Der schweigsame Retter jüdischer Kinder, Rocko Schamoni und Gerda

Mehr als ein Leben

Popkolumne. Rocko Schamoni, HipHop und die Geschichte des Retters Nicholas Winton.
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Wie verfilmt man eigentlich einen Podcast, der streng genommen ein geskriptetes Hörspiel war? Gute Frage. Rocko Schamoni und Gereon Klug haben ihren exklusiv für Audible produzierten Podcast »Auf der Bahn« einfach zur »Rocko Schamoni Supershow« umgelabelt. Ein filmisches ­Laberformat, in dem es ungeniert um die Reichweitenerhöhung der eigenen Marke geht.

Klug spielt Rockos windigen Manager und Schamoni spricht mit ausgewählten A-Promis aus der Welt der deutschen Fernsehunterhaltung: Klaas Heufer-Umlauf, Joy Denalane, Linda Zervakis und Charly Hübner. Wenigstens ein Gast unter 30 wäre sicher von Vorteil gewesen im Hinblick auf die Anschlussfähigkeit an noch ausgehfreudige Talk-Bubbles, aber immerhin kann man sich die Videoschnipsel jederzeit für umme in der Mediathek der ARD anschauen.

Wie verfilmt man das Leben eines bescheidenen Menschen, der in finsteren Zeiten seinem Wertekompass folgte?

Wie verfilmt man das Leben eines bescheidenen Menschen, der in finsteren Zeiten seinem Wertekompass folgte? James Hawes findet in seinem Film »One Life« darauf eine angemessen pathosarme Antwort: Börsenmakler Nicholas Winton schleuste kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 669 jüdische Kinder aus Prag heraus und brachte sie in britischen Pflegefamilien unter. So bewahrte er sie vor den Nazis.

Anthony Hopkins verkörpert anrührend diesen Mann, der seine Tat nie an die große Glocke gehängt hat. Stattdessen plagten ihn zeit seines Lebens Schuldgefühle, weil es ihm 1939 nicht gelang, auch den neunten Kindertransport in ­Sicherheit zu bringen. Davon erfährt man in filmischen Rückblenden; den jungen Winton der damaligen Zeit verkörpert Johnny Flynn. Jahrzehnte später macht sich Winton dar­an, seine Aufzeichnungen von his­torischem Wert zu sichern.

Der Film weicht an dieser Stelle von der wahren Geschichte ab, denn es war Wintons Frau, die die Unterlagen auf dem Speicher ihres Hauses entdeckte. Letztlich landete der Retter in der TV-Show »This Is Your Life«, in der zu seiner Überraschung nur Menschen im Publikum saßen, die ihm ihr Leben zu verdanken haben. Ein filmischer Lichtblick in einer Zeit des wieder erstarkenden Antisemitismus und einer immer restriktiveren Asylpolitik.

Und wie vertont man in Deutschland im Jahre 2024 geschichtsbewusst ein HipHop-Album? Die Gruppe Gerda macht es auf ihrem Album »Believe in Gerda« vor. Gelungene Neunziger-Jahre-Retro-Beats mit alten, berühmten Deutschrap-Männern, aber auch jungen talentierten Ladys wie Sazou oder Wa22ermann. Das macht Gerda möglicherweise Gen-Z-andockfähiger als die Schamoni-Supershow. Wobei, es zählt ja heute – gerade im HipHop – vor allem die Aktivität auf Tiktok.