Schlechte Naturdokumentationen

Meisenmann und Käferdame

Die Macher von Naturdokus scheinen oft davon auszugehen, dass ihr Publikum ziemlich simpel gestrickt ist. Da werden tierische Protagonisten vermenschlicht und zuweilen klingt das Skript, als stamme es aus der Feder von Marine Le Pen.
Laborbericht Von

Manchmal möchten sich auch Nerds einfach nur berieseln lassen. Die passende Mischung aus Bildung und Unterhaltung, kurz Edutainment, bieten da Naturdokus – sollte man zumindest meinen. Leider aber scheinen die meisten Filmemacher davon auszugehen, dass das Publikum ziemlich simpel gestrickt ist und auf allen Ebenen an die Hand genommen werden muss, und das schlägt sich im Stil des gesamten Genres nieder.

So soll stets unbedingt eine »Geschichte« erzählt werden, sei es über Flora und Fauna einer bestimmten Region oder das Leben der Ameisenbären. Da die Existenz der meisten Tiere zu großen und unspektakulären Teilen aus Fressen und Nichtgefressenwerden besteht, muss die Regie da kräftig nachhelfen.
Ein simpler Kunstgriff ist die Vermenschlichung der Protagonisten: »Er ist ein ›Kuckuckskind‹ (sic!), die Folge eines Seitensprungs«, heißt es etwa über einen »Meisenmann« (Männchen wäre wohl zu profan), und in einer Arte-Serie mit dem ohnehin schon unterirdisch eingedeutschten Titel »Guck mal, wer da kreucht« sollen die Zuschauer gar in »die Haut eines Marienkäfers« schlüpfen; beziehungsweise einer »Marienkäferdame«, wie es hier wiederum heißt.

Wenn es bei Herrn und Frau Käfer zur Sache geht, darf es statt Orchesterbrei auch mal ein dermaßen suggestives Saxophonsolo sein, dass es an sexuelle Belästigung grenzt.

So etwas ist bestenfalls unsachlich und nervtötend, und wirklich unangenehm wird der Tonfall der französischen Produktion, wenn die Sprache auf den asiatischen Marienkäfer kommt. Man könnte die Probleme, die diese von Menschen angesiedelte Art den heimischen Spezies bereitet, auch erläutern, ohne von »unerwünschten Hausbesetzern« und »Invasoren« zu sprechen – so aber klingt es, als stamme das Skript von Marine Le Pen.

Schlimm klingt außerdem in 99 Prozent aller Fälle die Musik. Bloß nicht einfach die natürliche Geräuschkulisse für sich wirken lassen, schließlich kommen die korrekten Emotionen beim Publikum nur auf, wenn man alles in einer klebrigen Soundsoße ertränkt: säuselnd wie im Meditationskurs, um heile Natur zu suggerieren, bombastisch bei den inflationär als billiges Füllmaterial eingesetzten Drohnenaufnahmen, und wenn es bei Herrn und Frau Käfer zur Sache geht, darf es statt Orchesterbrei auch mal ein dermaßen suggestives Saxophonsolo sein, dass es an sexuelle Belästigung grenzt.

Nun soll niemandem die Freude an spektakulären Aufnahmen oder schönen Tieren genommen werden, und einen Fokus auf Informationsvermittlung sollte man bei Sendungen ohnehin nicht erwarten, die in erster Linie darauf angelegt sind, Menschen in den Fernsehschlaf zu begleiten. Selbst dabei stört jedoch nicht nur die überlaute Musik, sondern das ganze verkitsche Naturbild, das auf diese Weise vermittelt wird. Dann doch lieber Youtube nach furztrockenen Fachvorträgen über Dünnschliffmikroskopie durchstöbern.