrationspolitik sind sich die meisten rechten Parteien ohnehin einig. Die Klimapolitik hat in den vergangenen Jahren mit der sogenannten Stickstoffkrise viele Landwirte gegen die jeweiligen Regierungen aufgebracht. Im Sommer 2022 protestierten sie nach Umweltauflagen zur Reduzierung der sehr hohen niederländischen Stickstoffemissionen gegen Eingriffe des Staats. Davon profitierte insbesondere die rechtslibertäre Bauern-Bürger-Bewegung (BBB). Die Partei erhielt bei der Wahl sieben Sitze und gilt als einzige sichere Koalitionspartnerin für Wilders.

Die größte Herausforderung für eine Minderheitsregierung unter Wilders läge in europapolitischen Fragen. Hier besteht ein kaum überbrückbarer Widerspruch mit der VVD, die für eine neoliberale Integration der Niederlande in die Europäische Union steht. Wilders lehnt sie grundsätzlich ab.
Der Konflikt hatte schon 2012 zu einem Bruch zwischen beiden Parteien geführt. Damals brachte Wilders eine Minderheitsregierung unter Rutte zu Fall, weil sie im Zuge der sogenannten Euro-Krise auf die Einhaltung der EU-Schuldenregeln pochte und Haushaltskürzungen vornehmen wollte. Seitdem galt die PVV in der niederländischen Politik als geächtet – bis zum jetzigen Wahlsieg.

Von den linken Parteien dürfte eine rechte Regierung im Übrigen kaum etwas zu befürchten haben. Zwar wurde die gemeinsame Liste von Groenlinks und der sozialdemokratischen PvdA mit 25 Sitzen zweitstärkste Kraft, insgesamt aber sind die linken Parteien in der Zweiten Kammer nun weit abgeschlagen.