Die linke griechische Partei Syriza ist in der Krise

Syrizas große Krise

Die Beliebtheit der linken griechischen Partei Syriza sinkt immer weiter. Das liegt nicht zuletzt am neuen Parteivorsitzenden Stefanos Kasselakis.

Wenige Monate vor den Europawahlen ruhten die Hoffnungen vieler Linker in Griechenland auf dem vierten Parteitag Syrizas, der vom 22. bis 25. Februar im Athener Küstenvorort Paleo Faliro stattfand – man versprach sich eine Rückkehr der Partei zu progressiven Themen. Doch bereits eine Woche vor dem Parteitag begann das jüngste parteiinterne Drama, das alles andere in den Schatten stellen sollte.

Der seit September amtierende Parteivorsitzende Stefanos Kasselakis stellte eine Mitgliederbefragung auf die Website von Syriza – ohne die laut Parteistatut für einen solchen Fall vorgesehene Absprache mit den übrigen Parteiorganen. Die Mitglieder sollten entscheiden, ob Syriza umbenannt werden und ob die Partei weiterhin links sein solle.

Die Partei liegt in der jüngsten Umfrage mit 10,4 Prozent auf dem dritten Platz hinter der rechtskonservativen Regierungspartei Nea Dimokratia mit 28,5 Prozent und der sozialdemokratischen Pasok (11,7 Prozent).

Kasselakis schwebt eine in Wirtschaftsfragen marktliberale, zudem patriotische und nur noch rudimentär linke Partei vor. Das ging der Mehrheit der Mitglieder des Politbüros zu weit, sie riefen eine Sondersitzung ein, der Kasselakis fernblieb. Ein Misstrauensvotum auf dem Parteitag gegen Kasselakis wurde erwogen. Dieser wiederum verlangte öffentlich, dass er bis zu den Parlamentswahlen 2027 nicht in Frage gestellt werde – also auch für den Fall einer Schlappe der Partei bei den Europawahlen im Juni. Es gebe keine Carte blanche für Parteivorsitzende, antworteten die Kritiker aus dem Politbüro.

Schließlich meldete sich der ehemalige Ministerpräsident Alexis Tsipras zu Wort, der Gründer und ehemalige Vorsitzende Syrizas. Tsipras riet seinem Nachfolger, sich durch eine Neuwahl der Parteiführung bestätigen zu lassen. Er selbst war nach der vernichtenden Wahlniederlage bei der Parlamentswahl im Juni 2023 vom Vorsitz zurückgetreten. Mit 17,83 Prozent der Stimmen hatte sich die Zahl der Wähler der Partei verglichen mit 2019 halbiert.

In der Folge übernahm Kasselakis den Parteivorsitz und reduzierte, zumindest in Umfragen, die Unterstützung Syrizas erneut signifikant. Die Partei liegt nun in der jüngsten Umfrage mit 10,4 Prozent auf dem dritten Platz hinter der rechtskonservativen Regierungspartei Nea Dimokratia mit 28,5 Prozent und der sozialdemokratischen Pasok (11,7 Prozent), wobei die traditionskommunistische KKE Syriza in der Wählergunst noch überholen könnte.

Bei den Regional- und Kommunalwahlen im Oktober gewannen die Sozialdemokraten der Pasok und die Kommunisten der KKE Stimmen hinzu. Die regierende Nea Dimokratia war meist siegreich und die von Syriza unterstützten Kandidaten verloren auf ganzer Linie.

Elf der 47 Parlamentarier Syrizas, darunter Kasselakis‘ Gegenkandidaten bei den zurückliegenden Präsidiumswahlen, Effie Achtsioglou und Efklidis Tsakalotos, wurden faktisch aus Syriza hinauskomplimentiert und gründeten die Partei Neue Linke, die nach jüngsten Umfragen lediglich bei 1,9 Prozent liegt. Der stellvertretende Parlamentspräsident des EU-Parlaments, Dimitrios Papadimoulis, verließ Syriza und trat der neuen Partei bei.

Unter diesen Vorzeichen begann der Parteitag mit einer Rede von Kasselakis, in der das Wort »ich« dominierte. »Ich fordere als Vorsitzender von Syriza den sofortigen Waffenstillstand im Gaza-Streifen«, »ich bin einer von euch«, »ich lasse euch nie im Stich«. Politisch konkrete Vorschläge fehlten, dafür gab es umso mehr Parolen. »Findet mir einen Kontrahenten, und los geht’s!« Als Tag der Präsidiumswahl schlug er den 10. März vor, mit einer Abstimmung in Präsenz sowie digital.

Doch das Parteistatut sieht eine Frist von einem Monat zwischen Ankündigung und Abstimmung vor und erlaubt die Wahl der Parteiführung nur in Präsenz. Mit Regeln und Gesetzen nimmt es Kasselakis ohnehin nicht so genau. Er ist weiterhin alleiniger Besitzer einer ausländischen, im US-Bundesstaat Delaware registrierten Firma, über die er Parteimedien von Syriza finanziert. Beides ist für Berufspolitiker und Vorsitzende von im Parlament vertretenen Parteien verboten.

Kasselakis selbst schürte die Gegensätze weiter. Bei seiner Abschlussrede am Sonntag forderte er seine Anhänger auf, aufzustehen und genau darauf zu achten, wer nicht Befall für den Vorsitzenden klatsche – es waren die altgedienten Parteimitglieder in den ersten Reihen. Sie sind für Kasselakis »Gegner« und »Intriganten«. Auf dem Parteitag hatten seine Anhänger die Mehrheit.

Das bekam auch Olga Gerovasili, Vizepräsidentin des griechischen Parlaments, zu spüren. Sie war von den Kritikern Kasselakis‘ nach nächtlichen Diskussionen am Donnerstag als Kandidatin für die Wahl zum Parteivorsitz aufgestellt worden. Gerovasili pochte in ihrer Rede am Sonntag auf Parteistatut und Regeln und wurde immer wieder durch Zwischenrufe von Kasselakis unterbrochen. Entnervt platzte es schließlich aus Gerovasili heraus: »Wenn du am 10. März wählen lassen willst, dann mach es doch alleine!« Für Kasselakis und seine Anhänger war dies ein Beweis für ihren Rückzug von der Kandidatur. Schließlich sammelten sie Unterschriften, um die von ihrem Kasselakis zunächst vorgeschlagenen Wahlen zu verhindern.

Es besteht wenig Grund, daran zu zweifeln, dass Kasselakis auch die Parteiorgane hinter sich bringen wird. Darauf, dass er, wie er verspricht, Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bei Wahlen überflügeln und ablösen werde, sollte man jedoch nicht wetten.