Eine Dokumentation über die Privatisierung in den Neunzigern verärgert die ­liberale russische Opposition

Wer sind die Verräter?

Ein Dokumentarfilm des Teams von Aleksej Nawalnyj über die Privatisierungen im Russland der neunziger Jahre sorgt unter russischen Oppositionellen für hitzige Diskussionen. Der Film thematisiert die Verantwortung des liberaldemokratischen Lagers für den Aufstieg Putins.

Bereits der Titel klingt nach Kampfansage: »Verräter« – so heißt der neue Video-Dreiteiler von Maria Pewtschich, einer langjährigen Vertrauten und engen Mitarbeiterin des im Februar unter ungeklärten Umständen in Haft verstorbenen Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj. Wie in zahlreichen vorangegangenen Enthüllungen von dessen Antikorruptionsfonds FBK geht es darin um Bereicherung in gigantischem Ausmaß. Doch anders als bei den vorherigen Dokumentarfilmen über korrupte Machenschaften in der russischen Führungsriege liegen in diesem Fall sämtliche Fakten seit Jahrzehnten auf dem Tisch.

Trotzdem löste der neue Film heftige Debatten aus. Denn Gegenstand von Pewtschichs Film sind die turbulenten neunziger Jahre und die Frage, wo die Erklärung dafür zu suchen ist, dass die russische Gesellschaft nach einer kurzen Zeit des demokratischen Aufbruchs willig einem dem sowjetischen Geheimdienst entsprungenen Machtmenschen den Weg in den Kreml ebnete – Wladimir Putin.

Inspirieren ließ sich Pewtschich von einem Text, den Nawalnyj im August 2023 nach seiner letzten Verurteilung verfasst hatte. In »Meine Angst und mein Hass« prangerte er eine Gruppe um Präsident Boris Jelzin an, deren Mitglieder als demokratische Reformer in die Geschichte eingegangen sind, ihm aber genauso verhasst seien wie die russische Öffentlichkeit, die Jelzins Wiederwahl 1996 durch ihren bedingungslosen Rückhalt erst ermöglicht hatte. Nicht unter Putin begann das große Desaster, sondern unter Jelzin, dem Chefprivatisierer Anatolij Tschubajs, den Oligarchen und den zu Demokraten mutierten Emporkömmlingen aus dem Komsomol-Apparat, konstatierte Nawalnyj.

Rund 30.000 staatseigene Betriebe sollten nach vorheriger Absprache einem ausgewählten Personenkreis zugeschanzt werden.

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